In der Marvel-Serie „The Falcon and the Winter Soldier“ müssen sich Anthony Mackie und Sebastian Stan als Titelfiguren zusammenraufen, als Terroristen den brüchigen Frieden auf der Welt stören. Als mit Wyatt Russell urplötzlich ein neuer Captain America gekürt wird, macht dies die Gemengelage nicht einfacher.
Originaltitel: The Falcon and the Winter Soldier__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Creator: Malcolm Spellman__Regie: Kari Skogland__Darsteller: Anthony Mackie, Sebastian Stan, Daniel Brühl, Wyatt Russell, Erin Kellyman, Emily VanCamp, Carl Lumbly, Danny Ramirez, Georges St-Pierre, Julia Louis-Dreyfus, Clé Bennett, Florence Kasumba, Desmond Chiam, Adepero Oduye u.a. |
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In „The Falcon and the Winter Soldier“ müssen sich Anthony Mackie und Sebastian Stan als Titelfiguren zusammenraufen
Am Ende von „Avengers: Endgame“ hatte Steve Rogers seinen Schild an seinen Nachfolger übergeben, was in „Captain America: Brave New World“ aufgenommen wurde, doch einen genaueren Blick auf den Wechsel des Staffelstabs wirft die Disney+-Serie „The Falcon and the Winter Soldier“.
Wie der Titel schon sagt geht es um zwei bisherige Nebenfiguren des Marvel Cinematic Universe, beide eng verbunden mit Steve Roger alias Captain America. Der eine ist Steves bester Freund aus Jugendtagen, Bucky Barnes (Sebastian Stan), der jedoch von Schurken gefangen genommen, einer Gehirnwäsche ausgesetzt und zum Attentäter Winter Soldier gemacht wurde. Bucky sucht nach seiner Deprogammierung nach den Geschehnissen von „Captain America: Civil War“ nach Erlösung, geht zur Therapie und führt Buch über all diejenigen, denen er weh getan hat. Wenn Bucky gegen die Hintermänner seiner Schurkenzeit vorgeht, dann befolgt er strenge Regeln – jene der US-Regierung, die ihn beobachtet, und jene seiner Therapeutin, die ihm den Rückweg zu einem normalen Leben zeigen will. Wo Filme oft verdichten müssen, da kann sich die Serie den Nebenwirkungen eines Seitenwechsels widmen, auch wenn dieser Aspekt immer stiefmütterlicher behandelt wird, sobald die Haupthandlung von „The Falcon and the Winter Soldier“ in Fahrt kommt.
Die zweite Titelfigur ist Sam Wilson (Anthony Mackie), der immer noch der Falcon ist und quasi Steve Rogers‘ bester Freund nach dessen Erwachen in der Gegenwart. Mit neuer Ausrüstung in Drohnenform unterstützt der Flügelmann die US-Streitkräfte, gerade bei heiklen Missionen mit wenigen Teilnehmern, kann sich aber nicht dazu durchringen die Bürde des Schildes anzunehmen, den er lieber dem Captain-America-Museum übergibt. Da auch Sam zu jener Hälfte der Menschheit gehört, die für fünf Jahre nicht existiert hat (siehe „Infinity War“ und „Endgame“), muss er mit den Schwierigkeiten der Wiedereingliederung kämpfen – gerade bei so alltäglichen Problemen wie der Beantragung eines Kredits. Nach den weltenrettenden Schlachten vieler Marvel-Filme gibt sich „The Falcon and the Winter Soldier“ bewusst geerdeter und erforscht die kleineren Probleme.
