Originaltitel: The Channel__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: William Kaufman__Darsteller: Clayne Crawford, Max Martini, Nicoye Banks, Juliene Joyner, Lucky Johnson, Jaren Mitchell, E.K. Spila, Linds Edwards, Todd Jenkins, Gary Cairns, Mike Lobo Daniel, Xander Gòmez, Paul Rae, Jay Moses u.a. |
Video: Kritik zu „The Channel“ von William Kaufman
Wir haben zum neuen Streich von William Kaufman eine Videokritik für euch angefertigt. Einfach das nachfolgende Bild anklicken. Unter dem Video findet ihr ein weiteres Review von McClane.
Gehobenes Mittelmaß von William Kaufman
Obwohl in „The Channel“ keine Kanäle im engeren Sinne vorkommen, trägt der Actionthriller von William Kaufman („The Brave“) seinen Namen dennoch zu Recht, gibt es im Handlungsort New Orleans doch ein Viertel namens Irish Channel.
Irischer Abstammung ist auch der Ex-Soldat James ‘Jamie‘ Sheridan (Clayne Crawford), der die Kriegserlebnisse mit nach Hause genommen hat, wie eine etwas hakelige POV-Sequenz zu Beginn zeigt: Noch immer träumt er von einem Einsatz, der aus dem Ruder lief. Ein Vertreter der Working Class, mit den typischen Problemen derartiger Actionfilmprotagonisten. Das Geld ist knapp, vor allem angesichts einer schweren Erkrankung der Tochter und der dementsprechenden Arztrechnungen. Für sie will Jamie Geld heranschaffen, lässt den Nachwuchs bei einer Babysitterin und geht zur Arbeit – man ahnt bereits, dass es heute nicht sein normales Tagewerk sein wird.
So trifft sich Jamie mit seinem Bruder Michael (Max Martini), Mick genannt, und weiteren Kameraden aus der gemeinsamen Militärzeit, um einen Banküberfall zu begehen. Dank Insider-Informationen wissen sie, dass in einer Filiale der First National Bank gerade viel zu holen ist, ziehen den Coup mit fachmännischer Brutalität und Präzision durch. Genau diese Eigenschaften kommen ihnen auch zugute, als sie eine Eingreiftruppe beim Verlassen der Bank erwartet und es zu einem verlustreichen Feuergefecht kommt. Spätestens dann ist das große Vorbild „Heat“, der Goldstandard unter den Bankräuber-Actionthrillern, unübersehbar, doch kommt dies dem Regisseur entgegen, der ähnlich wie Kollege Michael Mann auf realistisches Waffenhandling, authentisch laute Schussgeräusche und taktisches Vorgehen auf beiden Seiten setzt.
Gemeinsam mit einem schwer verwundeten Kollegen können sich die Sheridans den Weg freischießen und mit der Beute entkommen, doch sie wissen, dass ihnen die Behörden auf den Fersen sind. Während der frisch eingetroffene FBI-Ermittler Frank Ross (Nicoye Banks) Hinweise auf die maskierten Täter findet, versuchen diese es noch aus der Stadt zu schaffen, ehe sich die Schlinge ganz zuzieht…
Schaut euch den Trailer zu „The Channel“ an
„The Channel“ ist ein Film, dessen Inspirationen klar zu erkennen sind. Manche Elemente sind Genrestandards, etwa die Ex-Soldaten, die ihre Talente als Bankräuber nutzen, das gab es jüngst auch in „Cash Truck“ und „Ambulance“. Anderes dagegen lässt sich klar auf Einzelfilme beziehen. Mögen „Heat“ und der ebenfalls von „Heat“ inspirierte, ebenfalls im Arbeitermilieu angesiedelte „The Town“ als große Vorbilder dienen, so kommen einem beim Anschauen vor allem noch zwei andere Werke der jüngeren Vergangenheit in den Sinn. Das Duell von flüchtigen Kriminellen und ihren polizeilichen Verfolgern, welche die Stadt abriegeln, ruft Erinnerungen an „21 Bridges“ wach, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen: Stand dort der Ermittler im Mittelpunkt, so sind es hier die Räuber. Ein ähnliches Hin und Her, wenngleich nicht so zeitlich verdichtet wie „The Channel“ und „21 Bridges“, bot auch „Den of Thieves“, an dessen Räuberbande die Sheridans erinnern.
So ist die Geschichte dann auch ein Wechselspiel von Aktionen der Polizei und der Gangster, bei denen man plotseitig kaum Überraschungen erwarten darf. Die Räuber versuchen ihr Leben und ihre Beute aus der Stadt zu retten und klappern dafür ihre Kontakte ab, die Cops gehen Spuren nach, wobei sich Ross schnell auf die Bankangestellte Ava (Juliene Joyner) fixiert, deren Verbindung zu den Sheridans vom Film dann auch wenig überraschend aufgedeckt wird. Geradliniges Genrekino nach Schema F, die noch am ehesten Reiz aus der Gegensätzlichkeit der Brüder zieht: Mick ist der eiskalte Brutalo, Jamie der in Not geratene Edle, der nur dann tötet, wenn er es für notwendig hält, aber auch bereit dazu ist. Das erzeugt nicht nur Spannungen zwischen den Brüdern, sondern gelegentlich auch Spannung beim Publikum. So wird klar, dass Mick sich freut, wenn es immer weniger Leute gibt, mit denen er die Beute teilen muss, und dass er auch den verwundeten Kumpan so in mehrerlei Hinsicht nur als lästiges Hindernis sieht. Jamie hingegen hat sie soldatische Bruderschaft im Sinn und will dessen Leben retten. Ähnlich sieht es aus, wenn die beiden mit arroganten Gangstern konfrontiert sind, mit denen sie notdürftig verhandeln müssen, aber Pulverfass Mick jederzeit hochgehen könnte.
