Für das Reboot „The Suicide Squad“ heuerten Warner und DC „Guardians of the Galaxy“-Mastermind James Gunn an und ließen ihm wesentlich freiere Hand als David Ayer beim ersten Versuch 2016. In dieser schwarzen und reichlich blutigen Superhelden-Actionkomödie muss die durchgeknallte Truppe eine Geheimwaffe zerstören, die in die Hände von Revoluzzern auf der Insel Corto Maltese gefallen ist.
Originaltitel: The Suicide Squad__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: James Gunn__Produktion: Zack Snyder u.a.__Darsteller: Margot Robbie, Idris Elba, John Cena, Joel Kinnaman, Daniela Melchior, David Dastmalchian, Viola Davis, Jai Courtney, Peter Capaldi, Taika Waititi, Nathan Fillion, Alice Braga, Michael Rooker, Pete Davidson, Sean Gunn, Steve Agee u.a.__Sprecher: Sylvester Stallone u.a. |
Mit „Suicide Squad“ landeten Warner und DC 2016 zwar einen Kassenhit, doch der offensichtlich auf den Spuren von „Guardians of the Galaxy“ und „Deadpool“ wandelnde Film, den eine Firma für Trailer zu Ende schnitt und der auch genau danach aussah, war bei der Kritik verhasst und bei den Fans umstritten. Da die Figuren jedoch beliebt waren, Harley Quinn sogar das Spin-Off „Birds of Prey“ spendiert wurde, versuchte man es mit dem Reboot „The Suicide Squad“, für dessen Regie und Drehbuch man direkt „Guardians of the Galaxy“-Mastermind James Gunn anheuerte.
Der hält sich auch gar nicht groß mit einer Exposition auf. Amanda Waller (Viola Davis) schickt immer noch Strafgefangene im Gegenzug für Hafterleichterungen auf Selbstmordmissionen, Aus-der-Reihe-Tanzen wird durch fernsteuerbare Sprengvorrichtungen im Nacken verhindert. Die aktuelle Mission vereint die aus dem Vorgänger bekannten Harley Quinn (Margot Robbie), Rick Flag (Joel Kinnaman) und Captain Boomerang (Jai Courtney) mit diversen Neuzugängen, darunter auch die Gunn-Regulars: Sean Gunn („Das Belko Experiment“) als Weasel, Nathan Fillion („Castle“) als T.D.K. und Michael Rooker („Love and Monsters“) als Savant. Doch die erste Überraschung ist die, dass die Mission nicht Plan läuft, diverse Mitglieder der Truppe in einem schwarzhumorigen Gemetzel umkommen, darunter auch Teile der alten Belegschaft, womit von Anfang an klar ist, dass Gunn sich hier herzlich wenig um Regeln oder Marketinggedanken kümmert oder kümmern muss, im Gegensatz zu David Ayer, der mit dem Stoff beim 2016er Durchgang weitaus weniger gut klarkam.
Parallel dazu landet ein zweites Team der Suicide Squad am Zielort, der Insel Corto Maltese. Anführer ist der ehemalige Elitesoldat und Profikiller Bloodsport (Idris Elba), außerdem dabei: Peacemaker (John Cena), ebenfalls ein Ex-Elitesoldat, Polka-Dot Man (David Dastmalchian), der tödliches Konfetti verschießt, Ratcatcher 2 (Daniela Melchior), welche Ratten kontrollieren kann, und die bärenstarke Mensch-Hai-Kreuzung King Shark, im Original gesprochen von Sylvester Stallone. Die Mission ist simpel und erinnert an Söldnerfilme wie „The Expendables“ und dessen Vorbilder: Auf Corto Maltese haben fiese Revoluzzer die Macht übernommen und sind nun auch im Besitz einer Superwaffe, die es zu vernichten gilt, ehe das Teil gegen die USA verwendet wird.
