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The Vineyard

Originaltitel: The Vineyard__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1989__Regie: William Rice, James Hong__Darsteller: James Hong, Karen Lorre, Michael Wong, Lars Wanberg, Cheryl Madsen, Cheryl Lawson, Rue Douglas, Sean P. Donahue, Sherri Ball, Karl-Heinz Teuber, Ruth Lin, Harry Mok, Lissa Zappardino, Mark De Alessandro, Vivian Lee, Robert Ito, James Russo u.a.
Cover

Das Cover der Keep-Case-Blu-ray-Edition von „The Vineyard“.

Blut und Wein

Maissirup, Schokoladensauce, Ketchup, Glycerin und Lebensmittelfarbe. Seit mehr als hundert Jahren zirkulieren sie als Lebenssaft durch den Horrorfilm und versorgen ihn zuverlässig mit Sauer- und Nährstoffen. Mal gerät das Gemisch zu schwarz, mal zu grell, aber in der perfekten Konsistenz und Farbe angerührt, bildet es die DNA, das Identifikationsmerkmal eines ganzen Genres, das mit dem Attribut „rot“ durchaus angemessen auf den Punkt gebracht ist.

Wein ist daher grundsätzlich ein passender Begleiter für Horrorfilme unterschiedlichster Art, vermag er das Rot doch als Ambiente ins heimische Wohnzimmer zu übertragen. Doch auf der Leinwand selbst, da fristet er ein Nischendasein und steht allenfalls mal in Arthaus-Dramen im Mittelpunkt. „I never drink… wine“, ließ Dracula immerhin verlautbaren, als er 1931 mit den gierigen Augen Bela Lugosis auf Johnathan Harkers Halsschlagader stierte. Dabei sind die metaphorischen Qualitäten des Beerensaftes sicherlich unbestritten.

Insofern besteht auch kein Zweifel, dass der Winzer Dr. Elson Po aus „The Vineyard“ über Generationen hinweg mit Blutsauger Dracula verknüpft ist. Die vampirische Motivik liegt tief verborgen im Traum nach der ewigen Jugend, der sich bei unsachgemäßer Realisierung in einen Alptraum voller schrumpliger Falten verwandeln kann, was dieses krude Second-Hand-Horrorgemisch aus dem auslaufenden Jahrzehnt der praktischen Spezialeffekte noch einmal zu einem stattlichen Maskenball geraten lässt.

Schaut in den Trailer zu „The Vineyard“

James Hong – Mann der tausend Nebenrollen

Ausgerechnet James Hong in der Hauptrolle zu sehen, das Gesicht der tausend Nebenrollen in unzähligen Hollywood-Evergreens der ersten und zweiten Garde, den Mann, der als gebürtiger US-Amerikaner in praktisch jedem seiner Filme wie eine Prise intensiven asiatischen Gewürzes eingesetzt wurde, ist ungewohnt, gelinde gesagt, zumal er hier auch gleich noch als Drehbuchautor und (Teil-)Regisseur in Erscheinung tritt. Es ist also der ultimative James-Hong-Film und in dieser Definition bereits einen Abdruck in den Geschichtsbüchern wert; im Grunde hätte jeder von all den kultigen Die-kenn-ich-doch-Typen da draußen seinen eigenen „The Vineyard“ verdient.

Hong hat seinen bekommen, und was ihn betrifft, scheint er vor allem aus seiner denkwürdigen Rolle in John Carpenters Kultstreifen „Big Trouble in Little China“ einiges an Inspiration mitgenommen zu haben, denn auch dort spielte er bereits einen gut erhaltenen 2200-Jährigen, der mit Magie tricksen muss, damit ihm das Fleisch nicht endgültig von den Knochen fällt. Fast wie der echte Hong, der ja nun immerhin auch schon seit acht (!) Jahrzehnten durch Film und Fernsehen geistert.

Sich selbst inszeniert er in Tradition eines Vincent Price („Das Haus auf dem Geisterhügel“, 1959) oder Christopher Lee (Dr. Fu Manchu, 1968 – 1969) als abfällig vom Treppenabsatz auf den Pöbel herabblickenden Herrschsüchtigen, der sich mit jüngeren Menschen umgibt, um ihre Jugend zu absorbieren. Nur wenige brodelnde Phiolen nach den Opening Credits räkelt sich bereits seine hüllenlose Geliebte neben ihm auf dem Bett; nacktes Geschmuse und später auch ein paar lässige Karate-Kicks hagelt’s fast so konsequent wie in der Trashbombe „Raw Force“, da kann man sich wahrlich nicht beschweren, und wenn das Drehbuch mal nicht weiter weiß, gibt’s einfach eine Stippvisite im Keller, wo angekettete Damen in zerrissenen Fetzen seufzend die Kulisse schmücken.

