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The Killer

Originaltitel: The Killer__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: John Woo__Darsteller: Nathalie Emmanuel, Sam Worthington, Omar Sy, Diana Silvers, Saïd Taghmaoui, Hugo Diego Garcia, Aurélia Agel, Grégory Montel, David Clark, Elie Haddad, Angeles Woo u.a.
Das Remake von The Killer von John Woo

John Woo drehte ein Remake zu seinem Klassiker „The Killer“.

Als verkündet wurde, dass John Woo höchstselbst seinen Klassiker „The Killer“ neu verfilmen wolle, stellte das Actionfandom die Ohren auf. Denn der Kracher mit Chow Yun-Fat und Danny Lee hat noch immer einen Ruf wie Donnerhall. Mehr noch: Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Heroic-Bloodshed-Genres.

Interessanterweise war es Woo höchstselbst, der früh verkündete, ihm schwebe kein sklavisches Remake vor. Das Ergebnis ist nun eine neue Interpretation des Stoffes, die sich weit vom Original entfernt. Das wird bereits anhand der ersten Bildern offensichtlich, spielt der Film doch nicht mehr in Hongkong, sondern in Frankreich.

Hier erhält die Killerin Zee einen neuen Auftrag. Sie soll in einer mondänen Lokalität eine Gruppe Kerle ausschalten und keinerlei Zeugen zurücklassen. Als Zee brutal unter ihren Opfern aufräumt, gerät die amerikanische Sängerin Jenn zwischen die Fronten. Sie stürzt, schlägt sich hart den Kopf an und erblindet. Zee bringt es nicht übers Herz, sie zu töten, obschon ihr Auftrag dahingehend eindeutig ist.

Entsprechend verweigert Auftraggeber Finn auch die Bezahlung der Auftragsmörderin. Zee soll Jenn um die Ecke bringen und das möglichst flott. Zumal nicht wirklich klar ist, ob Jenn Zee nicht doch identifizieren könnte. Doch Jenn bringt es nicht übers Herz, die schuldlos in ihr Verderben gestolperte Jenn umzubringen. Sie entführt Jenn aus einem Krankenhaus und bringt sie bei sich unter.

All das erfreut den Pariser Cop Sey wenig. Der ermittelt nämlich in dem Massaker, das Zee angerichtet hat. Hierbei bissen Diebe ins Gras, die einen arabischen Prinzen um mehrere Kilo Heroin erleichtert haben, das nun die Straßen von Paris fluten soll. Entsprechend ist Jenn für ihn eine wichtige Zeugin. Darum heftet sich Sey an Zees Spuren. Zees Auftraggeber tun dies ebenfalls. Und Zee wird bald klar, dass sie niemandem mehr trauen kann.

Schaut in den Film hinein

Nette Action von John Woo

Nach dem in meinen Augen missglückten Experiment „Silent Night“ erkennt man den Mozart der Zerstörung in „The Killer“ viel deutlicher wieder. Die Tauben fliegen, es wird beidhändig geballert, religiöse Motive durchziehen die Bilder, Actionszenen werden zu kleinen Tänzen, Standoffs werden zelebriert, Helden und Bösewichter fliegen und sliden ballernd durch die Gegend, kaum ein Goon verreckt nur an einer Kugel und immer wieder zelebrieren Zeitlupen die besten Szenen. Rein von den Stilmitteln her ist „The Killer“ ein echter John Woo.

Handlungstechnisch verursacht hier eine Killerin die Blindheit einer jungen Sängerin und der Showdown steigt in einer Kirche. Alles dazwischen hat in der Neuinterpretation nichts mit dem Original gemein. Das erkennt man schon an der grundlegenden Tonalität. Das Original war melancholisch, dramatisch und schwer. Die Neuauflage ist ein lockerer Actionthriller, der von seinem in meinen Ohren häufiger mal arg unpassenden Soundtrack gefühlt sogar in Richtung eines Gaunerstückes oder eines Heist Movies gedrängt wird. Nichts am neuen „The Killer“ ist schwermütig oder irgendwie dramatisch aufgeladen.

Auch die Figurenkonstellationen variiert Woo drastisch. Wo im Original zunächst der Cop den Killer jagt und dabei merkt, dass der Killer einen erstaunlich geerdeten Moralkompass hat und in Wirklichkeit gegen viel fiesere Sausäcke vorgeht, jagt der Cop in der Neuinterpretation erst einmal ganz andere fiese Gestalten. Erst nach und nach finden auch hier Cop und Killer zusammen, wobei die erblindete Musikerin als Zeugin des einen und Schutzbefohlene des anderen auch eine andere Rolle innehat, als im Original.

