Originaltitel: The Unseen__Herstellungsland: Kanada__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Geoff Redknap__Darsteller: Aden Young, Camille Sullivan, Julia Sarah Stone, Ben Cotton, Max Chadburn, Alison Araya, Maxwell Haynes, Kurt Ostlund, Eugene Lipinski, Nickolas Baric u.a. |
Bob hatte bereits seine 15 Minuten Ruhm – als Sportler der kanadischen Eishockey-Nationalmannschaft. Daran wird er von seiner Umgebung immer wieder gerne erinnert. Doch für Bob ging es nach diesem Höhepunkt in seinem Leben stetig bergab. Der absolute Tiefpunkt: Bob ließ seine Frau und seine Tochter sitzen und zog weit in den Norden Kanadas, wo er jetzt in einer Holzfabrik arbeitet.
Zumindest hatte er einen guten Grund für seine „Flucht“. Er wollte seine Familie vor Ungemach und neugierigen Fragen schützen. Denn Bob verschwindet. Stück für Stück wird sein Körper unsichtbar. Entsprechend packt er sich immer wieder in zig Schichten von Kleidung, damit niemand seine Krankheit bemerkt.
Doch Bob spürt, dass sich sein Verfall beschleunigt. Er beschließt, die letzten Tage seines Verweilens auf Erden als sichtbarer Mensch zu nutzen, um Sachen gerade zu rücken. Vor allem möchte er eine Beziehung zu seiner Tochter Eva aufbauen. Das funktioniert unverhofft gut, doch plötzlich verschwindet Eva spurlos. Für Bob ist klar: Er muss seine Tochter wiederfinden.
„Der Unsichtbare“ trifft den tristen Alltag
„The Unseen“ hat direkt zu Beginn eine bockstarke Szene, in der äußerst subtil angedeutet wird, dass mit Bob irgendetwas nicht zu stimmen scheint. In der Szene kommt er geschafft aus der Holzfabrik. Mehr noch, er hat sich hier eine Rippe gebrochen. Geschafft schleppt er sich in Richtung Couch. Bevor er sich auf selbige setzt, steht er vor dem TV und der Zuschauer sieht: Der TV leuchtet durch Bobs Körper hindurch! Hier hat „The Unseen“ den Zuschauer im Sack!
Regisseur Geoff Redknap, sonst eher für Maskeneffekte bei Filmen wie „Deadpool“ oder „Prey“ zuständig, wollte laut Making Of zum Film den Unsichtbaren von H. G. Wells in unsere Realität holen. Dabei sollte sein Unsichtbarer ein ganz normaler Typ sein. Ein Typ, der nicht irgendwelche moralischen Konflikte durchlaufen sollte oder seine Unsichtbarkeit nutzt, um seine kriminelle Energie auszuleben. Einfach nur ein Typ aus der Arbeiterklasse, der ganz andere Dämonen zu bekämpfen hat.
Das funktioniert vor allem zu Beginn prächtig. Hier konzentriert sich „The Unseen“ vollkommen auf Bob, bildet dessen Alltag ab und formuliert aus, wie dieser beschließt, begangene Fehler wenigstens ansatzweise auszubügeln. Das Drehbuch stellt ihm dabei schnell ein Bein. Bob soll für einen dubiosen Kleinkriminellen tätig werden. Das dafür lockende Geld könnte ihm auf seiner Mission helfen, weshalb Bob zusagt.
Jetzt beginnt „The Unseen“ zu zerklüften – gewollt. Bob trifft seine Familie und seine Tochter wieder, parallel steigen ein paar Teenager in eine verlassene Psychiatrie ein und ein Horrorfilm im Film startet. Dann verschwindet Bobs Tochter Eva und er startet wie weiland Liam Neeson in eine rabiate Suche. Regisseur Redknap treibt außerdem den Body Horror um Bobs Verfall organisch voran und rund um eine wichtige Nebenfigur wird eine weitere starke Überraschung gezündet.