Darüber hinaus erschafft Kaufman, der gemeinsam mit Drehbuch-Debütant Paul Reichert auch das Script zu „The Channel“ schrieb, eine raue Atmosphäre in einem Film voller Profis auf beiden Seiten des Gesetzes, die schnell mit der Waffe sind. Menschen, die ein Leben in ohne viel Federlesen auslöschen können, die keine Skrupel haben Feinde in ein Säurebad zu tauchen oder mit einem eiskalten Spruch auf den Lippen zu exekutieren. Es bleiben Archetypen, von denen nur Jamie und ansatzweise Mick eine Hintergrundgeschichte bekommen. Zwei Brüder, gezeichnet durch einen gewalttätigen Vater, weiter zusammengeschweißt im Krieg, doch gleichzeitig so verschieden, dass die Loyalität immer wieder auf die Probe gestellt wird. So kann die Hetzjagd vor allem durch ihr Flair, durch die markigen Figuren punkten, zumal Kaufman für diesen Film mal wieder etwas mehr Geld für bessere Production Values zur Verfügung hatte. Außerdem kehrt der Regisseur mit „The Channel“ auf die Straßen seines größten Erfolgs „Sinners and Saints“ zurück. Drehbuchtechnisch darf man allerdings keine Wunder oder allzu großen Innovationen von dem wenig innovativen Plot erwarten, der im Abgang leider auch böse strauchelt, weil „The Channel“ gefühlte vier Enden hat, von denen mindestens drei zu viel sind.
Ebenfalls nicht ganz ausgefeilt ist die Actiondramaturgie, denn das große Highlight verpulvert „The Channel“ bereits zu Beginn. Das Shootout im „Heat“-Stil vor der Bank mit anschließender Autojagd hat richtig Druck, wenn sich Cops und Gangster beharken, es Verluste auf beiden Seiten gibt und sich die kriminellen Ex-Soldaten durch Feuerkraft und Taktik den Weg freischießen können. Klirrende Scheiben, ohrenbetäubendes Dauerfeuer, spritzendes Blut, keine Gnade – Kaufman legt gut vor. Leider sind die restlichen Actionszenen oft eher kleine Scharmützel, die auch darunter leiden, dass auf Räuberseite kaum noch entbehrliche Figuren da sind. Oft überwältigen die Sheridans ein paar unterlegene Gegner in Sekundenbruchteilen, erst bei der finalen Konfrontation mit den Gesetzeshütern begegnen ihnen Kontrahenten auf Augenhöhe. Da der Ausgang Genrestandard ist, ist dies freilich nur begrenzt spannend, die Schauwerte sind bei einer Verfolgungsjagd zu Fuß mit kleinen Schusswechseln zwischendurch auch eher klein skaliert, obwohl Kaufman das Ganze souverän inszeniert.
Zu den Pluspunkten von „The Channel“ gehört sicherlich das Casting. Mit Clayne Crawford konnte Kaufman ein halbwegs bekanntes Gesicht verpflichten – nach seinem Karriereknick durch das Aus bei der „Lethal Weapon“-TV-Serie dürfte dieser gerade einfacher zu haben sein. Aber er verkörpert Jamie so, dass man ihm den verzweifelten Familienvater abnimmt, der das Beste aus einer schlimmen Situation machen will, der dem Publikum nicht komplett unsympathisch wird, obwohl er und seine Crew auch einige Polizisten abknallen. Die Last dieser Bluttaten lastet allerdings meist auf den Schultern von B-Star Max Martini („13 Hours“), der den älteren Sheridan-Bruder mit Walter-White-Gedächtnislook eindrucksvoll als unberechenbaren Brutalo anlegt. Stark ist allerdings auch die Gegenseite: Nicoye Banks („Brooklyn’s Finest“), E.K. Spila („Jarhead 3“) und Jaren Mitchell („Warte, bis es dunkel wird“) auf Behördenseiten erhalten vom Script zwar so gut wie kein Profil, verkörpern die Archetypen als brillanter Ermittler (Banks), alter Hase (Spila) und kampfstarker Actionbulle (Mitchell) mit Charisma. Drehbuchtechnisch ebenfalls wenig entwickelt, darstellerisch aber ebenfalls überzeugend ist Juliene Joyner, gelegentliche Schauspielerin („Unhinged“) und in erster Linie Stuntfrau („Renfield“), die sich aber auch in einer größeren Rolle behaupten kann.
Besetzung, Atmosphäre und Production Values stimmen also bei „The Channel“, der generische Plot ist funktional, aber okay, doch leider krankt das Ergebnis an ein paar dramaturgischen Fehlentscheidungen. Das weitgehende Abräumen der Räuberbande zu Beginn killt ein wenig die Spannung, „The Channel“ hat ein paar Enden zu viel und haut seine beste, eigentlich sogar seine einzige größere Actionszene zu Beginn raus. Dank Kaufmans souveräner Inszenierung noch gehobenes Mittelmaß, aber leider unter seinen Möglichkeiten.
Knappe:
„The Channel“ wurde in Deutschland bisher noch nicht veröffentlicht. In den USA ist er nicht nur digital zu haben, sondern wurde von Allied Vaughn auch auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ohne MPAA-Freigabe („Not Rated“).
© Nils Bothmann (McClane)
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