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the Surfer

Originaltitel: the Surfer__ Herstellungsland: Australien-USA-Irland-GB__ Erscheinungsjahr: 2024__ Regie: Lorcan Finnegan__ Darsteller: Nicolas Cage, Julian McMahon, Nicholas Cassim, Miranda Tapsell, Alexander Bertrand, Justin Rosniak, Rahel Romahn, Finn Little, Charlotte Maggi, …

the Surfer

Zum Trailer (engl. OV) geht´s hier!

„Before you can surf, you must suffer.“

Nicolas Cage ist „the Surfer“ – die ansonsten nie (weder im Verlauf noch in den Credits) mit einem konkreten Namen versehene Hauptfigur des demgemäß in der Form nach ihr benannten vierten Spielfilms des irischen Regisseurs Lorcan Finnegan („Vivarium“) aus dem Jahr 2024, bei dem es sich um ein in Australien angesiedeltes und umgesetztes Werk handelt, welches Drehbuch-Autor Thomas Martin („White Widow“) und er als eins in der Tradition klassischer Ozploitation-Streifen konzipiert und realisiert hatten: Ein schräger, farbkräftiger, schwarzhumoriger, mitunter traumhaft-unwirklicher, einen stilistisch ein wenig an Peter Weir’s „Picnic at Hanging Rock“ erinnernder dramatischer Psychothriller, bei dem sich die Macher auch ein Stück weit von Frank Perry’s und Sydney Pollack’s 1968er „the Swimmer“ (mit Burt Lancaster und Janice Rule) inspirieren ließen…

Cage spielt einen Herrn, der Down Under aufwuchs, bevor sein Vater starb und seine Mutter mit ihm anschließend nach Amerika zog. Damals ein Teen, besitzt er inzwischen selbst eine Familie und wohnt erneut in seiner Heimat – allerdings hat seine Frau ihn verlassen (ohne bislang jedoch die Scheidung einzureichen) und teilen sie sich seither das Sorgerecht ihres Sohnes (Finn Little), welchen er eingangs abholt, um ihm eine Überraschung präsentieren zu wollen; wofür er den Jungen zum Schuleschwänzen überreden konnte. Mit ihm will er an einem Örtlichen namens Luna Bay surfen gehen – und ihm vom Wasser aus genau das Haus zeigen, in dem er seine Kindheit verbrachte. Doch das ist nicht alles: Kürzlich war die Immobilie zum Verkauf gelistet worden – und tatsächlich ist es ihm gelungen, den Preis von 1,6 Millionen AUD aufzubringen. Er wartet nun bloß nur noch auf die bestätigende Info…

Leider ist der aktuelle Anruf seines Maklers jedoch nicht der erhoffte – zumindest noch nicht: Stattdessen erfährt er, dass es einen weiteren Interessenten gibt, welchen er mit zusätzlichen 100.000,- aber noch ausstechen könnte. Also bemüht er sich darum, das irgendwie möglich zu machen – obgleich er es sich eigentlich nicht leisten kann – denn seiner Überzeugung nach würde sich mit dem Zurückerlangen des geliebten, primär mit schönen Erlebnissen verbundenen Hauses alles drum herum ebenfalls wieder richten: Seine Ehe, seine innere Ruhe sowie das Verhältnis zu seinem Sohn. Letzterer ist von der ganzen Aktion nicht unbedingt begeistert – zumal seine Mutter nicht eingeweiht ist – zieht aber mit. An der malerischen Bucht angekommen, schnappen sich beide ihre Boards und begeben sich den Hang hinab zum Strand – wo sich ihnen allerdings prompt einige Männer in den Weg stellen…

Angeführt von Scally (Julian McMahon), wird dieser Küsten-Abschnitt von einer Gruppe dort ansässiger Bay Boys (ihres Zeichens durchweg gestandene Erwachsene) „kontrolliert“, die etwas gegen Non-Locals haben. An sich ist das Land zwar öffentliches – doch ihr klar kommuniziertes Mantra lautet: „Don’t live here, don’t surf here!“ Unter Androhung von Gewalt werden Vater und Sohn zum Verlassen des Geländes aufgefordert. Was früher mal war oder in Zukunft mal sein könnte, zählt nicht. Missmutig kehren sie um: Eine unbehagliche Situation – insbesondere für den Jungen. Mit der erlittenen Erniedrigung und seinem gescheiterten Vorhaben schwer an ihm nagend, lässt er seinen Spross kurzerhand mit einem Taxi heimfahren – während er selbst bei seinem geparkten Lexus verweilt: Das Treiben um sich herum beobachtend, ausharrend sowie das von diesen Typen so nicht hinnehmen wollend…

