Originaltitel: Nordsjøen__Herstellungsland: Norwegen__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: John Andreas Andersen__Darsteller: Kristine Kujath Thorp, Henrik Bjelland, Rolf Kristian Larsen, Anders Baasmo Christiansen, Bjørn Floberg, Anneke von der Lippe, Christoffer Staib, Ane Skumsvoll u.a. |
Mit „The Wave“ und „The Quake“ haben die Skandinavier bewiesen, dass sie neben eiskalten Thrillern auch spektakuläre Desaster-Action auf dem Kasten haben und sich in Sachen fetter Bilder und spannender Katastrophenfilmstorys keineswegs vor den Genre-Primi aus amerikanischen Landen verstecken müssen. Der wie „The Quake“ und „The Wave“ aus Norwegen stammende „The North Sea“ lässt es nun ebenfalls in den Heimkinos amtlich krachen.
Der Katastrophenfilm erzählt von der U-Boot-Ingenieurin Sofia. Diese experimentiert gerade mit einem Roboter, der unterseeisch Leben retten soll, als sie mit ihrem Kollegen Arthur zu einer Unglücksstelle gerufen wird. Erst vor Ort erfährt sie, dass der Boden unter einer Bohrinsel nachgegeben habe, woraufhin die Nordsee das gewaltige Konstrukt mit Mann und Maus verschluckt habe. Mit ihrem Roboter soll Sofia nun nach Überlebenden suchen.
Tatsächlich findet Sofia alsbald einen Überlebenden. Doch urplötzlich kommt es zu einer gewaltigen Explosion, die die verbliebenen Reste der Ölbohrplattform pulverisiert und auch Sofia ordentlich durchrüttelt. Während die sich noch von dem Einsatz erholt, sichtet Arthur das von dem Roboter aufgezeichnete Videomaterial und macht eine enorm besorgniserregende Entdeckung.
Schaut in den Katastrophenfilm aus Norwegen hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=k83af8Cf8Z0
Im Gegensatz zu den Genre-Klischees ähnlich gelagerter Katastrophenfilme rennen Sofia und Arthur nun nicht permanent gegen verschlossene Türen oder werden von irgendwelchen Betonköpfen abgewiesen. Zwar verhalten sich die Verantwortlichen sehr verschwörerisch, ABER sie hören sofort auf die Experten und leiten notwendige Maßnahmen ein. Jetzt wird „The North Sea“ richtig groß. Zig Bohrinseln werden geschlossen und die Arbeiter evakuiert.
Als es dann zum ersten richtig groß angelegten Spektakel kommt, gerät eine Person aus Sofias direktem Umfeld in höchste Not und Sofia muss zu einer verzweifelten Rettungsmission aufbrechen. Derweil treffen die norwegischen Behörden erstaunlich konsequente Entscheidungen, die man so aus anderen Katastrophenfilmen auch eher seltener gewohnt ist.
Geschickt wird nun an verschiedenen Schauplätzen an der Spannungsschraube gedreht und intelligent zwischen den – ich nenne es mal – persönlichen Dramen Sofias und den allumfassenden, den gesamten Nordseeraum betreffenden Problemlagen hin und her geschaltet. Das sorgt für ein anhaltend hohes Tempo, zwischengeschaltete Spektakelbilder sorgen für zusätzliche Abwechslung und man verzeichnet sowohl kaum Leerlauf als auch kaum pathetisch sinnlose Dialoge.
Natürlich purzeln da auch mal einige bekannte Klischees. Den unvermeidlichen Heldentod gibt es natürlich ebenso wie traurige Kinderaugen und zaudernde Regierungsvertreter. Dafür bleibt man von manch anderem Klischee verschont. Beispielsweise gefällt sehr, dass „The North Sea“ nicht irgendeinen Charakter als Bösewicht aufbaut oder ihm den Schwarzen Peter zuschiebt. Hier ziehen tatsächlich mal alle an einem Strang. Leider ist allen Figuren gemein, dass man über sie nicht wirklich viel erfährt. Hier ist der Film ab und an zu ökonomisch inszeniert.