Drumherum steigt eine klassische Thrillerhandlung um verschwundene Drogen, korrupte Staatsbeamte, fiese Gangster und reiche Ölscheichs. Wirklich zwingende Elemente bekommen gleich drei Drehbuchautoren, darunter Brian Helgeland („Fletcher’s Visionen“), aber nicht lanciert. Der Krimiplot kommt nie so wirklich aus der Hüfte. Leider verfängt aber auch der Part um Killerin Zee und ihr „Opfer“ Jenn nicht wirklich. Regie und Drehbuch lassen sie kaum miteinander interagieren. Sie entwickeln keine spürbare Chemie.

Was allerdings auch teilweise aufs Konto der Darstellerinnen geht. Diana Silvers („Code Ava“) wirkt als Jenn nämlich extrem unbedarft und spielt nicht wirklich überzeugend. Und Nathalie Emmanuel („Fast X“) spielt ihre Killerin jetzt nicht wirklich schlecht, hat aber nicht ansatzweise genug Charisma und Ausstrahlung, um beispielsweise gegen Chow Yun-Fat zu bestehen. Der spielte im Original schon in einer ganz anderen Liga.

Trotzdem ist die Wahl von Frau Emmanuel freilich mutig für ihren Dirigenten. Immerhin unterstellt man John Woo seit Anbeginn seiner Regie-Karriere, dass er prinzipiell nicht viel mit Frauen in seinen Filmen anfangen könne. Letzten Endes setzt der neue „The Killer“ da keinen Schlusspunkt drunter, sondern bestätigt dieses Vorurteil eher.

Omar Sy („Ein MordsTeam“) gibt den Cop Sey überzeugend und wäre im Nachgang vermutlich die bessere Wahl für die killende Hauptfigur gewesen. Der Mime hat deutlich mehr Ausstrahlung als die Hauptdarstellerin und läuft ihr in gemeinsamen Szenen auch immer wieder den Rang ab. Sam Worthington („Avatar: The Way of Water“) macht als Auftraggeber von Zee einen soliden Job, leidet aber ein wenig unter der klischierten Anlage seiner Figur. Saïd Taghmaoui („John Wick: Kapitel 3“), Tcheky Karyo („Crying Freeman“) und Eric Cantona leisten in Nebenrollen ordentlichen Support. Woos Tochter Angeles Woo („Manhunt“) ist als Killerin dabei und hat den Film auch mit produziert.

Und damit zu dem, was einen John-Woo-Film für seine Fans am meisten ausmacht: Die Action. Wie bereits erwähnt, finden sich in den Actionszenen mehrere Trademarks des Regisseurs wieder. Sobald es in „The Killer“ hektischer wird, scheint die Handschrift seines Regisseurs überdeutlich und spürbar durch. Zum Glück! Drei Mal macht Woo in „The Killer“ Action.

Direkt zu Beginn lässt er Zee mit einem Samuraischwert auf ihre Opfer los. Die Szene wird schon sehr tänzerisch eingefädelt und präsentiert immer wieder wie einen Tanz choreographierte Einzelszenen. Bullet Time, edle Zeitlupen und eine gewisse Härte machen Laune. Dass sämtliches Blut aus dem Rechner kommt, kotzt den Fan einfach nur an. Was soll das? Vor allem, wenn ein Name an dem Film prangt, der wie kaum ein anderer für platzende Bloodpacks steht?

Die zweite Actionszene gerät wie eine kleine Reminiszenz an „Hard Boiled“, wenn hier nach einer halsbrecherischen Motorradfahrt mit fettem Blechschaden in Ultra-Slowmotion relativ gnadenlos in einem Krankenhaus herum geballert wird und Pfleger wie Bösewichter an Bleivergiftung verenden. Hier darf Nathalie Emmanuel dann erstmals im Chow Yun-Fat Style auf dem Boden herumrutschen und ihre Knarre abfeuern. UND John Woo beginnt allmählich in Richtung Bloodpacks umzuschwenken!

