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TMNT – Teenage Mutant Ninja Turtles

Originaltitel: TMNT__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2007__Regie: Kevin Munroe__Sprecher: Chris Evans, Sarah Michelle Gellar, Mako, Kevin Smith, Patrick Stewart, Zhang Ziyi, Laurence Fishburne u.a.
TMNT

“TMNT” bietet animierte Turtles-Klopperei mit den Stimmen von Chris Evans, Sarah Michelle Gellar, Patrick Stewart und Zhang Ziyi

“Vier Turtles. Vier Brüder. Genetisch wiedergeboren in den Abwasserkanälen von New York. Benannt nach den großen Renaissancemeistern und ausgebildet zu Ninjas. Sie bekämpften viele Kreaturen und Feinde, bis sie ihren Erzfeind besiegten: den Shredder. Doch nun ist etwas viel Böseres auf dem Weg, um ihre Familie zu zerstören. Etwas Böses, das vor dreitausend Jahren geboren wurde.”

So beginnt der neueste Wiederbelebungsversuch eines megaerfolgreichen Franchises aus unser aller Kindertagen. Einst geschaffen als Persiflage auf populäre zeitgenössische Superheldencomicserien, wurden die Comicgeschichten um vier mutierte und sprechende Schildkröten zu einem riesigen Undergroundcomichit, der sich zunehmend verselbstständigte und bald große Studios auf den Plan rief. Dies führte zur Domestizierung der Schildkröten und ihres Meisters Splinter, der sie in Ninjutsu unterrichtete. Die düsteren, teils sehr brutalen und komplexen Comics wurden reduziert auf den Kiddiefaktor und damit zu reinem, jugendfreiem Entertainment. Sehr erfolgreichem Entertainment. Der Zeichentrickserie folgte 1990 ein megaerfolgreicher Kinoableger, der sich überraschenderweise in seiner Düsterheit wieder deutlicher an der Comicvorlage orientierte und dennoch zu begeistern wusste. Die Folge war eine wahre Turtlesmania, begleitet von einer Merchandisingwelle sondergleichen. Soundtracks, Poster, Bettwäsche, Schulranzen, Gameadaptionen … die vier Schildkröten waren aus den Kinderzimmern dieser Welt nicht mehr herauszudenken. Doch gleichzeitig begann auch der Niedergang der Turtles. Die Folgekinofilme mutierten zu Kiddiedebakeln, die Zeichentrickserie wurde 1996 eingestellt und die Turtles gerieten (trotz eines Wiederbelebungsversuches 2003, als man einen neuen, recht düsteren TV Ableger startete) in Vergessenheit …

Ein Fakt, mit dem nun der neueste Auftritt der Schildkröten im modernen 3D CGI Gewand spielt. Denn auch im Turtlesuniversum sind einige Jahre vergangen. Der Shredder ist besiegt und die Turtles wissen nicht so recht, was sie mit ihrer Freizeit anfangen sollen. So betreibt Michelangelo hauptberuflich einen Kindergeburtstagsservice, bei dem er – welch Wunder – als Turtle auftritt und regelmäßig Wammse von den süßen Kleinen bezieht. Donatello betreibt inzwischen sein eigenes Call Center für Computerprobleme und Raphael schläft den lieben langen Tag, um am Abend als Nightwatcher allein auf Verbrecherjagd zu gehen. Und Leonardo? Leonardo befindet sich in Südamerika auf einer spirituellen Reise in sein inneres Ich, plagen ihn doch vor allem Selbstzweifel. Doch es kommt die Zeit, da müssen die vier Schildkröten wieder zusammenfinden, denn ein Industriemagnat, namens Winters, beschwört eine uralte, gefährliche Macht herauf. Diese hat mit einem Portal in eine andere Dimension, verschiedenste Monster und Unsterblichkeit zu tun … doch ist Winters wirklich der Böse in diesem gefährlichen Spiel?