Horror-Best-and-Worst-of

Auch sonst ist immer schwer was los auf dem Weinberg. Partys bis zur Besinnungslosigkeit, Zombies, die sich wie in guten alten Zeiten aus der Erde freikrümeln, loyale Henchmen, die gewissenhaft ihren Job erledigen. Die Mächte des Voodoo und der Akupunktur werden mit diebischer Freude für das Böse eingesetzt, in einer per Schnitt und Suggestion raffiniert getricksten Szene erbricht eine Dame sogar lebendige Spinnen unterschiedlicher Form und Größe. Man spürt die Einflüsse aus vierzig Jahren im Filmgeschäft, Carpenter, Craven, Romero und Franco, aber auch niederes Genrekino der damaligen Gegenwart, die mit vergleichbarem Stückwerk durchsetzt war (vgl. „Rejuvenator“, 1988). Es ist ein Blumenstrauß an Ideen, den Hong da von seinem Notizzettel abfilmt, nur ein Schuh wird noch lange nicht draus.

Das Storytelling hat es durch diese Anhäufung von Exploitation-Fragmenten erwartungsgemäß schwer, auch der Aufbau von Atmosphäre, der sich durch das unverbrauchte Winzer-Setting eigentlich automatisch ergeben müsste, gestaltet sich relativ schwierig. Die Orientierungslosigkeit der auslaufenden 80er spiegelt sich in der motivischen Unruhe des Films, der allenthalben seine Form verändert wie ein Gestaltwandler, der im vergangenen Jahrzehnt alles Mögliche schon ausprobiert hat und jetzt nicht mehr weiß, was er überhaupt noch sein möchte.

Ein Stück weit hält die physische Präsenz des Hauptdarstellers alles zusammen, zumal eine Bereitschaft zum postironischen Umgang mit den aufgewühlten Themen zu erkennen ist, wenn beispielsweise auf dem Maskenball unter der Maske eine weitere Maske zum Vorschein kommt, die wiederum das Unmaskierte verbirgt. Dann wiederum sind die Makeup-Effekte aber zu lausig, um dieses Spiel überzeugend zu gestalten, so wie es überhaupt an wirklich überzeugender Handarbeit mangelt, in erster Linie aber an dem roten Saft, der immerhin als zentrales Motiv auserkoren wurde. Für einen Film mit derart reißerischen Ansätzen kommt es letztlich zu selten zur Explosion.

„The Vineyard“ macht nicht betrunken genug

„The Vineyard“ ist letztlich vor allem als James-Hong-Spiegel einen Blick wert. Näher war man dem charismatischen Nebendarsteller aus weit mehr als 400 Film- und TV-Produktionen jedenfalls selten. Die hohe Frequenz an abstrusen Einfällen sorgt bei Freunden des 80er-Jahre-Horrorkinos zumindest nicht für allzu lange Gesichter, auch wenn Dracula am Ende wohl Recht behielt: Blut ist dicker als Wein.

4 von 10

„The Vineyard“ feierte in Deutschland zu Beginn der 90er Jahre seine Premiere auf VHS. 1991 folgte die Indizierung, die 25 Jahre später, im Juni 2016, wieder aufgehoben wurde. Ein Jahr später erschien der Horrorstreifen über SchröderMedia erstmals auf DVD. Weitere zwei Jahre später, im Jahr 2019, veröffentlichte das amerikanische Kuriositätenlabel Vinegar Syndrome eine Blu-ray.

Mediacs zog 2022 in Deutschland mit vier limitierten Mediabook-Varianten nach. Bei der enthaltenen Blu-ray und inhaltsgleichen DVD muss man allerdings auf die Interviews der Vinegar-Disc verzichten (James Hong / Harry Mok, William Rice, John Dirlam); lediglich der Kinotrailer ist mit an Bord. Wer auf das Mediabook und das enthaltene Booklet von Mike Blankenburg verzichten kann, bekommt seit 2023 auch eine Keep-Case-Ausgabe des Films. Ihr könnt den Film auch streamen.

Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder und Screenshots/Label: Mediacs / Leonine__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja

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