So geht die Bedrohung nicht von einem Superschurken aus, sondern von einer Terrorgruppe namens Flag Smashers, die sich gegen die Wiedereingliederung der zwischenzeitlich Verschwundenen einsetzt. Sam, Bucky und Sams Kollege Joaquin Torres (Danny Ramirez) ermitteln, als die US-Regierung unerwartete Konsequenzen aus dem Handeln der Terroristen zieht: Sie ernennt den Soldaten John Walker (Wyatt Russell) zum neuen Captain America und gibt ihm sogar Steves Schild, was für Verstimmung zwischen Sam und Bucky sorgt…
Schaut euch den Trailer zu „The Falcon and the Winter Soldier“ an
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Sam Wilson (Anthony Mackie) alias Falcon und Bucky Barnes (Sebastian Stan) alias Winter Soldier müssen sich zusammenraufen
Eine Art Buddy-Geschichte im MCU, in der sich zwei Menschen zusammenraufen müssen, deren hauptsächliche Verbindung Steve Rogers war. Dass beide in den Filmen eher Figuren aus der zweiten Reihe waren, thematisiert die Serie durchaus dadurch, dass beide auf ihre Weise im Schatten von Captain America standen und mit dessen Erbe hadern. Sam glaubt, dass die Fußstapfen zu groß sind, macht damit aber den Weg für die Ernennung von John Walker frei, was Bucky wiederum ablehnt, da er der Ansicht ist, dass Sam die Bürde hätte annehmen sollen. Dass Captain America eben mehr als nur ein Kostüm ist, sondern eine Idee, ein Wertekompass, macht gerade die Geschichte von John Walker klar, der sich eben nicht als würdiger Träger des Schilds erweist, ohne einseitig negativ gezeichnet zu werden. Seine enge Freundschaft zu seinem Kompagnon Lemar (Clé Bennett) dient als Spiegelbild zu anderen Buddy-Konstellationen, vor allem jener von Sam und Bucky, was wiederum manche seiner Handlungen erklärt, wenngleich nicht entschuldigt.
Ähnlich vielschichtig sind die Flag Smashers rund um Karli Morgenthau (Erin Kellyman) gezeichnet: Keine klassischen Schurkenfiguren, sondern eine Truppe fehlgeleiteter Aktivisten, die das Gefühl hat, angesichts der Wiedereingliederung der zuvor Verschwundenen benachteiligt zu werden. In einer späteren Rede Sams deutet sich die Problematik des Ganzen an: Gibt man einem Wiedergekehrten sein Haus zurück, dann kann dies bedeuten, dass der aktuelle Bewohner dadurch obdachlos wird. Karlis jugendliches Alter steht für einen falsch verstandenen Idealismus, zumal sie und ihre Mitstreiter das Supersoldatenserum zu sich genommen haben. Das macht sie nicht nur zu ebenbürtigen Gegnern für Sam, Bucky und den neuen Cap, sondern wirkt auch als Aggressionsbeschleuniger – nicht jeder reagiert ebenso nebenwirkungsfrei auf das Zeug wie dereinst Steve Rogers.
So geht „The Falcon and the Winter Soldier“ einige realitätsnahe Themen im Fantasygewand an: Sorgen über Verteilungskämpfe, der Grad zwischen Aktivismus und Terrorismus, Traumabewältigung, Resozialisierung, immer noch bestehende Ungleichheit zwischen Menschen verschiedener Herkunft, bis hin zum Rassismus. Letzteres wird unter anderem durch den schwarzen früheren Supersoldaten Isaiah Bradley (Carl Lumbly) verkörpert, der ebenfalls mit dem Serum aufgepowert wurde und über einen ähnlichen Wertekompass wie Steve Rogers verfügt. Ausgerechnet der wurde ihm jedoch zum Verhängnis, als er dereinst Befehle missachtete, um seine Kameraden zu retten, was ihm lange Haft einbrachte. Wäre ein Steve Rogers ebenso behandelt worden, ist die interessante Frage, die im Subtext mitschwingt.
