Originaltitel: Aknyeo__Herstellungsland: Südkorea__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Jung Byung-gil__Darsteller: Kim Ok-bin, Shin Ha-kyun, Seong Joon, Kim Seo-hyeong, Jo Eun-ji, Lee Seung-joo, Jeong Hae-gyoon, Park Chul-min, Son Min-ji u.a. |
Der südkoreanische Actionknaller “The Villainess” wird eingeklammert von zwei großartigen Actionszenen, die jedem Actionfan das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen sollten. Die erste Szene eröffnet den Film. In First Person Sicht a la „Hardcore“ gehen wir einen Gang entlang, der an einer großen Menge Türen vorbeiführt. Als aus einer der Türen ein Kerl herauskommt, schießen wir ihn über den Haufen. Eiskalt und trocken. Der Krach lockt weitere Kerle aus anderen Türen.
Ohne mit der Wimper zu zucken, nieten wir einen nach dem anderen um, weichen geworfenen Äxten aus und missbrauchen ebenjene, um Schädel zu spalten. Dann kämpfen wir uns durch ein Treppenhaus. Fliegen nach einem beherzten Sprung einige Stockwerke tiefer und prallen hier auf neue Kerle, die nach blauen Bohnen dürsten. Als unsere Munition zur Neige geht, betreten wir einen Flur. Von dem anderen Ende strömen mit Messern bewaffnete Kerle auf uns zu. Wir ziehen zwei Langmesser und schlachten die Kerle in einem beispiellosen Massaker ab.
Ein Blick zurück offenbart das ganze blutige Chaos, das wir hinterlassen haben. Doch keine Zeit zum Verschnaufen. Denn im nächsten Raum baut sich bereits ein riesiger Kerl mit einer Gruppe Henchmen vor uns auf. In einem unbedachten Moment greift er uns am Schlafittchen und knallt uns gegen einen Spiegel. In selbigem strahlt uns ein weibliches Gesicht entgegen. Wir sind Sook-hee. Eine junge Frau auf einem Rachefeldzug sondergleichen. Unser Vater wurde ermordet. Und unser Ehemann mit einem Hammer erschlagen.
Schaut in den Actionhammer “The Villainess” hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=rBDIaOJbfsQ
Der Zusammenprall mit dem Spiegel „schüttelt“ die Kamera aus Sook-hee heraus. Wie wild entfesselt fliegt sie nun neben, hinter und über Sook-hee her und präsentiert aus den unglaublichsten Perspektiven, wie die junge Frau auch diese Gruppe Angreifer beinahe spielend leicht abschlachtet. Am Ende stürzt die Kamera mit Sook-hee aus einem Fenster. Am Boden warten schon die Cops…
Damit beginnt nach furiosen zehn Minuten und gefühlten 100 Toten die eigentliche Story von “The Villainess”. Die ist im Grunde simpel. Folgt dem weiteren Rachefeldzug der jungen Frau. Gibt sich aber in ihrer Struktur sehr ambitioniert. Gibt gefühlt nicht viel auf eine chronologische Erzählweise, vor allem, wenn es um die Offenbarung der Hintergründe von Sook-hees Rachefeldzug geht. Geradliniger ist da schon die bei „Nikita“ abgekupferte Haupthandlung.
Denn nach dem Massaker wird Sook-hee angeblich hingerichtet. In Wirklichkeit wird sie allerdings Teil einer Geheimorganisation, die sie zur Schläferin ausbildet. Während des knallharten Trainings gebiert Sook-hee zudem das Kind von ihrem ermordeten Ehemann. Einem Gangster. In die Freiheit entlassen muss sich die junge Frau mit ihrer Tochter ein neues Leben aufbauen. Ein unauffälliges obendrein, immerhin gilt es immer wieder Normalität vorzugaukeln, nachdem diverse Ziele höchst blutig aus dem Leben gerissen wurden.