httpv://www.youtube.com/watch?v=mkGWkUjBukc

TMNT ist eine herrliche Rückbesinnung auf die etwas düstereren Zeiten im Turtlesfranchise, was nicht sehr verwundert, da mit Peter Laird einer der Gründerväter des Franchises am Drehbuch beteiligt war. Dabei erreicht der Film zwar nicht die Brutalität und nihilistische Härte der Comicvorlagen, steht aber definitiv in der Tradition des gelungenen ersten Kinofilmes und fährt damit hervorragend. Die eigentliche Geschichte ist wunderbar fantastisch angehaucht und weiß durchaus zu überzeugen. Dabei spielt der Begriff Ambivalenz eine große Rolle, denn in „TMNT“ sind nicht alle Figuren das, was sie zu sein scheinen. Auch allgemein werden Grautöne groß geschrieben. So mögen die Turtles im Grunde zwar kleine Scherzbolde sein, dies hindert sie aber nicht daran, sich sogar gegenseitig auf Leben und Tod an die Gurgel zu gehen! Kurzum, wer bisher nur die Turtlestrickreihe kannte, wird sich hier vermutlich gewaltig die Augen reiben. Und wenn gegen Ende die Geschichte einige Haken schlägt, dürfte die vom Verleih anvisierte Zielgruppe (Freigabe ist immerhin ab 6) heillos überfordert sein, wird der Film hier doch deutlich komplexer und eventuell auch ein wenig zu verschroben für die ganz Kleinen. Freilich ist dies für die alten Fans der Schildkröten eher Segen denn Nachteil, denn so bleibt man wirklich gerne dran.

Und es lohnt sich. Denn man bekommt in „TMNT“ einiges geboten. So ist der Streifen bereits optisch ein echter Genuss. Zunächst wirkt der Streifen zwar ein wenig schlicht und merkt man deutlich, dass die Figuren und vor allem die Menschen deutlich stilisiert wurden und man niemals Fotorealismus in deren Bewegungsabläufen usw. herstellen konnte, doch ist man damit freilich viel näher an den Panelvorbildern als bei den Men in Suits Kinovorgängern. Von jenen übernahm man vor allem die Düsterheit der Szenerien. In „TMNT“ wird es so gut wie nie hell. Was Wunder, treiben sich unsere Lieblingsschildkröten doch am liebsten in der Kanalisation herum, um des Nächtens ihres Werkes nachzugehen. Doch auch abseits der Hauptfiguren hat es „TMNT“ nicht so mit der Helligkeit. Es regnet beständig, die Schauplätze wirken unwirtlich und kalt und die Farbpalette bleibt immer eher gedeckt. Die eigentlichen Animationen funktionieren hervorragend und glänzen vor allem in den hyperdynamischen Kampfszenen mit enorm komplexen Bewegungsabläufen und einer frei beweglichen Kamera, die dem Zuschauer mühelos Schwindelanfälle versorgen kann. So dynamische Kamerafahrten wie hier, bekam man selbst in der Creme de la Creme der aktuellen Animationshämmer nicht geboten. Und auch in den kleineren Animationskategorien weiß der Streifen zu überzeugen. Seien es Partikeleffekte bei Ninjarauchbomben, Massenszenen, die Darstellung von Wasser und Feuer. „TMNT“ präsentiert sich auf der Höhe der Zeit und hat in den Regenszenen sogar echte kleine Schmankerl zu bieten, etwa wenn das Wasser fotorealistisch an den Panzern abperlt. Die große Lightshow gegen Ende ist dann einfach nur noch Eye Candy vom Feinsten …

Einen weiteren großen Anteil am Gelingen des neuesten Turtlesstreiches hat Klaus Badelt, der hier einen Score gezimmert hat, der die letzten Actionfilmscores diverser Großmeister mühelos in die Tasche steckt! Seien es zimmertypische Hauruckelemente, fein eingewobene asiatische Elemente oder wuchtig loslegende Kodotrommeln im Kampfgeschehen, Badelt verpasst dem Animationsstreifen einen großartigen Soundteppich, den er mit aktuellen Alternativebands wie Billy Talent noch um kleine aber feine Nuancen erweitert.

Sprechertechnisch ist die deutsche Tonspur sehr gelungen. Man bemühte sich offensichtlich die Synchronsprecher der wirklich hochkarätigen Originaltonspur zu verpflichten und verzichtete auf das anscheinend immer mehr zur Gewohnheit werdende “Star”casting anderer deutscher Verleiher. Man stelle sich nur mal vor: Die Turtles mit den Stimmen von Tokio Hotel … Oh weh. Im Original wird es dann ziemlich edel. April, die Reporterfreundin der Turtles, wird von Sarah Michelle Gellar („Buffy“) gegeben. Chris Evans („Sunshine“) spricht Aprils Freund Casey, Patrick Stewart („Star Dreck se next Scheneration“) leiht sein Organ dem vermeintlichen Bösewicht Winters und unsere süße Zhang Ziyi („Godzilla vs. Kong“) vertont die Shreddernachfolgerin und damit neue Anführerin der Footgang: Karai. In weiteren Sprechrollen erlebt man im englischsprachigen Original noch Comicfan Kevin Smith („Scream 3“) und als Erzähler das sonore Organ von Laurence Fishburne („The Ice Road“).