Natürlich sind all die Fragen in erster Linie Boni in einer Serie, die sich vor allem als Spionage- und Politthriller im Comic-Kosmos versteht. Stilistisch sind die „Captain America“-Filme „The Winter Soldier“ und „Civil War“ die offensichtlichen Vorbilder, an deren Production Values „The Falcon and the Winter Soldier“ mit einem Budget von rund 150 Millionen Dollar beinahe heranreicht. Das CGI hat beinahe Kinoqualität, in Sachen Locations war man dagegen etwas sparsamer. Zwar führt auch diese Spionagegesichte um die Welt, unter anderem in die Schweiz, nach München und in den fiktiven Inselstaat Madripoor, doch mit Außendrehs ist man eher sparsam – viele davon entstanden in der Nähe von Prag, was zwar vom europäischen Look durchaus passt, aber eben doch kein Vor-Ort-Dreh ist. Showrunner ist Malcolm Spellman („Empire“), alle sechs Folgen wurden von Kari Skogland („Libery Stands Still“) inszeniert. Für einen etwas geerdeteren Ton sorgt auch die Verpflichtung von „John Wick“-Erfinder Derek Kolstad, der zwei der Folgen schrieb.
Auch die Action kommt dementsprechend handgemachter daher, setzt vor allem auf gut choreographierte Nahkämpfe, für die das Stunt- und Fight-Team rund um Dave Macomber („Carry-On“), Justin Eaton („Banshee“) und Brad Martin („Greenland“) verantwortlich zeichnet. Die Kämpfe sind übersichtlich inszeniert, der Schnitt stimmt, während Sams (teilweise antriebunterstützter) Kampfstil einige Capoeira-Moves einbaut. Zu den Highlights gehört ein Kampf zwischen zwei Kontrahentengruppe auf zwei fahrenden LKW in Folge zwei sowie alle Fights zwischen Falcon und Batroc, der schon in „The Winter Soldier“ auftrat und vom MMA-Champ Georges St-Pierre („King of Killers“) gespielt wird. Auch die luftigen Einlagen, etwa wenn Sam sich in Folge eins und sechs mit Gegner in Helikoptern anlegt, sind nicht allzu überzogen und erinnern an klassische Luftkampfszenarien, in den ein Teilnehmer eben kein Kampfjet oder -hubschrauber, sondern ein technikunterstützter Superheld ist.
Natürlich fehlen auch einige alte Bekannte ebenso wenig wie neue Figuren, die für zukünftige MCU-Handlungsstränge wichtig sind oder sein könnten. Zu den Wiederkehrern gehören „Civil War“-Schurke Baron Helmut Zemo (Daniel Brühl), der wichtige Informationen über das Supersoldatenserum besitzt, die untergetauchte Sharon Carter (Emily VanCamp) und Black-Panther-Leibgarde-Mitglied Ayo (Florence Kasumba), die mit Zemo noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Strippenzieherin Valentina Allegra de Fontaine (Julia Louis-Dreyfus) hingegen ist ein Neuzugang, der allerdings mit Blick auf Zukünftiges installiert wird und dann auch in „Black Widow“ und „Black Panther: Wakanda Forever“ zu sehen war. Wie so viele Marvel-Produktionen balanciert auch „The Falcon and the Winter Soldier“ auf dem Grad zwischen den Querverbindungen für die Fans und dem Anspruch ein Publikum, das nicht jeden Marvel-Output schaut, nicht zu überfordern, was der Serie recht gut gelingt.
Manchmal kann man sich fragen, ob man den Inhalt der sechs Folgen, die alle zwischen 40 Minuten und einer knappen Stunde lang sind, nicht mit einigen Kürzungen auch in einen Kinofilm bekommen hätte, zumal die Abspänne der einzelnen Folgen recht lang sind. Jedoch wird der längere Rahmen dem erzählerischen Anspruch eher gerecht und vielleicht sogar hätten ein, zwei Folgen mehr und eine Vertiefung manchen Themas der Serie gut getan. Gerade der Plotstrang um Buckys Suche nach Vergebung hat im Mittelteil quasi Sendepause, weshalb seine Heilung gegen Ende etwas übereilt und nur halb überzeugend wirkt. Auch die Motivation mancher Figur, etwa des Powerbrokers, dessen Identität erst gegen Ende enthüllt wird, hätte mit mehr Screentime überzeugender gewirkt. Doch insgesamt steht Serienrahmen der Geschichte besser, da „The Falcon and the Winter Soldier“ eben eine Nummer weniger groß sein will als die Leinwandspektakel des MCU, womit das Ganze aber eben auch immer ein wenig wie die Kleiner-Bruder-Version der „Captain America“-Filme wirkt.
