Originaltitel: The Iron Claw__Herstellungsland: USA/Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Sean Durkin__Darsteller: Zac Efron, Holt McCallany, Jeremy Allen White, Harris Dickinson, Maura Tierney, Lily James, Stanley Simons, Scott Innes, Chavo Guerrero Jr., Kevin Anton u.a. |
Wrestling, das ist Männermelodrama inklusive Stuntshow mit sportlichem Aspekt, im Ring und bei den großen Ligen oft im Fernsehen, ein uramerikanisches Spektakel, dessen Protagonisten wie Dwayne ‘The Rock‘ Johnson, Roddy Piper oder John Cena oft Zweitkarrieren als Actionstars hatten. Filme über Wrestling gibt es seltener, oft aber mit großem Nachhall wie „The Wrestler“, „Fighting With My Family“ oder jüngst „The Iron Claw“.
Das Familiendrama von Sean Durkin („Martha Marcy May Marlene“) basiert auf der realen Familie Von Erich. Der Vater (Holt McCallany) ist in den 1950ern und 1960ern erfolgreicher Wrestler, heißt eigentlich Jack Adkisson, tritt aber als Fritz Von Erich auf, als Pseudodeutscher, als Quasischurke (ein „Heel“ im Wrestling-Sprachgebrauch), mit entsprechend sadistischem Finishing Move, der dem Film seinen Namen gibt. Schon in der Schwarz-Weiß-Auftaktsequenz wird das Wesen des Patriarchen eingeführt, wenn er einen Großteil seines Lohns ohne Rücksprache mit seiner Frau Doris (Maura Tierney) in ein schickes Auto investiert. Doch auch diese Aktion steht im Zeichen des Wrestling, wie er seiner Frau und seinen beiden ältesten Söhnen, damals noch kleine Kinder, erklärt: Mit einem schicken Auto macht er mehr Eindruck, kann also mehr Fans und mehr Aufmerksamkeit ziehen und somit in der Welt des Wrestling weiterkommen.
Danach springt „The Iron Claw“ in die 1970er. Der älteste Sohn ist noch im Kindesalter verstorben, es gibt vier weitere. Kevin (Zac Efron) und David (Harris Dickinson) sind beide Profiwrestler, Kerry (Jeremy Allen White) will als Diskuswerfer an den Olympischen Spielen teilnehmen, während Mike (Stanley Simons), der jüngste, eigentlich eher Interesse an Musik hat, doch vom Vater ebenfalls in Richtung Wrestling gedrängt wird. Von diesem Punkt an zeichnet der Film eine Entwicklung nach, die als Fluch der Von Erichs bekannt wurde…
Schaut euch den Trailer zu „The Iron Claw“ an
Der Fluch, das arbeitet „The Iron Claw“ schnell heraus, ist allerdings keine übernatürliche Fügung eines grausamen Schicksals, sondern dem krankhaften Ehrgeiz eines Vaters geschuldet, der seine Söhne siegen sehen will, gern im Wrestling. So klingt es wie Hohn, wenn Fritz immer wieder betont, dass er ja ein anderes, besseres Leben für seine Söhne wolle und sich im Wrestling halt nur gut auskenne. Denn seine Söhne führt er alle in das Business ein: Mike mit sanftem Druck, Kerry nachdem dessen Olympia-Träume am US-Boykott der Sommerspiele von 1980 zerschellen. Durkin nimmt sich kreative Freiheiten, indem er manchmal die Chronologie etwas verändert oder einzelne Personen aus der Geschichte fallen lässt, doch dies hilft bei der Fokussierung. So taucht der eigentlich jüngste Sohn Chris Von Erich gar nicht im Film auf, dessen Geschichte jedoch nur das bestätigen würde, was der Film an den anderen Brüdern durchexerziert: Vergleichsweise klein, von Asthma und einer Knochenkrankheit gezeichnet, versuchte auch er sich wie seine Brüder im Ring, wie erwartet ohne großen Erfolg, wurde depressiv und nahm sich angesichts geplatzter Träume und des tragischen Schicksals seines Bruders Mike selbst das Leben.
Auf beeindruckende Art zeigt „The Iron Claw“ wie das Regime des Patriarchen funktioniert. Fritz von Erich ist kein Gewalttäter, kein Wutmensch, aber methodisch in der Erziehung der Söhne und des Managements der Familie. Doris hält sich stoisch raus, gerade aus den Konflikten zwischen Vater und Söhnen, selbst wenn das bedeutet, dass sie mehrmals ein Trauerkleid anziehen muss. Die Söhne dagegen haben die Wünsche und den Willen des Vaters dagegen dermaßen internalisiert, dass sie nur im Kleinen widersprechen und seinen Traum vom Sieg des Titels NWA-Champ im Schwergewicht für den eigenen halten. Jeder buhlt doch um die Gunst des Vaters, der ganz offen die Rankings der Söhne in seinen Augen kommuniziert – mit dem Hinweis, dass diese sich jederzeit ändern können. Sie schwitzen, sie trainieren, sie kämpfen und sie leiden im und außerhalb des Rings, in erster Linie um den Vater zufrieden zu stellen, ohne Rücksicht auf Verluste oder die eigene Gesundheit. Genauso verinnerlicht haben sie sein Weltbild, nämlich dass die anderen, vor allem die Wrestling-Organisationen, es nicht gut mit ihnen meinen, weshalb sie sich nur auf die Familie verlassen dürfen und können.
