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The Wanderers

Lange musste Philip Kaufman kämpfen, um eine Verfilmung des Romans „The Wanderers“ von Richard Price auf die Beine zu stellen. Das Ergebnis wurde ein Klassiker des Gangfilms. Beschrieben werden die Geschicke der titelgebenden Jugendgang in der Bronx des Jahres 1963 rund um Anführer Ken Wahl. Eine Art Coming of Age im Umfeld von schwierigen sozialen Verhältnissen und Gangschlägereien.

Originaltitel: The Wanderers__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1979__Regie: Philip Kaufman__Darsteller: Ken Wahl, John Friedrich, Karen Allen, Toni Kalem, Alan Rosenberg, Jim Youngs, Tony Ganios, Linda Manz, William Andrews, Erland van Lidth, Val Avery, Dolph Sweet, Michael Wright, Olympia Dukakis, Ken Foree, Richard Price, Wayne Knight u.a.
The Wanderers

Philip Kaufmans Gangfilm “The Wanderers” wurde nach und nach zum Kult

Die Verfilmung von Richard Price‘ Roman „The Wanderers“ war eine Herzensangelegenheit für Regisseur und Drehbuchautor Philip Kaufman, um die er lange kämpfen musste: Mehrfach bekam er das nötige Geld nicht zusammen und als man ihm mit dem Erfolg von „Die Körperfresser kommen“ im Rücken ein Budget bewilligte, war es kein allzu üppiges.

Im Film wie im Roman ist die Geschichte in den frühen 1960ern angesiedelt, der Jugendzeit von Richard Price, in der auch „West Side Story“ in die Kinos kam. So wirkt „The Wanderers“ bisweilen auch wie ein Bindeglied zwischen den Musical-Adaption und den Gang-Actionfilmen, die in den 1980ern an Popularität gewannen. Dementsprechend ist in „The Wanderers“ auch jede Menge Musik drin, darunter „Walk Like a Man“ von The Four Seasons, „Shout“ von den Isley Brothers und natürlich der Titelsong „The Wanderer“ von Dion, der gleich mehrfach im Film gespielt wird.

Passend zur Musikuntermalung sind auch die titelgebenden Wanderers eine Gang im Rock’n’Roll-Style. Bei den Mitgliedern handelt es sich um Italoamerikaner, die sich mit anderen Gangs streiten, darunter die asiatischen Wongs, die schwarzen Del Bombers und die glatzköpfigen Baldies. Wichtige Mitglieder der Wanderers sind Anführer Richie (Ken Wahl), der schmächtige Joey (John Friedrich), Großmaul Turkey (Alan Rosenberg), der sich lieber den Baldies anschließen will, und das schlagkräftige Neumitglied Perry (Tony Ganios), das in die Gang aufgenommen wird, als es Joey gegen die Baldies verteidigt. Alle aus einfachen Verhältnissen, alle auf der Suche nach einer Ersatzfamilie, wobei in der Welt von „The Wanderers“ anscheinend eh so gut wie jeder Bronx-Jugendliche Mitglied einer Gang ist.

Den groben Handlungsfaden des episodenhaften Films gibt ein Streit zwischen den Del Bombers und den Wanderers, den sie in naher Zukunft klären wollen. Gleichzeitig müssen die Protagonisten mit tyrannischen Vätern, alkoholkranken Müttern, Gefühlsregungen und jeder Menge anderer Dinge klarkommen…

Schaut euch den Trailer zu „The Wanderers“ an

„The Wanderers“ ist eine Art Stimmungsfilm, kein Handlungsfilm. Es geht um ein Coming-of-Age-Gefühl in einem ungewöhnlichen Kontext, in dem die Jugendlichen Erfahrungen in Sachen Liebe und Sex machen und sich von ihren Elternhäusern emanzipieren. Joeys Mucki-Papa Emilio (William Andrews) hat kein Verständnis für die künstlerische Ader seines Sohnes, drangsaliert den Filius und betrügt seine Gattin (Olympia Dukakis), Perrys Mutter ist ein Alki, während Richie mit Despie (Toni Kalem) zusammen ist, der Tochter des lokalen Mafiapaten Chubby Galasso (Dolph Sweet). Als Richie für seinen schüchternen besten Freund Joey ein Date mit Nina (Karen Allen) klar macht, muss er feststellen, dass er sich mehr für diese Eroberung interessiert als für seine Freundin, wodurch Knatsch sowohl mit Despie als auch mit Joey vorprogrammiert sind. Turkey sucht derweil nach neuer Anerkennung bei den Baldies, sodass jede Figur ihre eigenen Probleme und Sorgen hat.

Erfreulicherweise nimmt „The Wanderers“ dabei auch die rivalisierenden Gangs ernst. Die Wongs, die Del Bombers und die Baldies sind aus Zeitgründen natürlich alle grober und einfacher gezeichnet als die Mitglieder der titelgebenden Bande, aber auch keine Schießbudenfiguren, sondern Menschen mit eigenem Hintergrund und eigenem Ehrenkodex. Keine Antagonisten oder Fieslinge, sondern eben Rivalen. Einzige Ausnahme sind die Ducky Boys, deren Auftreten ein wenig an die Jugendgangs aus John Carpenters „Assault on Precinct 13“ erinnert: Stumme, fast schon zombiehafte Gestalten, die mit Vorliebe andere Menschen verprügeln, auf sie einstechen oder sie zu Tode hetzen. Sie erscheinen eher als eine Art Macht, die nur halb von dieser Welt ist, keine richtigen Menschen.