Wie von Südkoreas Kino gewohnt, hat all das eine ordentliche Laufzeit. Über zwei Stunden stehen am Ende mal wieder auf dem Chronometer. Nicht alle davon begeistern. Die sprunghafte Erzählweise in Sachen Sook-hees Vergangenheit ist teilweise sehr verwirrend. Die immer mal wieder genutzte „Idee“, eigentlich verstorben geglaubte Charaktere wieder zu erwecken, trägt nicht sonderlich zur Orientierung bei. Dass bei der Ausbildung zur Schläferin viele Charaktere gefühlt wie Sook-hee aussehen, erschwert die Orientierung zusätzlich.
Am Ende bleiben zudem diverse Fragen offen. “The Villainess” bekommt die vielen angerissenen Handlungsmomente nicht immer unter einen Hut. Wirkt nicht wirklich rund. Hat auch seine Längen. Und vergisst zwischen den beiden herausragenden Actionszenen das Spektakel. Wirkt hier sogar beinahe langweilig in seiner aschfahlen Inszenierung. Eigentlich ist da nur ein unfassbar genial gefilmtes Schwertkampfduell! zwischen auf Motorrädern!! dahin rasenden Kombattanten!!! Der Kinnladen-Öffnungsfaktor? 100 Prozent. Mühelos.
Glücklicherweise wissen die Südkoreaner, wie man nicht ganz sauber zu Ende erzählte Geschichten dennoch befriedigend rund macht: Man zündet ein reinigendes Bleigewitter. Und damit die zweite übergroße Szene des Filmes. Zunächst wird da ein Auto als Abrissbirne genutzt, dann mit großkalibrigen Waffen um sich geballert und in eine geile Verfolgungsjagd übergeleitet, bei der Sook-hee auf der Motorhaube ihres Wagens sitzend selbigen lenkt und sich mit einer in die Motorhaube geschlagenen Axt im Gleichgewicht hält.
Als sie den verfolgten Bus einholt, springt sie locker von der Motorhaube an den Bus, vergräbt ihre Axt im Metall des Fahrzeuges und hechtet ins Innere des Gefährtes. Und plötzlich geht die bis dahin halbwegs normale Kameraarbeit wieder total steil. Klebt förmlich an Sook-hee und metzelt sich mit ihr durch die Bus-Lumpen. Aber wie… Derart entfesseltes Gewaltkino ist mit „Hardcore“ wirklich eine Weile her. Eines ist nun in jedem Fall klar: Die Südkoreaner können das auch. Aber so richtig.
Am Ende bleibt ein Film, der zuletzt eine Menge Hype erfahren hat und selbigen nicht ganz einzulösen vermag. Dazu fällt der Mittelteil zu deutlich ab. Ist vor allem im „Nikita“-Part und der anschließenden Familiengeschichte zu konventionell erzählt. Wann immer er dann versucht, unkonventioneller zu erzählen, wird es für den Zuschauer anstrengend, dem Geschehen zu folgen. Kurzum: Storytechnisch hakt es bei “The Villainess”. Dank sympathischer Darsteller und der Hoffnung auf Erklärungen bleibt man allerdings immer dran, was für ein funktionierendes Involvement und eine ordentliche Spannungskurve spricht. Dreht Regisseur Jung Byung-gil dann aber die Action auf, läuft “The Villainess” so richtig rund. Begeistert in jeder einzelnen Szene. Ist knallhart und voller kompromisslos geiler Ideen. Dazu gesellt sich eine absolut fantastische Inszenierung, die dem Zuschauer mehr als einmal den Boden unter den Füßen wegreißt und vor allem alle Actionszenen immer wie Plan-Sequenzen wirken lässt. Was dann einfach nur noch mehr begeistert. Und trotz aller Problemherde ist es am Ende genau das, was bleibt: Begeisterung.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erschien Anfang des Monats Januar von Splendid Film im nett aufgemachten Mediabook. Hier ist als Extra auch der vom gleichen Regisseur stammende „Confession of Murder“ enthalten. Die Amaray-Fassungen zum Film erscheinen am 26. Januar 2018 und sind wie das Mediabook mit einer FSK 18 Freigabe ungeschnitten!
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Splendid Film__Freigabe: FSK 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |