„The Incident“, auch bekannt als „Asylum Blackout“, ist das Filmdebüt des Musikvideoregisseurs Alexandre Courtés und das erste verfilmte Script von S. Craig Zahler. In dem Horrorthriller fällt in einer Anstalt für geistesgestörte Verbrecher der Strom aus, woraufhin die Insassen rebellieren und das Personal ums Überleben kämpfen muss.
Originaltitel: The Incident__Herstellungsland: USA/Frankreich/Belgien__Erscheinungsjahr: 2011__Regie: Alexandre Courtés__Darsteller: Rupert Evans, Dave Legeno, Anna Skellern, Richard Brake, Kenny Doughty, Eric Godon, Joseph Kennedy, Darren Kent, Marcus Garvey, Sandro Mastronardi, Ian Lyons u.a. |
Als „The Incident“, das Filmdebüt des Musikvideoregisseurs Alexandre Courtés, anno 2011 erschien, fand er wenig Beachtung. Erst als sich Drehbuchautor S. Craig Zahler als Schreiber und Regisseur von „Bone Tomahawk“, „Brawl in Cell Block 99“ und „Dragged Across Concrete“ einen Namen machte, begann die Wiederentdeckung des Anstaltshorrorthrillers.
Angesiedelt ist „The Incident“, auch bekannt als „Asylum Blackout“, in den späten 1980ern – ein Jahrzehnt, das stilistisch durchaus ein Vorbild ist, aber auch noch nicht das lästige Problem hatte, dass aktuell verortete Drehbücher immer das Nichtfunktionieren von Handys herbeischreiben müssen. Hier schuften die Freunde George (Rupert Evans), Max (Kenny Doughty) und Ricky (Joseph Kennedy) tagsüber als Köche und an der Essensausgabe in einer Anstalt für geistesgestörte Verbrecher, abends gehen sie ihrem Rockstartraum im Aufnahmestudio und bei Gigs nach, wenn Ricky als Bruder Leichtfuß nicht gerade die Termine vergisst.
Während Oberaufseher J.B. (Dave Legeno) bei der Arbeit hart durchgreift, aber nicht auf die Feinheiten achtet, fällt George schon früh auf, dass der Insasse Harry (Richard Brake) sich nicht nur feindselig, sondern auch berechnend verhält und offensichtlich andere Insassen dazu animiert ihre Medikamente nicht zu nehmen. Es sind die Anzeichen der kommenden Katastrophe, während der Film gleichzeitig die wichtigsten Räume der Anstalt etabliert, darunter Speisesaal und Küche. Das hat auch praktische Gründe: Da Courtés lediglich 500.000 Dollar Budget zur Verfügung standen, muss er sich auf wenige Locations beschränken, auch innerhalb des kargen Anstaltskomplexes.
Als ein Stromausfall die Anstalt trifft, nutzen die Irren die Chance für einen Aufstand und schalten das Wachpersonal aus. Für George, Max, Ricky und einen weiteren Kollegen aus der Küche beginnt ein Kampf ums Überleben inmitten der gewalttätigen Verbrecher…
Schaut euch den Trailer zu „The Incident“ an
Ob es daran lag, dass „The Incident“ noch ein Frühwerk Zahlers ist (eine erste Fassung schrieb er bereits 1995) oder er sein Drehbuch nicht selbst umsetzte – jedenfalls ist das Ergebnis filmisch nicht auf der Höhe von Zahlers eigenen Regiearbeiten. Dabei kann man manches Trademark des Filmemachers schon erkennen, darunter die ausgiebige Exposition, die hier allerdings Teil eines reichlich kurzen Genrehappens von rund 85 Minuten ist, während Zahlers eigene Regiearbeiten deutlich ausladender daherkommen. Vor allem aber ist die Einführung hier eher ein Klotz am Bein, denn man mag den drei Freunden zwar ausgiebig folgen, aber lernt letzten Endes kaum etwas über sie. George ist der Aufmerksame und Einfühlsame, Max stets etwas passiv-aggressiv, Ricky der unzuverlässige Hallodri, der sich später im Überlebenskampf auch noch als Feigling entpuppt. Das ist reichlich dünn, zumal ganze Passagen in der Einführung, etwa die Szenen mit George und seiner Freundin Lynn (Anna Skellern) nirgendwohin führen. Andere Fragen, etwa ob das Verhalten von J.B. gegenüber den Insassen gesunde oder doch übertriebene Härte ist, werden bestenfalls gestreift und dann nicht weiterverfolgt. Sowieso, die Insassen. Da bekommt man zwar eine Auswahl von Gestalten präsentiert, die abgesehen von Harry keinerlei Persönlichkeit entwickeln, sondern nur auf Äußerlichkeiten als Riesenbaby, Kleinwüchsiger usw. reduziert werden. Und auch zu Harry, dessen Wahnsinn immerhin Methode zu haben scheint, erfährt man fast nichts.