Am Ende bekommt man eine würdige Wiederbelebung des daniederliegenden Turtlesfranchises auf die Augen, das durchaus zu unterhalten weiß, angenehm kurzweilig geraten ist und mit einer recht netten Storyentwicklung zu punkten versteht. Auch die Botschaft um die Wichtigkeit von Freunden/Familienmitgliedern wird wenig aufdringlich an das junge Zielpublikum herangetragen. Erwachsene Kindsköpfe erfreuen sich an der netten Action und dem eigenwilligen Düsterlook. Gelungen …

In diesem Sinne:
freeman



Das Selbstbewusstsein der Produzenten, so viel sei schon mal verraten, scheint grenzenlos zu sein. Denn:

Im Jahr 2007 steigen die vier ehemals als Parodie auf asiatisch inspirierte Superheldencomics erschaffenen Mutanten-Schildkröten endlich wieder aus der Kanalisation empor. Nun, nicht ganz; genau genommen entschlüpfen sie diesmal einer wesentlich sterileren Location als der Kanalisation, nämlich dem Computer. Und dies geschieht volle 14 Jahre nach dem dritten und bis dato letzten Realfilm-Abenteuer, das man noch im Kino bewundern konnte.

Dabei wird so getan, als sei der 90er-Jahre-Boom um die Kreation der Comiczeichner Peter Laird und Kevin Eastman nie abgekühlt. Die Eröffnung von “TMNT” erinnert frappierend an den zweiten “Ghostbusters”: das ehemalige Team ist in alle Windesrichtungen verstreut, einige arbeiten noch zusammen, andere haben sich selbstständig gemacht. Es fehlt nicht einmal die Selbstparodie um den Figurenkult… wo Ray und Winston am Anfang von “Ghostbusters II” in Dienstkleidung auf Kindergeburtstagsparties erscheinen, um zu Ray Parker Jr.s Titelsong lustlos die Hüften kreisen zu lassen, geht die orangefarben maskierte Schildkröte Michelangelo exakt der gleichen Berufung nach, nur mit der Übersteigerung, auf den echten Schildkrötenschädel eine Schildkröten-Latexmaske setzen zu müssen. Wider Erwarten beginnt der Turtles-Film für das Postmillennium nicht mit einer behutsamen Einführung in die alten Gewohnheiten, etwa durch eine im Zeitraffer erzählte “Was bisher geschah”-Pretitle-Sequenz, sondern mit Selbstreflexion. Ein gnadenloser Wurf ins kalte Wasser – als habe sich der Zuschauer gefälligst an die überlebensgroßen “Teenage Mutant Ninja Turtles” zu erinnern.

Wie gesagt, das Selbstbewusstsein der Produzenten scheint grenzenlos zu sein.

Und es ist zunächst mal gerechtfertigt, denn dieser Film nimmt sich vor, die von Pixar, Dreamworks & Co. zelebrierte Honigkuchenwelt aufzubrechen. Für den Computeranimationssektor bedeutet der neue Turtles-Film in zweierlei Hinsicht eine Horizonterweiterung. Erstens hinsichtlich der Optik, die eine gewisse Düsternis zu generieren imstande ist, weil lobenswerterweise versucht wurde, den Comics mehr Tribut zu zollen als es die Kindertrickserie aus den späten Achtzigern tat. Zweitens hinsichtlich der Tatsache, dass nun eine etablierte Franchise in die autarke Welt der digitalen Geschöpfe eindringt. Und das bedeutet, dass von außen Regeln eingeführt werden, die nicht unbedingt mit der Allzweckformel “sprechende Tiere in heiterer Welt + lustige Dialoge in rührseliger Story = Erfolg auf ganzer Linie” kompatibel ist. Das hier dargestellte New York ist von schwarzen Schatten verschluckt und von zwielichtigen Gestalten bevölkert und es entstammt der Dimension anspruchsvoller, in New York spielender Comicadaptionen: Spider-Man, Daredevil, aber auch die Ghostbusters und eben die Real Movie-Turtles leben im hier dargestellten New York, demjenigen, das eben auch auf einem Abwassersystem erbaut ist.