Die Rivalitäten der Gangs sorgen dann auch für kleinere Actionszenen, meist Verfolgungsjagden zu Fuß oder Wemmsereien. Im Vergleich zum Konkurrenzfilm „The Warriors“ aus dem gleichen Jahr gibt es allerdings weniger Actionschauwerte, denn einzig und allein eine Prügelei mit den Ducky Boys gegen Ende wird größer aufgezogen. Allerdings sieht auch diese Massenschlägerei noch etwas roh und unbeholfen aus – für Martial Arts Coordinator Lawrence Tan blieb es auch der einzige Credit in dieser Richtung. Allerdings passt diese Art durchaus zum unsicheren, verwirrten Lebensgefühl der Protagonisten und der generellen Unebenheit des Films. Denn tonal ist „The Wanderers“ nicht auf einen Nenner zu bringen. Da gibt es komödiantische bis alberne Momente, etwa beim Strippoker, bei dem Despie auf Nina eifersüchtig wird. Da gibt es tragische Momente, wenn zu der Trauer um einen getöteten Wanderer auch noch die Nachricht der JFK-Ermordung hinzukommt. Manchmal kann der Ton auch innerhalb einer Szene wechseln, etwa wenn ein Army-Rekrutierer die Baldies zur Unterschrift überredet, was diese aus Jux auch tun, nur um zu erfahren, dass sie bald eingezogen und ins Kriegsgebiet geschickt werden.

Dementsprechend sprunghaft ist dann auch die Dramaturgie des Films, denn mit dieser Szene verschwinden die Baldies auf dem Film, obwohl sie anfangs als wichtige Komponente erscheinen und Erland van Lidth („Running Man“), der den Baldie-Anführer Terror spielt, auch diverse Poster und Cover des Films ziert. Manche Handlungsstränge enden ähnlich abrupt, wobei „The Wanderers“ ja auch eine Art Momentaufnahme sein will, an deren Ende vor allem Richie gezwungenermaßen erwachsen werden muss und in ein Leben eintreten, das er nur bedingt gewählt hat. Er ist nicht unglücklich dabei, aber er lernt, dass er Menschen gehen lassen muss, wenn diese sich in eine andere Richtung entwickeln, wodurch „The Wanderers“ einen bittersüßen Ton hat. Dementsprechend ist der Film auch nie zu ernst, stellt die Bronx nicht als gangbesetzten Crime-Moloch dar, trotz der fiesen Ducky Boys, trotz der Mafiosi und anderen Gangster, die auch mal Wetten auf ein Kräftemessen zweier Gangs abschließen.

Um seinen Film authentisch wirken zu lassen, castete Kaufman in erster Linie Laien und wenig erfahrene Darsteller. Ken Wahl, der mit Filmen wie „Der Söldner“ und „Boomer – Überfall auf Hollywood“, kurz Actionruhm in der dritten Reihe schnuppern durfte, macht sich als Schauspieldebütant allerdings ähnlich überzeugend wie Tony Ganios („Stirb langsam 2“). Etwas mehr Erfahrung brachten John Friedrich („Angst – Das Camp des Schreckens“), Karen Allen („Die Geister, die ich rief“), Alan Rosenberg („Parker Kane“) und Toni Kalem („Das stumme Ungeheuer“) in weiteren tragenden Rollen mit. Man merkt ihre Unerfahrenheit gelegentlich, nicht immer ist ihr Schauspiel perfekt, aber dies wird durch die Kaufman gesuchte und gefundene Authentizität in ihren Darbietungen mehr als aufgewogen.

„The Wanderers“ ist ein Film mit Ecken und Kanten, dramaturgisch nicht immer rund, uneinheitlich im Ton. Aber genau das macht den Charme dieses Jugendportraits aus, dieser Coming-of-Age-Geschichte im Gangmilieu, die mit starken Figuren, einem eingängigen Rock’n’Roll-Soundtrack und viel Atmosphäre punkten kann. Ein Unikum, das im Verbund mit „The Warriors“ aus dem gleichen Jahr einige Rip-Offs wie „The Riffs“ inspirierte.

„The Wanderers“ erschien auf Video nur in einer radikal um Handlung zusammengekürzten Fassung, damit der eigentlich 112 Minuten lange Film auf ein 90-Minuten-Band passte. Später auf DVD veröffentlichte Versionen tragen die Bezeichnung Director’s Cut, sind aber eigentlich nur die reguläre Ursprungsfassung. In den letzten Jahren tauchte ein Preview Cut auf, der ein paar länger als die Normalfassung läuft. Alle Versionen des Films sind ab 16 Jahren freigeben. Inzwischen gibt es mehrere Auflagen von „The Wanderers“ auf DVD und Blu-Ray, die jüngsten von Black Hill/Koch Media und Mediacs. Das Bonusmaterial variiert je nachdem, oft gibt es einen Audiokommentar von Philip Kaufman und Trailer als Extras, die Preview-Cut-Versionen haben oft ein Q&A zum Film sowie zwei Making Ofs an Bord.

© Nils Bothmann (McClane)

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