„the Surfer“ ist genauso wenig ein Rache-Streifen wie es „Pig“ drei Jahre zuvor war. Und ums Wellenreiten geht’s auch nicht mehr als bloß am Rande. Unser Lead ist niemand, der körperliche Auseinandersetzungen gewohnt ist. Gedemütigt, trotz im Recht zu sein, weiß er nicht wirklich, wie er reagieren soll. Sein Job verlangt ihm Stress-Resistenz sowie die Fähigkeit des Treffens wichtiger Entscheidungen ab – allerdings scheint es ihm angesichts dieser Lage jetzt daran zu mangeln. Der vorm Misslingen stehende Haus-Deal sowie die Befürchtung einer Scheidung – inklusive einer sich dadurch vertiefenden Entfremdung seines Sohnes von ihm: Geld ist nunmal nicht alles – und so klammert er sich sozusagen an ein mit zuversichtlicher Hoffnung verknüpftes Symbol. Er möchte an diesem Ort sein – welchen er (unabhängig einer bestürzenden Sache mit seinem Vater damals) mit Geborgenheit assoziiert…

Umringt von teuren Immobilien, wartet eine Ebene oberhalb des Strandes mit ein paar Besucher-Fahrzeug-Stellplätzen, einem Coffee&Snacks-Stand sowie einem frei zugänglichen WC (samt eines Wasserspenders davor) auf. Unten surfen die Bay Boys – oder halten sich in und um ihrem „Club-Häuschen“ auf. Ein anderer sich in dem Bereich Herumtreibender ist ein in seinem kaputten Wagen schlafender, regelmäßig von einigen „Halbstarken“ schikanierter Obdachloser (Nicholas Cassim), der glaubt, diese Leute wären in dem Verschwinden seiner Tochter involviert. Da er nicht (wie verlangt) ins Büro kommt, gerät sein Job schon bald in Gefahr – und als sein Board gestohlen wird und der herbeigerufene Cop (Justin Rosniak) augenfällig nichts dagegen zu unternehmen bereit ist, steigert sich sein Frust zunehmend; worauf er förmlich von einem „Strudel“ bestimmter eskalierender Entscheidungen und Ereignisse mitgerissen wird…

Im Laufe der Zeit wird sein Auto beschmiert und geht dessen Batterie der Saft aus – so dass er sich u.a. nicht mehr per Air-Condition abzukühlen vermag – er verliert seine Schuhe und tritt in Scherben, verbraucht sein Bargeld und kann sein Handy nicht neu aufladen – weswegen auch Cash-loses Bezahlen für ihn fortan nicht mehr möglich ist. Zudem gibt er aufgrund spezieller Umstände seine Sonnebrille und seine Uhr (ein geschätztes Erbstück) weg und wird er irgendwann sogar mit dem Diebstahl seines Lexus‘ konfrontiert. Man verhindert, dass er an sauberes Trinkwasser kommt – weshalb er schließlich notgedrungen (Warnschild zum Trotz) damit anfängt, die braune Brühe aus dem Waschbecken-Hahn des Klos zu schlucken – während er sich selbst (rasch und stetig) hin zu jemandem entwickelt, den die meisten wohl als einen geistig Verwirrten ohne einer festen Bleibe erachten dürften. Doch warum ist dem so?

Verzweiflung und Zwänge führen dazu, dass unser manischer Anti-Held sich weigert bzw. nicht den Antrieb aufbringen kann, einfach abzurücken – denn das würde für ihn ja bedeuten, ein Scheitern seines Plans, seiner Hoffnungen für die Zukunft (etc.) einzugestehen. Also krallt er sich (geradezu obsessiv) daran fest. Unstreitig ist das tragisch – fürs Publikum zugleich aber auch unterhaltsam mitzuverfolgen: Als wäre das Universum gegen ihn, wird ihm kontinuierlich etwas aufgelastet; ihm immer wieder ein Bein gestellt. Minuten werden zu Stunden sowie gar zu Tagen: Man verliert den Überblick, wieviel Zeit inzwischen tatsächlich verstrichen ist. Hitze, Hunger und Dehydrierung resultieren in einem Abbau seiner Kräfte und mentalen Verfassung: Surreale Halluzinationen „vernebeln“ das Gebotene zusätzlich – und unweigerlich keimt die Frage auf, was eigentlich auf welcher Seite dieser „Grenze“ einzuordnen ist…

Sind die Parallelen zwischen ihm und dem Obdachlosen Zufälle? Könnte es eventuell sein, dass er an diesem Strand-Abschnitt so wie in Werken wie „Dark Country“ oder diversen „Twilight Zone“-Episoden feststeckt? Zuzutrauen wäre das Finnegen und Martin auf jeden Fall. Effektiv überträgt sich seine Desorientierung aufs Publikum – u.a. dank der feinen Bebilderung Radek Ladczuks („the Babadook“) sowie der „unruhigen“ Editing-Arbeit Tony Cranstouns („the Damned“). In kräftigen Farben, zum Klang eines lässigen Scores von François Tétaz („Wolf Creek“) sowie mit trippy Perspektiven, Zooms und Jump-Cuts versehen, stolpert der Unglückselige unter flirrender Sonne umher – begegnet einer Reihe von Tieren (darunter Hunde, Spinnen, Eidechsen und Ratten) und bleibt standhaft bei seinem Bestreben, sich weder von den Bay Boys noch der Situation an sich geschlagen zu geben…