„The Unseen“ switcht dabei mühelos durch die Genres und hält den Film mit seinen Wendungen immer am Laufen. Auch das Spannungsniveau bleibt auf einem hohen Niveau. Problematisch ist eigentlich nur, dass Bobs Verfall selbst kaum thematisiert wird. Was ist mit ihm los? Schmerzt das Ganze eigentlich? Und was ist denn, wenn er vollends verschwunden ist? Ausgerechnet der faszinierendste Aspekt an „The Unseen“ bleibt seltsam schwammig.
Und „The Unseen“ hat leider gegen Ende diverse Probleme, auf Kurs zu bleiben. Es wirkt teilweise, als wolle „The Unseen“ plötzlich zu viel. Als verrenne er sich in seinem eigenen Konstrukt. Zwar nimmt er erstaunlich souverän ein paar bislang lose Fäden auf und führt diese zu einem guten Ende, das eigentliche Finish gerät aber seltsam unbefriedigend. Schade.
Dafür funktionieren die Darsteller prächtig. Vor allem der in der Ausnahmeserie „Rectify“ so großartig aufspielende Aden Young („Killer Elite“) verkörpert seinen Bob absolut fantastisch, obwohl er in vielerlei Hinsicht in „The Unseen“ zu verschwinden scheint – einmal aufgrund der ihn verzehrenden Krankheit und einmal hinter Lagen von Klamotten und tief ins Gesicht gezogenen Mützen. Ein weiteres Highlight ist die toll aufspielende Julia Sarah Stone („Aftermath“, „Strange Dreams“) als Eva. Und auch sonst gibt sich keiner der Darsteller eine Blöße.
In technischer Hinsicht fällt sofort die nervöse Schulterkamera auf, mit der Kameramann Stephen Maier vornehmlich arbeitete. Die Folge ist eine immer leicht nervöse, wacklige Optik, die die Stimmungslagen der Figuren mit gedeckten, kühlen Farben immer ziemlich gut und vor allem immer sehr gritty bebildert. Ein Highlight ist ganz klar die mittels einer Mixtur aus Masken-, Puppen- und CGI-Effekten umgesetzte Unsichtbarwerdung von Bob. Diese liefert teils richtig creepy Details, die wortwörtlich unter die Haut gehen.
Zudem erlebt man den in Teilen Unsichtbaren auch in kleineren Actioneinlagen, in denen deutlich wird, wie detailversessen und vor allem auch gut hier gearbeitet wurde, um eine perfekte Illusion hinzubekommen. Und wenn Bob irgendwann im Film eine seiner Mützen absetzt und eine Haartolle über dem weitgehend unsichtbaren Kopf hin und her tanzt, ist das einfach nur wundervoll eklig anzusehen.
„The Unseen“ ist äußerst ansehnlich geraten
Was am Ende bleibt, ist eine enorm unterhaltsame filmische Wundertüte, die gefühlt die verschiedensten Genres streift, dabei den Zuschauer immer wieder mit interessanten Wendungen überrascht, von tollen Darstellerleistungen zehrt, technisch enorm überzeugend umgesetzt ist und angenehm charaktergetrieben daherkommt.
Leider geht dem Film sein Ende nicht so leicht von der Hand, so manche Nebenfigur kommt nie im Film an und wirkt überflüssig und last but not least ist der Film mit seinen 105 Minuten ein wenig zu lang geraten. Trotzdem handelt es sich bei „The Unseen“ um einen Film, der eine Entdeckung wert ist und bei dem man dankbar sein kann, dass er gut sieben Jahre nach seiner Entstehung doch noch seinen Weg zu uns gefunden hat.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 16. Juni 2023 von der Busch Media Group. Diese sind mit einer Freigabe ab 16 ungeschnitten und kommen mit einem interessanten Making Of. Man kann den Film auch streamen.
In diesem Sinne:
freeman
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