Diese Fehler in der Vorbereitung merkt man dann in der zweiten Filmhälfte, wenn es zum titelgebenden Zwischenfall kommt. Die egalen Pappkameraden werden teilweise offscreen umgebracht, teilweise mit derben Effekten, wenn Nasen abgebissen oder Eisenstangen in Bäuche gerammt werden. Doch es lässt einen trotz der gelegentlichen Härten kalt, da man keinerlei Verbindungen zu den Figuren aufbaut, die über die Empathie mit ihrem Ausgeliefertsein hinausgehen – selbst dann, wenn Courtés leicht ins Sadistische geht, wenn eine arme Wurst vor den Augen eines Kumpels bei lebendigem Leib auf dem Gasherd gebrutzelt wird. Zum Abschluss gibt es dann noch einen Schlaubi-Schlumpf-Plottwist, der dummerweise a) gar nicht zum restlichen In-die-Fresse-Horror passen will, b) so gut wie gar nicht vorbereitet wird und c) letzten Endes auch keinerlei Bedeutung hat, was ihn nur umso ärgerlicher und gewollter erscheinen lässt.
Wenn die Figuren schon lasch geschrieben sind, dann kann natürlich eine charismatische Darstellung Abhilfe schaffen, aber damit ist es ebenfalls Essig bei „The Incident“. Kenny Doughty („Snowpiercer“), Joseph Kennedy („Brimstone“) und leider auch der klare Hauptdarsteller Rupert Evans („The Doorman“) spielen nicht nur unauffällige Durchschnittstypen, sondern dies leider auch mit Performances, die man bestenfalls als unauffällig und durchschnittlich bezeichnen kann. So kommen die einzig starken schauspielerischen Akzente von Dave Legeno („Last Knights“) und Richard Brake („Tremors 7“), die aber nur limitierte Screentime haben. Die meisten der Insassen, von Ausnahmen wie Dave Legeno („Blood Drive“) abgesehen, müssen eh nicht groß schauspielern, sondern werden von der Regie eher als anonyme zombie- oder monsterartige Bedrohung in Szene gesetzt – Courtés hat seinen John Carpenter studiert, vor allem „Assault on Precinct 13“.
In seinen besseren Momenten erinnert „The Incident“ dann auch die minimalistisch-effektiven Frühwerke Carpenters. Atmosphäre kann man dem Film nicht absprechen und auch das Gefühl der Bedrohung kann Courtés immer wieder erzeugen – sei es am Anfang, wenn die Revolte der Insassen in der Luft liegt, oder später, wenn die Überlebenden durch die Gänge schleichen und nicht wissen, ob die ausgebrochenen Gefangenen, die sie gerade treffen, einfach nur eine Coupon-Sammel-Psychose haben, der Anstalt entfliehen wollen oder gar einen Jieper auf Menschenfleisch besitzen. Gerade die Kameraarbeit von Laurent Tangy („Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“) unterstützt diesen Stimmungsaufbau, der mehr auf der handwerklichen denn auf der erzählerischen Ebene stattfindet.
So kann „The Incident“ dann zumindest phasenweise mit seinem Flair und seinen Carpenter-Vibes Punkte sammeln, bekommt aber insgesamt keinen Spannungsbogen hin, da die Figuren viel zu egal sind, die minimalistische Geschichte ohne große Finesse erzählt wird und sich vieles selbst bei einer 85-Minuten-Laufzeit nach Füllmaterial anfühlt. Da waren Zahlers spätere Genrestücke wesentlich effektiver, wenngleich dessen Filmkarriere aktuell auch auf Eis liegt. Viel bezeichnender ist dann vielleicht, dass „The Incident“ bis heute Courtés‘ einziger Spielfilm blieb.
In Deutschland hat Koch Media „The Incident“ auf Blu-Ray und DVD veröffentlicht, ungekürzt ab 18 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es ein Interview mit dem Regisseur, ein Q&A mit dem Regisseur, eine Featurette zur Weltpremiere und Trailer. 2023 erschien der Film auch als Mediabook bei Cinestrange Extreme, wobei die enthaltene Blu-Ray identisch mit der Disc von Koch Media zu sein scheint.
© Nils Bothmann (McClane)
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