„the Surfer“ entfaltet sich fast komplett outdoors – vermittelt aber dennoch ein klaustrophobisch anmutendes Feeling; ist ein Psychothriller, bei dem der auf den Protagonisten einwirkende Druck unentwegt anwächst. Vor unseren Augen bricht seine Welt zusammen – und bei all dem Schmerz, der Wut und dem Erlittenen wartet man im Grunde bloß nur auf dem Moment, an dem sich das „entlädt“ und er es direkt mit diesen Beach-Rüpeln aufnimmt. Der Film ist da aber anderer Natur – was mit dem in Verbindung steht, was er über moderne Themenpunkte wie persönliche Identität und toxische Männlichkeit auszusagen hat. Die Bay Boys sind quasi eine Kreuzung aus Bodhi und seiner Clique aus „Point Break“ (minus der Verbrechen) und wannabe-Alpha-Males á la Andrew Tate: Selbstbewusst, mit Geld und Erfolg gesegnet, traditionelle Strukturen pflegend sowie Rituale ausübend, die sie zu einer verbrüdernden Gemeinschaft vereinen…

Jeweils ein Branding in Form von Wellen besitzend, verteidigen sie ihr Revier gegen nicht Dazugehörende: Dominant, kameradschaftlich – und nicht unverlockend. Andere Anwohner erachten das als halb so wild – wie eine Dame, die darauf angesprochen erwidert: „Men are like engines – you gotta release a little steam now and then, or you’ll blow up.“ Ihren Guru-esken Leader Scully verkörpert Julian McMahon („Bait“) genau richtig: Charismatisch – sowie Außenstehenden gegenüber einschüchternd bedrohlich. Irgendwie wäre man schon gern er. Umringt wird er von seinen Nachbarn – welche dort ihre Freiheit genießen, wenn sie mal nicht im Büro oder daheim bei ihren Familien sind. Zweckdienlich, gehen die betreffenden Performances u.a. von Justin Rosniak („Locusts“), Rahel Romahn („Furiosa: A Mad Max Saga“) und Alexander Bertrand (TV’s „Les Norton“) durch die Bank weg in Ordnung…

In der Hauptrolle agiert Nicolas Cage („Color out of Space“) exakt so, wie wir ihn lieben – von seinen Blicken, Manierismen und seiner Sprechweise, seinem hoffnungsvollen Umgang mit seinem Sohn (Finn Little aus „Those who wish me Dead“), den Telefonaten mit dessen Mutter, seinen Reaktionen auf die andauernden Rückschläge, seiner gezeigten Entschlossenheit, seinen Nachforschungen im Bereich des Obdachlosen (Nicholas Cassim aus „the Moogai“) und seinem Abgleiten in den Wahnsinn her: Dabei bspw. Wasser aus einer Pfütze trinkend sowie (einen an die „Kakerlaken-Sache“ in „Vampire’s Kiss“ erinnernd) das Innere eines rohen Eis aus einem Vogelnest schlürfend – von einem köstlichen „Eat the rat!“-Augenblick mal ganz zu schweigen. Cage passt perfekt in dieses Aussie-Midnight-Movie – welches mich seitens gewisser Inhalte bisweilen sogar an David Fincher’s „Fight Club“ und „the Game“ denken ließ…

„the Surfer“ ist beileibe nicht subtil oder tiefschürfend – greift hier und da bewusst stereotype Klischees (wie Vegetarismus) auf und ist maßgeblich darauf aus, den geneigten Zuschauer zu unterhalten; nicht etwa permanent auf die integrierten Botschaften hinzuweisen. Von Finnegan kompetent in Szene gesetzt, deuten kurze „Einschübe“ (mal Flashbacks, mal vorwegnehmende Images) zwischendurch bereits auf den Ausgang der Geschehnisse hin – allerdings gibt es im Verlauf zwei bis drei reizvolle, stimmige „Schlenker“ zu verzeichnen, die einzelnen Vorhersehbarkeiten in der Hinsicht ergiebig entgegenwirken. Alles in allem ist dieser sonnendurchflutete surreal-schräge atmosphärisch-stylishe Toxic-Masculinity-Midlifecrisis-Selbstfindungs-Psychothriller nicht unbedingt für Mainstreamer geeignet – wohl aber für Nic Cage Fans sowie Freunde klassischer Ozploitation-Flicks…

7 von 10

Während „the Surfer“ im Mai in die US-Kinos kommt, lief er hierzulande bereits im Rahmen der 2025er „Fantasy Filmfest White Nights“ in mehreren Städten. Weitere Release-Pläne für Deutschland sind mir bis heute (03/2025) indes bislang noch nicht bekannt…

Stefan Seidl

the Surfer

(© Lionsgate, Roadside Attractions, Constantin Film)

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Copyright des „the Surfer“ Postermotivs und der Pics:
Tea Shop Productions / Arenamedia / Gramercy Park Media / Lovely Productions / north.five.six. / WME Independent / Lionsgate, Roadside Attractions (US) / Constantin Film (D)__ US-Freigabe: Rated R__ DVD/BluRay: noch nicht

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