Endzeitfilme, so stellt auch “This is the end…” irgendwann fest, begannen einst mit „Mad Max“, erlebten ihren Höhepunkt mit „Mad Max 2“ und wurden mit „Mad Max 3“ in gewisser Weise zu Grabe getragen. Und obwohl es in der Zeit zwischen Teil 1 und 3 vor allem in Europa beinahe unzählige „Mad Max“ Epigonen und Endzeitvisionen gab (da sie aufgrund ihrer Settings billig herzustellen waren), gibt es in den USA nicht einmal eine eindeutige Genrebezeichnung für diese Filme. Dort ordnet man derartige Filme einfach in Science Fiction ein. Was den Stellenwert von Endzeitfilmen freilich auch ein Stück weit unterstreicht … oder eben nicht.
Für mich sind Endzeitfilme reizvolle Planspiele. Sie nehmen den Charakteren alles an bisher existenten Strukturen und Ordnung weg und versetzen sie meist in eine lebensfeindliche Umwelt, wo sich beweisen muss, welche moralischen und ethischen Regeln und Werte in den Extremsituationen noch anwendbar sind bzw. welche vollkommen überflüssig scheinen. Sind staatliche Strukturen etwa wichtiger als Essensbeschaffung oder Fortpflanzung? So erfahren wir dank Endzeitfilmen mit am ungefiltertsten, wer wir eigentlich sind.
“This is the End …” taucht nun noch tiefer in den Endzeitfilm ein und ist Ergebnis eines langjährigen Entwicklungsweges. Alles begann 2008 mit der Erstellung des Blogs www.postapocalypse.de, ins Leben gerufen durch Christian Hoffstadt und Dominik Schrey. Das Team des Blogs wuchs über die Jahre immer weiter an, man veranstaltete Tagungen und Redaktionstreffen und beschloss irgendwann, die eigene Arbeit in Buchform zu veröffentlichen. Das Ergebnis vereint nun die unterschiedlichsten Artikel zum Thema, die von wissenschaftlichen Analysen über Essays bis zum Filmgespräch reichen:
Der Inhalt von „This is the End …“
Face the Future – Imagine the Facts
Dieses Kapitel nimmt die vornehmlich amerikanischen Dokumentar- und Lehrfilme zur atomaren Bedrohung unter die Lupe und untersucht, mit welchen Mitteln diese Filme arbeiteten und wie sie mit dem Thema und der tatsächlich vorhandenen Bedrohung umgingen.
Die Ethik der Straße – Zu Cormac McCarthys „The Road“
Dieses Kapitel widmet sich dem Film „The Road“ und dessen literarischer Vorlage und fokussiert vor allem auf den Punkt, ob mit der Apokalypse auch ein Normen- und Wertewandel einhergeht.
Postapokalypse – Wow!
… ist ein Kapitel über den Reiz am Weltuntergang und stellt unsere Lust an der Angst sowie an Katastrophenphantasien in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Vergiftete Schönheit
… beschäftigt sich mit dem filmischen Schaffen von Kiyoshi Kurosawa und dessen apokalyptischer Trilogie („Pulse“, „Charisma“ „Bright Future“).
Half of the earth blew up
… ist ein Filmgespräch zu dem Film “Right at your door”, in dem die Diskutierenden vor allem auf das Thema Kommunikation eingehen (welche Rolle spielen Medien in den Endzeitfilmen, wie wird kommuniziert, …)
Jeder nur eine Gasmaske, bitte!
… befasst sich mit M. Night Shyamalans „The Happening“ und schafft es doch tatsächlich, diesem Film auch positive Seiten abzugewinnen. Wobei die Gesprächspartner letztlich auch zu dem Schluss kommen, dass der Film ein einziges Enigma sei …
Sie hören auf die Worte eines gewissen … Gott
… vereint diverse Experten zum Filmgespräch über den Film „Metropolis 2000“ und befasst sich mit Geschlechterrollen im Endzeitfilm.
Der Tag nach dem Ende
… widmet sich dem Film „Fireflash“ und wie dieser versucht, sich dem Thema Fortbestand der Menschheit anzunähern.