Zu dem insgesamt dennoch starken Auftritt in Sachen Handlung und Dramaturgie gesellt sich eine effektive Bebilderung der Katastrophenszenarios. Wird man direkt zu Beginn noch clever um seine Bilder einer sinkenden Bohrinsel „betrogen“, weil das Drehbuch den Zuschauer ebenso unvermittelt in die Handlung stürzt wie seine Heldin, bekommen wir im weiteren Verlauf sinkende, explodierende und von Flammenwänden aufgefressene Bohrinseln aufs Auge gebrannt.
Mal full frontal, mal kleiner skaliert auf Bildschirmen in der unvermeidlichen Kommandozentrale, in der alle bangen Blickes vor sich hinstarren. Die Effekte sind dabei immer großartig. Vor allem die infernalischen Flammenszenen wirken nach. Doch auch die kleineren Momente sitzen auf den Punkt.
Inszenatorisch punktet „The North Sea“ vor allem mit seinen zahlreichen, relativ unverbrauchten Settings. Man bekommt hier tatsächlich mal ein Gefühl für die Weitläufigkeit und unfassbare Größe der Bohrinsel-Ungetüme. Auch die perfekt eingefangenen Unterwasseraufnahmen von gesunkenen Bohrinseln hat man so noch nicht gesehen. Optisch herrscht eine nordisch leicht unterkühlte Farbpalette an immer hochwertigen Bildern vor.
Und auch soundtechnisch wird hier einiges geboten. Wenn die Bohrinseln sinken, hämmern irre Bässe durch das Wohnzimmer. Und auch häufiger gereichte, erhabene Helikopterflüge über der Wasseroberfläche wummern fantastisch. Ebenfalls sehr gelungen: Der wuchtige Score von Johannes Ringen und Johan Söderqvist.
Ein weiterer Pluspunkt von „The North Sea“ ist seine starke Besetzung. Vor allem Kristine Kujath Thorp ist als Sofia einfach eine Wucht. Sie spielt so sympathisch auf, dass man gar nicht anders kann, als ihr alle Daumen zu drücken. Dabei überzeugt sie als Wissenschaftlerin ebenso wie als taff zupackende Retterin. So gut wie immer an ihrer Seite ist ein ebenfalls extrem sympathischer Rolf Kristian Larsen als Arthur zu sehen.
Die beiden haben so eine saustarke Chemie miteinander, dass der eigentlich als Partner für Sofia vorgesehene Henrik Bjelland immer wieder unter die Räder kommt. Absolut Klasse ist Bjørn Floberg als William Lie, eine Art Superinstanz der norwegischen Ölförderungsindustrie. Der Mann hat ein irres, immer wieder an Robert Redford gemahnendes Charisma, das er hier voll in die Waagschale wirft. Auch der Rest der Darsteller agiert durchwegs stark, eine kleine Ausnahme bildet der junge Nils Elias Olsen, der in seiner Kinderrolle ein wenig zu unbedarft spielt.
„The North Sea“ bietet feinstes Katastrophenkino
Regisseur John Andreas Andersen legt nach dem ebenfalls von ihm inszenierten „The Quake“ noch einmal einige Schippen drauf. Zwar ist das gebotene Szenario dank „Deepwater Horizon“ nicht mehr neu, aber Andersen weitet es deutlich aus, denkt viel größer und lässt in seinem übergroßen Finale wahrlich nicht nur eine Bohrinsel, sondern gleich die ganze Nordsee lichterloh brennen.
Dabei versucht er, nicht alle Katastrophenfilmklischees sklavisch abzuhaken. Für so manch umschifftes Klischee ist man infolgedessen auch tatsächlich dankbar, ganz ohne geht es aber auch nicht. Doch Andersen bedient die verwendeten Klischees sauber und gekonnt und inszeniert straff, temporeich und mit viel Sinn für spannende Momente. „The North Sea“ ist darüber hinaus technisch absolut sauber in Szene gesetzt, punktet mit fetten Spektakelbildern und hat dank wirklich toller Darsteller und sympathischer Figuren auch eine nicht zu verleugnende Seele. Stark.
Die deutsche DVD, Blu-ray und UHD zum Film erscheint am 24. März 2022 von Koch Media und ist mit einer Freigabe ab 12 ungeschnitten. Auf den bekannten VoD-Plattformen ist der Film seit dem 10. März 2022 streambar.
In diesem Sinne:
freeman
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Koch Media__Freigabe: FSK 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |