Das Actiongenre ist fokussiert auf Helden auf- und abseits der Leinwand, wie man an Internet-Seiten wie dieser hier unschwer erkennen kann. Nick de Semlyen, langjähriger Redakteur bei der britischen Filmzeitschrift Empire, nutzt diesen Ansatz, um in seinem zweiten Buch „The Lact Action Heroes“ eine Art Geschichte des Actiongenres mit Blick auf acht wichtige Protagonisten zu schreiben (Ähnliches hatte de Semlyen in seinem Erstling „Wild and Crazy Guys“ mit den Comedystars der 1980er veranstaltet).
Bei den titelgebenden Actionhelden handelt es sich Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis, Jean-Claude van Damme, Steven Seagal, Dolph Lundgren, Jackie Chan und Chuck Norris. Mit Ausnahme von Stallone konnte de Semlyen sie alle schon mal für die Empire interviewen, außerdem führte er zahlreiche Gespräche (für Empire-Artikel oder speziell für das Buch) mit Weggefährten wie Regisseur Paul Verhoeven, Drehbuchautor Shane Black oder dem Martial-Arts-Meister Bob Wall, der zu den Kumpels von Bruce Lee und Chuck Norris zählte.
In diesem Fall zeichnet er also die Karrierewege seiner acht Protagonisten von ihren Anfängen bis Mitte der 1990er nach, als der klassische Actionfilm weniger populär wurde und von effektlastigeren Werken wie „Batman“ oder „Jurassic Park“ überflügelt wurde. Der Flop von „Last Action Hero“, dessen Produktionsgeschichte de Semlyen auch schon in einem Empire-Artikel rekapitulierte, scheint für den Autor eine Art Zäsur darzustellen, denn damit befasst das letzte Buchkapitel.
Bei seiner Unterteilung wählt de Semlyen ein erfrischendes Format: Anstatt jeden Actionhelden für sich abzuhandeln, setzte er bestimmte zeitliche Schlaglichter, die er meist anhand von zwei oder drei Darstellern abhandelt. Etwa den Wettbewerb und die damals nicht nur spielerische Feindschaft zwischen Arnie und Sly in den 1980ern oder den Aufstieg der Martial-Arts-Profis Jackie Chan und Chuck Norris zu Actionheroen mit ersten Rollen bei Bruce Lee. Andere Kapitel drehen sich Einzel-Events, etwa um Bruce Willis‘ Wandel vom TV-Komiker zum Actionstar in „Stirb langsam“ (Kapitelname: „Welcome to the party, pal“) oder Steven Seagals Sprung von Null zum Major-Studio-Star bei Warner (Kapitelname: „The Great One“).
Vor allem die Beziehungen der Protagonisten untereinander spielen dabei eine große Rolle: Von dem Planet-Hollywood-Trio aus Schwarzenegger, Stallone und Willis über Seagals Feindschaft mit quasi jedem Actionstar (vor allem van Damme) bis hin zu Stallones Lobby-Arbeit für Jackie Chan in Hollywood (die Hongkong-Ikone hielt es erst für einen Scherz, als er von Sly zur „Cliffhanger“-Premiere in Los Angeles eingeladen wurde) werden alle möglichen Querverbindungen aufgezeigt.
So zeichnet de Semlyen ein sehr lebendiges Bild einer Epoche, als die Stars mit den großen Muskeln, dicken Wummen und flotten Sprüchen das Box Office regierten. Ergänzt wird das eigentliche Buch um Quellenangaben und ein paar Fun-Anhänge. Darunter sind kurze Vorstellungen von acht Actionstars der neuen Generation (Zoe Saldana, Iko Uwais, Dwayne ‘The Rock‘ Johnson, Jason Statham, Keanu Reeves, Tom Cruise, Milla Jovovich, Charlie Theron), ein kleiner Abriss des gescheiterten Verhoeven/Arnie-Projekts „Crusade“ und eine Auflistung der 20 besten Post-Kill-Oneliner aus Actionfilmen.
Verständlicherweise kommt nicht jedes Werk der Stars gleichberechtigt (oder überhaupt) vor, sondern in erster Linie Schlüsselfilme in den einzelnen Karrieren – Erfolge sowie Flops. So kommen beispielsweise Stallones Comedy-Flop „Stop! Oder meine Mami schießt“ und des desaströse „Streetfighter“-Dreh ebenso zur Sprache wie Seagals Eitelkeit bei der Umsetzung seines Regiedebüts „Auf brennendem Eis“. Einige bekannte Vorfälle werden hier nochmal im Detail beleuchtet – etwa wie genau jene „Saturday Night Live“-Planung und -Aufzeichnung mit Seagal als Host ablief, nach welcher der Star mit einem lebenslangen SNL-Bann belegt wurde.
Hinzu kommen zahlreiche Anekdoten, die zumindest dem Autor dieser Zeilen trotz langjähriger Action(star)kenntnis noch nie unterkamen. So berichtet Renny Harlin beispielsweise, dass Bruce Willis es sich beim Dreh von „Stirb langsam 2“ in den Kopf gesetzt hatte, dass McClane jetzt ernst angelegt sein sollte und keine Sprüche mehr reißen. Also gab es einen Deal: Willis durfte jeden Take so oft er wollte ernst drehen, musste aber danach einen Take in der gewohnten McClane-Persona abliefern – fast alle davon landeten dann auch im fertigen Film. Viele von den Drehberichten sind ausgesprochen amüsant und zeigen, dass es auch hinter den Kulissen von Klassikern bisweilen turbulent herging.
Man kann „The Last Action Heroes“ seinen anekdotischen Charakter vielleicht vorwerfen, denn die ganz großen Neuerkenntnisse liefert das Buch nicht. Dass Arnie stets der larger-than-life-Star war, der seinen Regisseuren aber vertraute, dass Kontrollfreak Sly lieber Auftragsarbeiter auf den Regiestuhl ließ (und damit oft schlechter fuhr), dass Seagal seine mythische Persona mit zweifelhaften bis erlogenen Storys erschuf, dass Willis als Jedermann-Actionheld eine Abwechslung zu den überdimensionierten Muskelmann-Heroes darstellte – das dürfte den meisten Kennern des Genres bekannt sein. Aber viele neue Anekdoten liefert das bisher nur auf Englisch erhältliche Buch, das zudem in einem wahnsinnig unterhaltsamen Stil geschrieben ist und von echter Liebe für das Genre geprägt ist. Eine klare Empfehlung für alle Actionfreunde.
Details zu „The Last Action Heroes“
The Last Action Heroes. The Triumphs, Flops, and Feuds of Hollywood’s Kings of Carnage
Nick de Semlyen
Taschenbuch: 352 Seiten
Verlag: Picador
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-1529058529