Nuclear Kisses
… betrachtet einen Porno („Café Flesh“) zum Thema Endzeit und fragt im Grunde, was Porno und Atomkrieg gemeinsam haben (und das ist einiges, etwa der Atomexplosionspilz als phallisches Symbol, …)
Mediale Ausgrabungen der Präatomarzeit
Dieses Kapitel rundet das Buch ab und beschäftigt sich mit „Wizards“, einem Animationsfilm vom „Fritz the Cat“ Macher Ralph Bakshi, der nach der Apokalypse spielt, die Macht der Bilder feiert und feststellt, wie leicht Böse und Gut in einer Welt ohne Ordnung verwischen können.
Eintauchen in die Apocalypse
Meine vor kurzem veröffentlichten Kritiken zu „Metropolis 2000“ und „Fireflash“ deuten es vielleicht an: „This is the end …“ schafft es definitiv, Neugier für die in dem Buch besprochenen Filme zu wecken. Es ist interessant zu sehen, wie sich die unterschiedlichsten Autoren immer wieder anders an Filme (und seien sie noch so trashig) heranwagen und sie hinsichtlich ihres Fachgebietes (die Endzeit) hinterfragen. Dabei beschleicht einen zwar immer wieder auch das Gefühl, dass man sich manchen Film durchaus schönredet – „The Happening“ sei hier als Paradebeispiel genannt – insgesamt sind die Herangehensweisen an die Filme aber durchweg erfrischend und interessant und erweitern auch die eigene Sichtweise auf die verschiedenen besprochenen Streifen.
Leicht zu lesen ist „This is the end …“ allerdings nicht, denn man merkt, dass die Macher einen wissenschaftlichen Anspruch an ihre Arbeit bzw. ihr Thema haben. Dementsprechend sind manche Artikel auch aufgemacht. Manche haben gefühlt mehr Text in den Fußnoten als im Fließtext, wieder andere scheinen ein Fremdwörterlexikon unausweichlich zu machen, um die Ausführungen vollumfänglich zu verstehen. Negatives Highlight ist dabei der ohnehin schwächste Part um „Café Flesh“, der ziemlich ziellos von mal interessanten Ansätzen (was haben Porno und Atomkrieg gemein) zu eher uninteressanten Überlegungen switcht und irgendwann nur noch aus Fremdwörtern zu bestehen scheint. Wer also wissenschaftliche Texte nicht gerne liest, dürfte mit „This is the end…“ hier und da seine liebe Not haben, sollte sich allerdings nicht grundsätzlich von der Lektüre abschrecken lassen, so ihn das Thema Endzeit im Speziellen und Filmanalyse im Allgemeinen interessiert.
Ein Wort noch zum Artwork des Buches: Dieses erinnert in seiner Aufmachung ein wenig an einen Fernsehbildschirm, bei dem ungeordnet mehrere Programme mit ihren Informationen überlappen – als würde man aufgrund einer verheerenden Nachricht auf der Suche nach Informationen hektisch durchs Programm schalten, wodurch die Bilder irgendwann ineinander zu fließen scheinen. Das Ergebnis ist eine coole Collage aus archetypischen Motiven des Genres Endzeitfilm: Atompilze, Kinder mit Atemschutzmaske, Weltkriegsbilder, brennende Städte … treffender kann man das Thema mit einem Cover eigentlich gar nicht anteasern. Topp!
Was bleibt, ist ein wirklich interessantes Buch zum Thema Endzeitfilm. Es stellt anhand einzelner, immer passender Filme oder Filmschaffender spannende Fragen zum Thema. Mal rollt es moralische Fragestellungen auf, dann kommunikationstechnische, dann evolutionstechnische usw. Und indem die Autoren so in die Filme eintauchen, erschließen sie dem Leser neue Ebenen der Filmbetrachtung. Das ist mal erhellend, mal spannend, mal anstrengend und wirkt manchmal auch, als würde doch deutlich mehr in einen Film hineininterpretiert werden, als da ist. Genau diese Mischung sorgt für einen erstaunlichen Unterhaltungswert. Erstaunlich insofern, dass die grundsätzlich wissenschaftliche Herangehensweise von „This is the end…“ eigentlich eher trockene Lektüre versprach.
Details zum Buch „This is the end…“
This is the end …: Mediale Visionen vom Untergang der Menschheit
Christian Hoffstadt (Herausgeber), Stefan Höltgen (Herausgeber)
Broschiert: 174 Seiten
Verlag: Projektverlag, Bochum;
Auflage: 1 (26. Oktober 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3897332478