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The First Purge

Originaltitel: The First Purge__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Gerard McMurray__Produktion: Michael Bay, Jason Blum, James DeMonaco u.a.__Darsteller: Y’lan Noel, Lex Scott Davis, Joivan Wade, Luna Lauren Velez, Marisa Tomei, Melonie Diaz, Mo McRae, Steve Harris, Patch Darragh, Chyna Layne u.a.
The First Purge

Das erneut von Michael Bay und Jason Blum produzierte Prequel “The First Purge”

Als anno 2013 der erste Teil von „The Purge“ erschien, war eine häufig geäußerte Kritik die Frage danach, ob und wie ein solches System so schnell in den kompletten USA implementiert werden könnte. Ob es nun die Beantwortung dieser Frage oder die Einsicht war, dass das Purge-Konzept langsam dabei war sich totzulaufen, welche die Produzenten Michael Bay („Ich bin Numer Vier“) und Jason Blum („Split“) bzw. ihre Filmschmieden Platinum Dunes und Blumhouse dazu bewegte den vierten Teil der Reihe als Prequel anzulegen, ist nicht gesichert.

Franchise-Erfinder James DeMonaco ist nicht mehr als Regisseur, aber immer noch als Produzent und Drehbuchautor an „The First Purge“ beteiligt. Jahreszahlen werden nicht mehr genannt, was der Kontinuität wegen vielleicht auch besser ist. Jedenfalls erzählt der Film in einer kurzen Nachrichten-Montage von ökonomischen Problemen in der nahen Zukunft, von gesellschaftlichen Umbrüchen und vom Aufstieg der neuen Partei der New Founding Fathers of America (NFFA), welche sowohl Demokraten als auch Republikaner von der Macht verdrängen. Viele Bilder der Montage sind authentisches Material, etwas verfremdet, was zeigt, dass das Purge-Konzept bei allem dystopischem Potential durchaus Nähe zu gesellschaftlichen Realitäten besitzt.

Neu ist die Einführung des Purge-Programms, das die NFFA nach Theorien der Wissenschaftlerin Dr. May Updale (Mariso Tomei) vorschlägt: Eine Nacht der Gesetzlosigkeit, in der für 12 Stunden alle Verbrechen legal sind. Die Haupthandlung setzt zwei Tage Beginn der ersten Purge ein, die als lokales Experiment im armen New Yorker Viertel Staten Island stattfinden soll. Forscher der NFFA befragen Einwohner, vor allem gewalttätige wie den Junkie Skeletor (Rotimi Paul), und verteilen Geldgeschenke an die Bevölkerung, sofern diese die Insel während des Experiments nicht verlässt und daran sogar aktiv teilnimmt. Dabei weist „The First Purge“ auf das Zielgerichtete bei der Einführung der Purge hin, die gleichzeitig als Medienspektakel aufgezogen wird: Hinter dem erfolgreichen Projekt, das man aus den vorigen Filmen kennt, steckt akribische Arbeit.

Die Hauptfiguren bereiten sich unterschiedlich auf die Purge-Nacht vor: Nya (Lex Scott Davis) leitet Protestgruppen an und will die Nacht im Schutz der Gemeinschaft verbringen. Ihr jüngerer Bruder Isaiah (Joivan Wade) will die Insel offiziell verlassen, inoffiziell allerdings Geld durch Teilnahme an der Purge in die knappe Familienkasse bringen. Und Nyas Ex-Freund, der zum Gangchef aufgestiegene Dmitri (Y’lan Noel), will eigentlich nur, dass die Gang die eigenen Pfunde während dieser Nacht beschützt, sonst aber stillhält. Doch während der Purge sind nicht alle ihrer Pläne umsetzbar…

httpv://www.youtube.com/watch?v=iIGutL51oDY

The First Purge

Noch protestierte Nya (Lex Scott Davis) gegen die Purge-Nacht, bald ist sie mitten drin