Die dritte Actionszene ist dann der Showdown. Hier setzt es zunächst Action auf einem Friedhof, der an „Harte Ziele“ erinnert, mit explodierenden Motorrädern und geilen Stunts wie in „Hard Boiled“ oder eben dem soeben genannten Menschenjagdknaller. Es werden zudem Menschlein durchsiebt, denen das Kunstblut dann nur so aus den Klamotten schießt! Yeah!

Danach verlagert sich das Geballer in eine Kirche und hier liefert Woo noch mehr von dem geilen Scheiß. Bloodpacks platzen, Tauben kreuzen die Schusslinien, Treffereffekte im Mauerwerk füllen die Luft mit Partikeln und entfesseln Chaos wie zu besten Woo-Hochzeiten. Jeder Charakter fängt sich zahlreiche Kugeln, die Musik von Marco Beltrami passt endlich mal zu den Bildern und das Herz des Fans… es lacht. Okay, es möchte sich leicht übergeben, wenn Zee auf einmal ein paar Turn-/Wrestlingmoves auspackt, die null zum Rest der Action passen, aber zumindest werden die Oberlumpen dann trotzdem trocken und ehrlich umgenietet.

Es sei allerdings festgehalten, dass keine der Actionszenen einem echten Woo-Showdown der Marke „A Better Tomorrow“ oder „The Killer“ auch nur nahe kommt. Dazu sind die Laufzeiten der Szenen nicht episch genug, das Geballer nicht gnadenlos genug und wirkt die Action, die unter der Federführung von Gregg Smrz („Mission Impossible: Rogue Nation“) entstanden ist, immer ein wenig zu clean und glatt. Auch „The Killer“ ist wie „Silent Night“ eher John Wick als John Woo, was die Optik angeht.

Technisch fällt auf, dass John Woo aus seinem Schauplatz Paris erstaunlich wenig herausholt. Ohne ein paar Establishing Shots von der Stadt der Liebe hätte man hier auch behaupten könne, der Film spiele in irgendeiner anderen französischen Stadt oder einem anderen französischsprachigen Land. Davon abgesehen wurde der Film von Kameramann Mauro Fiore mit schönen Bildern versehen. Und „The Killer“ setzt wie kaum ein anderer Film der letzten Jahre mal wieder stark auf das Stilmittel der Splitscreens. Selbige geraten zudem enorm dynamisch und dürfen sich in ihrer Größe verändern oder über den Screen wandern.

Vielleicht hätte „The Killer“ ein anderer Titel geholfen?

Es ist schon erstaunlich, dass John Woo höchstselbst in seinem neuen „The Killer“ kein Remake seines weltweit gefeierten Kultfilmes sieht, ihn aufgrund der Titelgebung aber trotzdem dem Vergleich mit selbigem aussetzt. Und da macht die Neuinterpretation kaum einen Stich. Sie mag mehr an heutige Sehgewohnheiten angepasst sein, aber in Sachen Wirkung, Atmosphäre, Schauspiel und Action-Furor kann der neue „The Killer“ dem Original niemals das Wasser reichen. Zu egal ist obendrein die Story und zu wenig involvierend gerät das Figurengeflecht.

Allerdings gebe ich gerne zu, dass der Film als moderner Actionthriller mit teils angenehm knalligen Actionmomenten durchaus okay ist. Das überspielt beileibe nicht die belanglose Story und die Probleme in der Figurenzeichnung. Zudem ist der Film mit seinen knapp 120 Minuten auch viel zu lang. Trotzdem ginge das Ergebnis ohne den Bezug zum originalen „The Killer“ durchaus in Ordnung. Entsprechend wäre es meiner Meinung nach besser gewesen, den handlungstechnisch ohnehin stark autarken Film durch einen anderen Titel komplett unabhängig von dem Actionklassiker zu machen. Das Ergebnis wäre zumindest für Actionfans nach „Silent Night“ ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. So bleibt ein Actionfilm, der neben dem Original nicht zu bestehen vermag. Ich vergebe gnädige:

05 von 10

Der Film feierte seine Premiere in Deutschland via Sky. Inzwischen kann man den Film auch bei anderen VoD-Portalen erstehen. Produziert wurde er von Universal, die offenbar noch ein wenig Geld mit dem Film verdienen wollen. Entsprechend wurde für England eine physische Veröffentlichung für den 14. April 2025 angekündigt. Vielleicht zieht man da in Deutschland ja nach.

In diesem Sinne:
freeman

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