Schade, dass die ansprechende Ausgangskonstellation allzu fahrlässig verspielt wird. Denn bei aller zur Schau getragener Düsternis, obwohl allzu kindgerechte Schwarzweißzeichnungen vermieden werden und sogar ein Bündnis vorkommt, das an “Blade 2” erinnert, im Herzen ist dieser Film eben doch nur ein Kinderfilm, beginnend beim Animationsstil.

Der nämlich ist allenfalls bei den vier Protagonisten als gelungen zu bezeichnen. Auch geht es nicht einmal um die Animationsqualität per se, denn Schatten- und Regeneffekte werden ebenso professionell eingesetzt wie eine dynamische Kamera, der es gelingt, sehr schnelle Sequenzen ausgesprochen ästhetisch einzufangen. Ein in der Laufzeitmitte stattfindender Kampf zwischen Leo und Raphael auf einem Hausdach bei prasselndem Regen setzt sogar ein echtes Highlight, dessen Zusammenspiel von Schnitt, Kamerafahrt und aufwendigen Regeneffekten absolut beeindruckend ist. Das Problem liegt in erster Linie bei den menschlichen Akteuren, die derart reduziert und vor allem kindlich animiert sind, dass die Barbie-CGI-Filme erschreckenderweise nur noch einen Schritt weit entfernt sind. Die extrem vereinfachten menschlichen Gesichter passen ganz einfach nicht zur charakterlichen Ambivalenz der meisten Figuren, was zur Folge hat, dass der komplette Film unter einer unausgewogenen Animation zu leiden hat insofern, als dass der düstere Look und die inhaltlichen Grauzonen sich nicht mit den menschlichen Wonneproppen vertragen, die eher als Interieur in die Märchenwelt von “Shrek” passen würden.

Wie angedeutet, kann man die vier Schildkröten ob ihrer physischen Präsenz und aerodynamischen Ästhetik von der Kritik ausnehmen, nicht jedoch ihren Sensei Splinter, der äußerlich wiederum von “Over the Hedge” in die Kanalisation gelangt zu sein scheint, geht man nach dem kubistischen Design seines Gesichtes. Eine gelöschte Szene auf der DVD verrät, dass die Gefahr bestand, Splinter auch in Sachen Figurenzeichnung einem Dreamworks-Abenteuer anzunähern; seine Würde und Weisheit durfte er allerdings letztendlich, wie immer mit einem Schuss Selbstironie (offenbar steht der Sensei auf die “Gilmore Girls”), behalten.

Gerne jedoch hätte man noch mehr Ansichten aus dem Innenleben der – man kann es wohl so ausdrücken – dysfunktionalen Familie aus der Kanalisation gesehen. In seiner kurzen Laufzeit konzentriert sich “TMNT” allzu stark auf seinen (ziemlich schwachen) Plot, der hauptsächlich über rasante Außenverfolgungsjagden vorangetrieben wird; zu wenig Zeit jedoch wird auf die kleinen Dinge des Lebens verwendet: Pizzen, Fernsehen und Computerspielautomaten. Die Gruppendynamik zwischen den vier Schildkröten ist das eigentlich Interessante an der Reihe, das lässt auch der vierte Kinofilm spüren, denn die Auseinandersetzungen zwischen Leonardo und Raphael sind, wenngleich im Grunde nur ein alter Hut, das mit Abstand interessanteste Element in der ganzen Storyline. Vielleicht wirkt der erwähnte Regenkampf in erster Linie auch deswegen so stark nach, während die Geschichte um die dreizehn Monster abgesehen von einem guten Gag (“Weißt du, was ich ein euch unsterblichen Steintypen so hasse? Ihr seid unsterblich und aus Stein.”) schnell vergessen ist, inklusive der Blitz- und Donnereffekte und der sterilen Gegenspieler. Die stellen übrigens unter Beweis, wie sehr die “Turtles” dann doch abhängig sind von ihren Erzfeinden Shredder und Krang. Bei aller Eigenständigkeit.