Als klar ist, dass Teile der ersten Suicide Squad das Massaker überlebt haben, soll das Quintett diese einsammeln und dann mit der Mission fortfahren. Dabei steht ihnen allerdings auch noch die eine oder andere Überraschung bevor…
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„The Suicide Squad“ ist um Welten besser als sein Vorgänger ohne den Artikelzusatz, was vielleicht auch daran liegen mag, dass er die Vision eines Filmmachers ist und nicht jene eines Warner-Komitees. Das fängt schon beim Soundtrack an, der neben bekannten Songs wie „Folsom Prison Blues“ von Johnny Cash vor allem unbekanntere Titel enthält, merklich von jemandem ausgesucht wurde, der Musik auch wirklich hört, und nicht bloß eine Zusammenstellung von Evergreens ist, welche die Marketing-Abteilung ohne Sinn und Verstand ausgesucht hat. Dementsprechend mehr Wirkung hat die Musik dann auch, konterkariert manche Szenen amüsant, setzt in anderen dafür treffsicher die Stimmung.
Da man Gunn für diesen Film ein R-Rating gewährte, kann der Mann sich auf eine Art austoben, denen man seine Wurzeln bei Troma anmerkt, wenn Leute in Fetzen gerissen, von King Shark aufgefuttert oder von Kugeln regelrecht durchlöchert werden. Auch sonst übt „The Suicide Squad“ keine Zurückhaltung, wenn beispielsweise ein Knastbesuch von Bloodsports Tochter in einen lauten Streit mit konstantem „Fuck“-Gefluche ausartet, oder der bösartige schwarze Humor auch vor zermatschten Vögelchen, dahingemetzelten Zivilisten oder abgeklärten Wetten in der Kommandozentrale darauf, wer von der Suicide Squad wohl den Löffel abgeben wird, nicht haltmacht. Vor allem wirken die Gags aber nicht so aufgesetzt oder für den Trailer produziert wie im Erstling, sondern werden mit Timing und Sinn für absurde Wendungen gebracht. Den einen oder anderen Rohrkrepierer gibt es aber: Der Gag mit dem Rebellenlager kommt nicht nur mit Ansage, sondern wirkt in seiner Länge und Ausgewalztheit auch etwas niederträchtig. Zum Glück haut Gunn jedoch nur selten daneben, weshalb man ihm auch diesen Schnitzer schnell verzeiht.
Vor allem zeigt Gunn jedoch auch jene Sensibilitäten, die schon „Guardians of the Galaxy“ und dessen Sequel auszeichneten: Er denkt sich in seinen Außenseiterfiguren hinein, gibt zumindest jenen, welche die Anfangsphase des Films überleben, ein eigenes Profil, eine Hintergrundgeschichte und kleine emotionale Momente, die auch einfach darin bestehen können, dass King Shark seltsame Fische in einem Aquarium betrachtet. Herzstück ist dabei jene Quasi-Vater-Tochter-Story zwischen der ständig müden jungen Frau Ratcatcher 2 und dem hartgesottenen Rattenphobiker Bloodsport, die sich langsam, aber herzig entwickelt. „The Suicide Squad“ balanciert seine Figuren gut aus, widersteht der Versuchung der gut vermarktbaren Harley Quinn zu viel Raum zu geben, spendiert der durchgeknallten Ex-Psychiaterin aber dennoch mehrere herrliche Eskapaden – die beste davon kurz nach ihrer Gefangennahme. Nicht nur das Gleichgewicht der Figuren stimmt, auch den Wechsel von introspektiven Momenten, krasser Gewalt, albernem Humor und unerwarteten Stiländerungen bekommt Gunn auf eine Weise hin, die den Film immer noch aus einem Guss wirken lässt – schon allein deshalb, weil „The Suicide Squad“ seine eigene Unsinnigkeit voll und ganz umarmt.
So steht die Action dann auch oft eher im Dienste der Komik, etwa wenn Harley bei einem Gefängnisausbruch Zeichentrickblumen und -tiere durch die Gegend fliegen und tollen sieht, während die Wachleute gleich dutzendfach zersiebt werden. Dadurch fehlt mancher Schlägerei und Schießerei ein wenig der Nachdruck, da sie eher als brutale Slapstickszenen angelegt sind. Zudem ist der Showdown etwas überlang, wenn es nach der Erstürmung eines alten Nazi-Labors, diversen Kämpfen in dem Gebäude und auf dem zusammenfallenden Koloss noch einen Boss-Fight gegen ein Übermonster im Kaiju-Format gibt. Dies ist allerdings so durchgeknallt und schräg designt, dass es im Kosmos des Superheldenfilms eine Alleinstellung einnimmt.