Der Härte des Vaters, der das Leben und die Karriere seiner Söhne strategisch plant, stellt Durkin wiederum das Miteinander der Brüder entgegen. Dieses ist von Herzlichkeit, Wärme und Sorge füreinander gekennzeichnet. Auch inszenatorisch trennen Durkin und sein Kameramann Mátyás Erdély („The Quiet Ones“) diese Ebenen voneinander: In Anwesenheit von Fritz wirken die Bilder härter, scharfkantiger und düsterer, beim Zusammensein der Söhne weicher, farbenfroher und unbeschwerter. Visuell ist „The Iron Claw“ eh ein Triumph, wenn er den Look und das Feeling der jeweiligen Dekaden (vor allem der späten 1970er und der 1980er) auf die Leinwand bringt. Auch die Ausstattung leistet famose Arbeit, wenn die Wrestling-Arenen und TV-Shows jener Zeit glaubhaft und detailgetreu zum Leben erweckt werden, untermalt von einem tollen Soundtrack. Bei der Verbindung von Bild und Ton stechen zwei Sequenzen heraus: Eine größtenteils als Plansequenz gedreht Passage zu den Klängen von „Don’t Fear the Reaper“, wenn die Fans zu einem Event der Von Erichs strömen, sowie eine Trainings- und Kampfmontage zu „Tom Sawyer“ von Rush.
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Kevin mit seinen Brüdern David (Harris Dickinson), Mike (Stanley Simons) und Kerry (Jeremy Allen White)
Die Wrestlingszenen werden nicht im Übermaß eingesetzt, zählen aber zu den Highlights des Films. Für die Choreographie verantwortlich ist Chavo Guerrero jr., seines Zeichens selbst Wrestler (und als The Sheik selbst kurz im Film zu sehen), der die Signature Moves der Von-Erich-Brüder für den Film studierte: Kevins Vorliebe für Sprünge vom Ringpfosten, Kerrys Drehattacken und Davids eiserne Klaue, der das Kennzeichen seines Vaters zu einem Helden-Move umdeuten wollte. Alle Darsteller trainierten sich viel Muskelmasse an und übten Wrestling, sodass sie die betreffenden Szenen selbst absolvieren konnten. Diese warten dann auch mit einigen beeindruckenden Moves und Stunts auf, deren Schauwerte jedoch nie von dem menschlichen Drama ablenken.
Zac Efron („Baywatch“) ist in den meisten seiner Filme als gut durchtrainierter Kerl zu sehen, für „The Iron Claw“ verwandelte er sich mit hartem Trainingsprogramm in ein wahres Biest. Frisur und Make-Up lassen ihn älter erscheinen, von seinem sonstigen Sunnyboy-Charme ist wenig zu sehen. Stattdessen gibt er den Bruder, der einerseits die Familie zusammenhalten und als Anker für seine Brüder dienen will, andrerseits aber auch den väterlichen Anweisungen folgt und es als sein Recht ansieht als ältester Sohn im Ring die erste Chance auf den Titel zu haben. Nicht nur körperlich, sondern auch schauspielerisch eine herausragende Performance, die man Efron auf den ersten Blick vielleicht gar nicht zugetraut hätte. Stark ist Holt McCallany („Nightmare Alley“), sonst eher ewiger Nebendarsteller, als Gegenpol, als Patriarch, der vermeintlich das Beste für seine Söhne will, aber immer wieder das Schlimmste provoziert. Maura Tierney („Willkommen in Mooseport“) als Mutter, Jeremy Allen White („Twelve“), Harris Dickinson („The King’s Man: The Beginning“) und Stanley Simons („Superior“) als weitere Von-Erich-Brüder sowie Lily James („Baby Driver“) als Frau an Kevins Seite können in den wichtigsten Nebenrollen gut mithalten und das Bild einer Familie vermitteln, die sich einerseits liebt, andrerseits aber schwer dysfunktional ist.
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Fritz (Holt McCallany) und Doris (Maura Tierney) lieben ihre Söhne, sind aber auch für deren Schicksale verantwortlich
So ist „The Iron Claw“ auch immer mehr Familiendrama als Biopic, wählt daher auch den Vorspruch „Inspired by a True Story“ anstelle eines „Based on“. Mit Kenntnissen der realen Von-Erich-Familie wirkt manche Entwicklung vielleicht nicht mehr ganz so erschreckend oder überraschend, doch darum geht es dem Film auch nicht. Es geht um eine konsequente Abwärtsspirale, die ohne große Streits oder viel Rumgeschreie stattfindet – die Show bleibt im Ring, daheim ist Zurückhaltung angesagt. Vom Vater haben die Söhne gelernt keine Emotionen zu zeigen, doch auch er selbst unterdrückt alles, was nicht in sein Weltbild passt: Wenn Doris am Essenstisch stolz offeriert, dass Fritz ein talentierter Klavierspieler war und sie damit beeindruckte, dann scheint ihm dies regelrecht peinlich zu sein, wenn er schnell auf seine sportlichen Erfolge zurückkommt, für die er die Musik sein ließ.
So ist „The Iron Claw“ ein ruhiges, einnehmendes Drama, auch für Menschen, die mit Wrestling nichts am Hut haben. Eine tragische Familiengeschichte auf Basis wahrer Tatsachen, mit viel Herz für seine Figuren. Dass die gut zwei Stunden des Films fast zu wenig sind, um allen Figuren komplett gerecht zu werden, ist vielleicht ein kleiner Wehrmutstropfen in dem stilsicher geschriebenen und inszenierten Film, der auch einen Einblick in die Wrestlingkultur liefert, einige stark choreographierte Ringszenen hat und dessen durchweg überzeugendes Ensemble von einem grandiosen Zac Efron angeführt wird.
„The Iron Claw“ ist in Deutschland bei Leonine auf DVD und Blu-Ray erschienen, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es zwei Making Ofs und Trailer.
© Nils Bothmann (McClane)
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