Gerard McMurray („Burning Sands“), der Regisseur von „The First Purge“, übernahm ein gut geöltes Franchise-Maschinchen, das immer noch die gewohnten Reize der „Purge“-Reihe bietet. Wie in „The Purge: Anarchy“ und „The Purge: Election Year“ müssen sich die Hauptfiguren immer wieder durch feindliches Terrain schlagen, was ja schon seit „The Warriors“ und „Die Klapperschlange“ für Spannungshighlights sorgt. Gerade die Tatsache, dass Nya und Isaiah keine große Erfahrung im Kampf haben, sorgt für Nervenkitzel, und durch ein paar Storykniffe treten auch wieder illustre Schurken auf – egal ob es Skeletor mit seinen markanten Narben im Gesicht ist oder maskierte Mörderbanden. Da der Film sich in der ersten Hälfte mit Weg zur Purge-Nacht beschäftigt, wird der Wahnsinn erst später von der Leine gelassen, liefert dabei aber wieder die gewohnten Schauwerte.

Die Tatsache, dass McMurray und DeMonaco die Science-Fiction-Komponente runterpegeln und sich mehr an der soziokulturellen Realität orientierten wollen, wirkt sich zwiespältig auf den Film aus. Einerseits ist „The First Purge“ der am explizitesten politische Film der Reihe, der sehr deutlich darauf verweist, dass die Purge-Nacht weniger zum Ausleben individueller Freiheit und mehr zum Ausmerzen der gesellschaftlich Ungewollten da ist. Kleine Spitzen in Sachen Trump-Ära erlaubt sich der Film ebenfalls, etwa wenn Nya einen Möchtegern-Vergewaltiger als Muschigrapscher bezeichnet oder es heißt, dass die NFFA eine alternative Realität (analog zu den alternativen Fakten) verkaufen wolle. Andrerseits buchstabiert „The First Purge“ damit nur das aus, was schon begrenzt subtil in den anderen Filmen mitschwang: Die politischen Hintergründe der Purge, das Fernsteuern durch eigene Söldnertruppen, die mediale Manipulation der Bevölkerung usw. Dem fügt „The First Purge“ wenig bis gar nichts Neues hinzu, sodass die guten Absichten eher wirkungslos verpuffen.

The First Purge

Dmitri (Y’lan Noel) sorgt für Action im „Die Hard“-Gedächtnisunterhemd

Dass Nya und Dmitri unterschiedliche Einstellungen zur Purge-Nacht verkörpern, ist dabei auch kein sonderlich kluger Schachzug, da DeMonacos Drehbuch ihnen dafür etwas gestelzte Dialoge in den Mund legt, die in der hölzernen deutschen Synchro, die sich diverse Stilblüten erlaubt, nur noch schlimmer werden. Auch die Tatsache, dass Dmitri erst als Drogenhändler gemieden und geächtet wird, als bewaffneter Helfer später aber nur nicht akzeptiert oder respektiert (wie z.B. die auf Heldenseite kämpfenden Schwerverbrecher in „Assault on Precinct 13“ oder „Pitch Black“), sondern gleich als großer Held des Viertels, wirkt etwas bizarr. Dass Nya und Dmitri abseits ihrer politischen Diskussionen bald alte Gefühle für einander entdecken, ist natürlich erzählerischer Standard und Ehrensache.

Natürlich gibt sich der Plot weiter bunten Klischees hin, die im Gegensatz zum versuchten Realismus stehen: Etwa der Chef-Purger im Kampfgebiet, dessen Faschoattitüde durch den typischen Seitenscheitel unterstrichen werden muss, das Bandenhauptquartier mit Zählmaschinen, dicken Geldbündeln und harten Typen, das Gangsta-Gehabe mit automatischen Wummen und Revierstreitigkeiten. Die „Purge“-Welt war schon immer klischeehaft und überzeichnet, doch bisher war sie das in den Filmen einheitlich, ohne Versuche einer geerdeten Sozialstudie.