„The Suicide Squad“ dreht nicht ganz so sehr frei wie die „Deadpool“-Filme, verzichtet auf das Durchbrechen der vierten Wand und ähnliche Meta-Scherze, ist aber sonst ein ziemlich ungezügelter Spaß, der sich für Einzelszenen von den verschiedensten Formaten inspirieren lässt, vom Guys-on-a-Mission-Genre (Gunn gab Werke wie „Das dreckige Dutzend“ und „Stoßtrupp Gold“ als Inspiration an) über Kreaturen der Marke „Alien“ und „The Puppetmasters“ bis hin zu schwülstiger Soap-Romantik. Ernst nimmt Gunn dagegen den Ansatz, dass es hier größtenteils um schlechte Menschen geht, die böse Dinge tun: Obwohl Bloodsport im Verlauf des Films menschlicher wird, ist er ein ähnlich harter Killer wie Peacemaker, der für den Weltfrieden so viele Männer, Frauen und Kinder töten würde wie nötig. Amanda Waller ist immer noch eine Mörderin, die andere ohne mit der Wimper zu zucken in den Tod schickt und eine eigene Agenda hat. Die findet sich auch bei den Mitgliedern der Squad, unter denen sich schon in der Auftaktszene ein Verräter zu erkennen gibt.
Dabei profitiert „The Suicide Squad“ von seinem gut aufgelegten Ensemble, auch wenn es hin und wieder in Richtung Typecasting geht. Margot Robbie („Once Upon a Time in Hollywood“) und ihre Harley Quinn sind inzwischen zu einem der neuen DC-Aushängeschilder mutiert, doch die Australierin bringt die Verrücktheit ihrer Antiheldin weitaus weniger aufgesetzt und nervig als im Erstling rüber, während Idris Elba („Fast & Furious: Hobbs & Shaw“) in seiner Paraderolle als ständig leicht angepisster Profi eine Bank ist. Eine Wucht ist Newcomerin Daniela Melchior („The Black Book of Father Dinis“), die das heimliche Herz des Films ist. John Cena („Fast & Furious 9“) als Schlächter variiert sein Wrestling- und Heldenimage, David Dastmalchian („Ant-Man“) als Konfetti-Schleuder mit Mutterkomplex gibt die emotional komplexe Version eines Comedic Sidekicks. In mehr oder weniger großen Rollen zeigen Jai Courtney („Honest Thief“), Joel Kinnaman („Run All Night“), Viola Davis („Widows“) und Gunns MCU-Regiekollege Taika Waititi („Thor – Tag der Entscheidung“) viel Spielfreude. Abstriche gibt es dagegen bei der Schurkenfraktion, die leider keine charismatischen Figuren oder Darsteller hervorbringt. Da ist mehr Aufwand in die gut animierten und stark designten Kreaturen des Films geflossen, von Sebastian, der Weggefährtenratte von Ratcatcher 2, über den räudigen Weasel bis hin zu King Shark, der von Sylvester Stallone („Vorhof zum Paradies“) als eine Art Parodie auf sein (Negativ-)Image als tumber Brutalo angelegt wird: King Shark ist ziemlich unterbelichtet, denkt vor allem ans Essen, wird aber besser nicht auf einen Feind losgelassen. Natürlich scheinen in diesen Kreaturen überdeutlich einige Wesenszüge durch, die Gunn schon bei Groot und Rocket in seinen MCU-Filmen verwandte, was ein wenig nach Selbstplagiat riecht, aber immer noch mit Witz und Verve umgesetzt wird.
Insofern ist „The Suicide Squad“ der Film, der „Suicide Squad“ hätte sein sollen oder gern gewesen wäre: Ein böser, phasenweise absurder Spaß mit pechschwarzem Humor, durchgedrehten, aber doch präzise gezeichneten Figuren und vielen kreativen Ideen. Nicht ohne Schönheitsfehler wie einen eher simplen Plot, lasche bis egale Schurkenfiguren und einen etwas ermüdenden Showdown, aber schon eine runde Sache. Und vermutlich dürfte „The Suicide Squad“ dem für den Erstling gewünschten „Guardians of the Galaxy“-meets-„Deadpool“-Ziel ausgerechnet dadurch näher kommen, dass man James Gunn größere Freiheiten als David Ayer ließ.
Warner bringt „The Suicide Squad“ am 5. August 2021 in die deutschen Kinos, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Warner__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 4.8.2021 in den deutschen Kinos |