Vielleicht ist es auch kluger Schritt, um Anthony Mackie („Detroit“) und Sebastian Stan („Ghosted“) mitsamt ihrer Figuren in die erste Marvel-Reihe zu bringen. Mackie betont als scheidender Falcon und späterer neuer Cap die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Steve Rogers: Einerseits eingebunden in eine Community und nicht abgeschnitten von der modernen Welt und deren Entwicklungen, aber andrerseits auch mit einem strengen Wertekompass – sein Zögern bei der Übernahme des Schildes und seine ursprüngliche Entscheidung dagegen sprechen sogar eher für seine Eignung als Cap. Sebastian Stan kann den Wandel Buckys vom traumatisierten Ex-Schurken hin zum Helden mit dunkler Vergangenheit verkörpern und die seelischen Narben des Winter Soldier schauspielerisch vielleicht noch mehr herausbringen als das Script es tut. Wyatt Russell („Operation: Overlord“) schlägt sich achtbar als fehlerhafter Cap, während Daniel Brühl („The King’s Man: The Beginning“) als Schurke mit teilweise nachvollziehbaren Motiven, aber auch wenig Skrupeln ein kleines Highlight ist. Emily VanCamp („No Good Deed“) als toughe Ex-Agentin, Carl Lumbly („Der Untergang des Hauses Usher“) als enttäuschter Ex-Held und Julia Louis-Dreyfus („Ein Vater zuviel“) als süffisante Manipulatorin setzen in kleinen Rollen merkliche Akzente. Vor allem lobenswert ist aber die Leistung von Nachwuchsdarstellerin Erin Kellyman („The Green Knight“). Diese stellt die Entwicklung der wohlmeinenden Antagonistin gut dar; Karli sieht sich als Freiheitskämpferin und im Recht, ist der Ansicht, dass ihre Aktionen nur die Richtigen treffen und wird immer skrupelloser. Einerseits immer für die Ihren da und um deren Wohlergehen bemüht, andrerseits auch zum Töten bereit – die überzeugende Verkörperung dieser Facetten ist eine reife Leistung.
„The Falcon und the Winter Soldier“ wird nach der Cap-Werdung von Sam Wilson wohl ein Einzelstück von einer Staffel bleiben, der kleine Bruder der „Captain America“-Filme, wobei das „klein“ bei einem Budget von rund 25 Millionen Dollar pro Folge hier im Blockbusterrahmen gemeint ist. Doch die Serie gibt den gewohnten Mix aus eher handgemachter Action mit gut choreographierten Fights, Politthriller-Flair und dem Verschwimmen der Grenzen zwischen Gut und Böse ähnlich gut wieder wie die großen Film-Brüder. Einige realweltliche Themen werden durchaus gelungen thematisiert, mit kleineren Ausfällen wie Sams leicht pathetische Ansprache in der letzten Folge. Insgesamt aber recht rund und besser als Vieles, was Marvel nach „Endgame“ in die Kinos brachte.
„The Falcon and the Winter Soldier“ feierte seine Premiere im Streaming bei Disney+. Wie bei einigen anderen Marvel-Serien wurde eine physische Veröffentlichung durch Walt Disney/Leonine nachgeschoben, allerdings nur als UHD-Blu-Ray, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es ein Making Of, eine Featurette, Outtakes und zwei entfallene Szenen.
© Nils Bothmann (McClane)
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