Was nicht bedeutet, dass „The First Purge“ ohne Reize wäre. Die Ausstatter leisten mal wieder Großes, während das Drehbuch ihnen bei der Kreation kostümierter Purge-Partys und ähnlicher Scherze hilft. Die Geschehnisse im Hauptquartier der NFFA zeigen durchaus unterschiedliche Einstellungen verschiedener Leute im Hintergrund zur Purge, die teilweise überraschen und für einen fiesen Twist verantwortlich sind – auch wenn durch die vorigen Filme klar ist, dass das Experiment später als Erfolg gewertet werden wird. Und natürlich ist auch das leicht schwarzhumorige Konzept interessant, dass irgendwann ausgerechnet die Gangs als letzte ordnende Kraft im Viertel eingreifen müssen, wenn die Polizei sich raushält.

The First Purge

Dr. May Updale (Marisa Tomei) ist die Erfinderin der Purge und beobachtet die praktische Umsetzung ihrer Theorien

Dieses Eingreifen ist dann mit einem steigenden Actiongrad verbunden, der schließlich darin mündet, dass sich Dmitri, bekleidet mit einem „Die Hard“-Gedächtnisunterhemd, durch ein Hochhaus kämpfen muss. Auch da verabschiedet sich der realistische Ansatz zunehmend, wenn Dmitri in klassischem Einzelkämpfermodus ganze Purger-Horden umnietet. Oder auch in jener Szene, in der er und ein paar Gangmitglieder eine Horde von Purgern aufmischen, die in KKK-artige Roben gekleidet sind: Anstatt diese aus sicherer Entfernung abzuballern, wirft man lieber eine Rauchgranate, latscht mitten ins Getümmel und killt diese teilweise mit (zugegeben coolen) Nahkampf-Moves. Doch die Action ist kompetent in Szene gesetzt, meist angenehm übersichtlich und auch relativ hart, mit Genickbrüchen, Kopfschüssen und in Brand gesetzten Gegnern. Da unterscheidet sich „The First Purge“ kaum von den anderen Franchise-Beiträgen; nur, dass diese (vor allem „The Purge: Anarchy“) konsequenter zu ihren Genre-Anreizen standen.

Der einzige bekannte Namen in dem Ensemble ist die etwas unterforderte, aber immer noch souveräne Marisa Tomei („Parker Kane“) auf Forscherseite. Ansonsten setzt der Film weitgehend auf unbekannte Darsteller, was zumindest theoretisch den Vorteil hat, dass man nicht erahnen kann, wer überlebt und wer stirbt – dummerweise nutzt das Script dieses Potential nicht und bleibt arg vorhersehbar. Doch immerhin hat Y’lan Noel („House of Another“) Charisma als harter Macker, während Lex Scott Davis („Superfly“) als toughe Protestanführerin überzeugt. Joivan Wade („The Weekend Movie“) dagegen bleibt etwas blass, was nicht nur der Rolle als unsicheres, möchtegernhartes Würstchen geschuldet ist. Für kleine Akzente sorgen Mo McRae („Criminal Squad“) und „Dexter“-Chefin Luna Lauren Velez als bekannte Gesichter, während Rotimi Paul („Dutch Kills“) als Psycho ordentlich durchgeknallt auftritt, aber leider nicht genug Screentime bekommt bzw. nicht genug als Schurke aufgebaut wird.

„The First Purge“ bietet die üblichen Anreize eines „Purge“-Films: Survivalthrill mit gelungener Ausstattung, handfeste Action und einen mehr oder weniger dezenten Kommentar zum Sozialdarwinismus, den das Prequel deutlich stärker in den Vordergrund stellt als seine Vorgänger. Leider buchstabiert dieser Franchise-Beitrag nur das aus, was die anderen schon etwas verhaltener sagten, weshalb sich der etwas geerdetere, realistischere Ansatz etwas mit den grellen Purge-Exzessen beißt. Macht immer noch Laune, aber konsequentere Neuerungen hätten der „Purge“-Reihe wohl mehr auf die Sprünge geholfen.

Universal bringt „The First Purge“ am 5. Juli 2018 in die deutschen Kinos. Die FSK gab den Film erst ab 18 Jahren frei.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Universal__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 5.7.2018 in den deutschen Kinos

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Categorised in: Psychohorror, Reviews

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