So wäre ein zweiter Teil (wie schon mal kurz vor Schluss rotzfrech angekündigt) sicherlich eine tolle Sache, aber es würde gelten, einige Baustellen auszubessern. Es bräuchte passendere Animationen der menschlichen Gesichter, mehr Platz für Nichtigkeiten (man wünscht sich die Diskussionen über den Pizzabelag geradezu herbei), markantere Gegenspieler (falls möglich aus der dunklen Comic-Vergangenheit) und eine spannendere Geschichte, die deutlich weniger Luftblase ist. Die düstere, ambivalente Grundausrichtung hingegen sollte weiterhin verfolgt werden, dann könnte die Franchise endgültig auf ein neues Level durchstarten.

© Sascha Ganser (Vince)



14 Jahre nach dem letzten Teil der ersten „Turtles“-Realfilm-Trilogie erschien mit „TMNT“ ein neuer Film, teilweise auch als Part IV angekündigt, nun aber als vollkommen animiertes Projekt, das aber ein Einzelstück blieb – 2014 kam es zum erneuten Reboot im Kino.

Die 2007er Version spielt bewusst nach bekannten Ereignissen: Shredder ist besiegt, der Footclan arbeitet inzwischen als Söldnertruppe. Also haben auch die Turtles neue Betätigungen gesucht: Leonardo trainiert im südamerikanischen Dschungel, um ein besserer Anführer zu werden, Technikspezialist Donatella betreibt sein eigenes Callcenter für IT-Probleme und in einer Art „Ghostbusters 2“-Anspielung tritt Michelangelo als Entertainer im überdimensionierten Schildkrötenkostüm auf Kindergeburtstagen auf – ohne dass jemand weiß, dass ein echter Turtle sich verkleidet hat. Raphael hingegen verschläft die Tage, um nachts als Nightwatcher weiter Schurken zu stellen, ohne dass seine Brüder davon wissen. Mit diesem Split der teilweise lustigen, teilweise düsteren Betätigungen der Turtles zeigt „TMNT“ seinen Status als Zwitterwesen zwischen verschiedenen Stilrichtungen.

Die Schurkenseite bewegt sich ebenfalls weg von bekannten Shredder/Krang/Beebop/Rocksteady-Pfaden und setzt auch asiatische Mythologie: Dereinst wollte der Krieger-König Yaolt die Welt erobern und durch die Beschwörung während einer bestimmten Sternen-Konstellation Unsterblichkeit erlangen. Letzteres gelang, doch seine vier Generäle erstarrten zu Steinfiguren und 13 gefährliche Monster kamen aus einer anderen Dimension auf die Erde.

April O’Neil ist derweil ins Importgeschäft eingestiegen und verschafft dem Geschäftsmann Winters ein seltenes Artefakt. Bei diesem handelt es sich jedoch um niemand anderen als den unsterblichen Yaolt. Und der will eine erneute Beschwörung veranstalten, wenn sich jene Sternen-Konstellation wieder ergibt, bei der er vor 3.000 Jahren das Tor zu der anderen Dimension öffnete…

Krieger-Könige, Monster, Bruderzwist unter den Turtles, April und ihr Freund Casey Jones mit eigenem Handlungsstrang – „TMNT“ nimmt sich ganz schön viel vor dafür, dass er nur etwas mehr als 80 Minuten läuft. Und das merkt man dem Ergebnis leider schmerzlich an. Casey und April verkommen zu weniger als Sidekicks, zu puren Randfiguren, die mal hier und da Schützenhilfe leisten. Warum April von einer Reporterin zur Importeurin umsattelte, wird ebenso wenig thematisiert wie die Tatsache, dass sie im Finale in bester Ninja-Manier an der Seite von Casey und den Turtles mitmischen kann. Auch wenn man die Eigenschaften der Turtles besser herausstechen lässt als manch andere Adaption des Stoffs, entsteht ein klares Ungleichgewicht: Der besonnene Tüftler Donatello und der die Öffentlichkeit suchende Kindskopf Michelangelo werden eher zu Comedic Sidekicks, während der Clash zwischen dem abwesenden Anführer Leonardo und dem Hitzkopf Raphael einer der zentralen Handlungsstränge ist, der allerdings banal aufgelöst wird: Als Leonardo von den Schurken entführt wird, ist aller Zwist vergessen und die Rettung angesagt.

Wenig besser sieht es beim Mainplot aus. Der hat zwar ein paar gelungene Ambivalenzen in Sachen Schurkenfiguren und deren Motivation zu bieten, doch der ganze Background um die andere Dimension, die Monster und Winters‘ Leben seit dem Verlust seiner Armee und dem Erlangen der Unsterblichkeit wird in wenigen Nebensätzen bestenfalls angerissen und bleibt daher unbefriedigend erklärt. Noch dazu hat das Ganze so viel ungenutztes Potenzial: Von den 13 Monstern taucht mal hier oder da eines auf, die meisten werden schnöde offscreen gefangen und spielen kaum eine Rolle. Die vier Steingeneräle sind komplett austauschbar und nur deshalb zu viert, damit jeder Turtle einen Gegner im Showdown hat – aber auch hier sind die Fights so unübersichtlich inszeniert, dass man kaum mitbekommt, welcher Turtle gerade gegen welchen General kämpft. Letztendlich ist es auch egal.

So gehört der Showdown eh zu den Schwächen des Films, da sowohl das Gehaue mit den Generälen als auch ein Massenprügelei mit den Schergen des Footclan ausgesprochen wuselig daherkommen und kaum memorable Momente besitzen. Die haben dagegen zwei Konfrontationen gegen Ende des zweiten Drittels: Der düstere Bruderkampf zwischen Leonardo und Raphael/Nightwalker gefällt schon durch gute Choreographie und packende Inszenierung, noch einfallsreicher ist ein mehr auf Humor ausgelegter Fight zwischen Raphael und einem an einen Einsiedlerkrebs gemahnenden Monster in der Küche eines Diners. Wie das kleine Wüterich-Biest den wesentlich größeren, in der Nightwalker-Rüstung steckenden Ninjakämpfer in die Bredouille bringt, das ist schon echt großes Tennis.

Technisch kann man „TMNT“ wenig vorwerfen. Die Animationen sind detailreich, wenn auch eher comichaft gehalten. Man bemüht sich nicht um Fotorealismus, sondern lässt die Turtles eben Comicfiguren sein, was bei ihnen, Splinter und den Monstern vorzüglich funktioniert, die menschlichen Charaktere aber eher wie klobige Fremdkörper erscheinen lässt. Dazu kommt ein starker Voice-Cast, in dem allerdings gerade die Stars eine untergeordnete Rolle spielen. Chris Evans („Avengers: Endgame“) und Sarah Michelle Gellar („Scream 2“) als Casey und April leihen „TMNT“ zwar ihre Namen und ihre markanten Stimmen, haben aber enttäuschend wenig beizutragen – auch Nerd-Ikone Kevin Smith („Stirb langsam 4.0“) als Diner-Koch in Not hat nur unwesentlich weniger Screentime. Eine große Freude dagegen ist der Auftritt von Patrick Stewart („X-Men“), der Winters mit unheimlichem Charisma spricht. Guten Support liefern Laurence Fishburne („John Wick 3“) als Erzähler, Mako („Rise: Blood Hunter“) als Splinter und Zhang Ziyi („The Cloverfield Paradox“) als Footclan-Chefin, doch die Hauptarbeit machen die Turtles-Sprecher James Arnold Taylor, Nolan North, Michael Kelley und Mitchell Whitfield. Diese sind allerdings auch Synchronprofis, nur eben ohne großen Starstatus.

Während stimmlich also alles passt, ist der Ton des Films an sich etwas unentschlossen. Denn einerseits versucht man den düsteren Ursprungscomics etwas mehr nachzueifern, die wenig kindgerecht waren, gerade in den Vigilante-Szenen um Raphael und seine Nightwalker-Persona oder den Plänen der Schurken. Andrerseits wird all das immer wieder humoristisch gebrochen, gerade die Monster erscheinen im späteren Verlauf weniger als gefährliche Menschenkiller und mehr als Gegner für Slapstickfights, so gelungen die Wemmserei im Diner auch sein mag.

So hinterlässt „TMNT“ auch einen eher zwiespältigen Eindruck: Mit rund 80 Minuten ist der Action-Animationsfilm recht flott und kurzweilig, lässt aber dadurch sehr viele Storyelemente links liegen und führt diese nur unzureichend aus, er ist mal düster und ernst, nur um dann an anderer Stelle eher locker und albern daherzukommen. Eine eigenwillige Mischung, nicht ohne Reiz, aber auch nicht komplett gelungen.

© Nils Bothmann (McClane)

Die deutsche DVD und Blu-ray von Tobis/Universum kommt mit einer FSK 6 uncut und in bestechender Bild- und Tonqualität. Die Extras sind leider etwas dürftig und vor allem werbelastig geraten.

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