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Toll trieben es die alten Römer

Originaltitel: A Funny Thing Happened on the Way to the Forum __Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1966__Regie: Richard Lester__Darsteller: Zero Mostel, Phil Silvers, Michael Crawford, Jack Gilford, Annette Andre, Buster Keaton, Michael Hordem, Leon Greene, Patricia Jessel,, Inga Neilsen u.a.

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Toll trieben es die alten Römer Cover

Das Cover der Blu-ray-Edition von “Toll trieben es die alten Römer”.

„A Funny Thing Happened on the Way to the Forum“, platzt es auf einmal aus unserem Begleiter heraus. Obacht: Er verwendet hier das Epische Präteritum, eine Vergangenheitsform, die den Gegenwartsbezug herauszustellen vermag. Wir werden dadurch unmittelbar in die Zeit des alten Roms zurückversetzt, als spazierten wir gerade höchstpersönlich in eine Toga gewickelt über die gepflasterten Marktstraßen der Innenstadt. Tja, wo wir schon mal vor Ort sind, können wir ihn ja auch einfach mal fragen, was denn so für merkwürdige Dinge auf dem Weg zum Forum passiert sind. Und da trällert er auch schon los: „Something familiar, something peculiar, something for everyone – a comedy tonight!“

Ungerührt vom deutschen Titel „Toll trieben es die alten Römer“, der das Gegenwärtige in der Vergangenheitsform wieder ein wenig übertüncht und stattdessen die historische Lesart in den Vordergrund rückt, macht Richard Lesters Sandalenkomödie vom ersten Takt an den Anschein, just in diesem Moment erst Geschichte zu schreiben. Kulissen und Statisten wirken wie für die Theateraufführung des Tages zurechtgerückt, als sei soeben der Vorhang gefallen, und mit ihm – Alea Iacta Est – die Würfel. Hauptdarsteller Zero Mostel, der als Sklave Pseudolus fast schulterzuckend in das alltägliche Treiben seines Volkes einführt, verpasst einem gleich zum Einstieg einen fetten Ohrwurm, der im Grunde nichts anderes ist als die vertonte Materialisierung des Hier und Jetzt. Wie sonst definiert sich wohl das Präsens in all seinem Geltungsbedürfnis, wenn nicht durch einen nervigen Song mit Humpa-Humpa-Rhythmus, der einem gerade in Dampfgeschwindigkeit durch die Hirnfalten gepustet wird?

Toll trieben es die alten Römer

Pseudolus (Zero Mostel) beim Pläneschmieden.

Lester legt nach seinem Regiedebüt „Twen-Hitparade“ (1961) und seinen beiden Beatles-Filmen („Yeah! Yeah! Yeah!“, 1964; „Hi-Hi-Hilfe!“, 1965) also einen weiteren Musicalfilm nach, verwendet die Musik aber erstmals nicht als eigentlichen Hauptgegenstand, sondern vielmehr als filmisches Schmiermittel, um in die Welt des geschichtlichen Themenfilms zu schlittern, die ihn geradewegs durch die Tore des Römischen Reichs befördert. Gefüllt mit allerhand wunderbaren Knautschvisagen, darunter Michael Hordern, Jack Gilford, Michael Crawford, Leon Greene und natürlich Zero Mostel in der Hauptrolle, der mit einigen besonders markanten Gesichtsverrenkungen auf sich aufmerksam macht, wird daraus eine wahre Orgie der situativen Komik, angereichert mit narrativen Brandbeschleunigern wie Jump-Cut-Daumenkino und Fast-Forward-Sequenzen, die deutlich an die Stummfilmzeit anknüpfen. Nicht nur deswegen sticht der Name Buster Keaton ganz besonders aus dem Cast heraus, war die hier absolvierte Nebenrolle des damals bereits schwer an Krebs erkrankten ehemaligen Stummfilmstars doch seine letzte überhaupt.

Was zunächst auf ein konfuses Knäuel aus schnellen Gagsalven hindeutet, wird tatsächlich sehr behutsam aufgebaut, wenn man genauer hinschaut. Die Ereignisse des ersten Akts könnte man fast schon als Stadtführung bezeichnen. Die Figuren werden von Stadtführer Pseudolus nicht bloß mit Namen vorgestellt, auch ihre Funktion im völkischen Sinn wird soweit ausgeführt, dass am Ende ein schlüssiges Konstrukt aus Handels- und Privatbeziehungen entstanden ist, das wie ein kleines Ökosystem innerhalb der gezeigten Epoche anmutet. Die Darstellungsmittel reichen dabei bisweilen ins Fach der absurden Komödie, die sich viel vom Surrealismus borgt; da kann es dann auch mal darum gehen, einen besonderen Schlaftrunk aus Pferdeschweiß anzurühren, so dass man bei der anschließenden Jagd auf den Schweiß vielleicht sogar auf ein Pferd im Dampfbad stößt.

Toll trieben es die alten Römer

Im alten Rom waren Dampfbäder noch gemischtrassig.

Eine sattelfeste Handlung im Sinne echter römischer Tragödien beziehungsweise Komödien ergibt sich im Anschluss der Rundführung als Konsequenz der Entschlossenheit des Pseudolus, sein Sklavendasein zu beenden. Klassische dramaturgische Mittel wie Begierde, Manipulation und Tücke sind daraufhin die treibenden Kräfte des Lustspiels, das sich bei weitem nicht nur zu Boden abspielt, sondern manchmal auch auf Häuserdächern bis hinein in die obersten Ebenen der umliegenden Aquädukte. Der Humor ist, nicht nur was die Mimik der Akteure angeht, von ausgesprochen physischer Natur. Er unterliegt nicht zwingend den statischen Abbildungszwängen einer Parodie, wie so einiges, was Mel Brooks (“Silent Movie“, 1976) eine Generation später mit allerhand Genres ausloten würde, sondern flüchtet sich fast ausschließlich in die Bewegung, stromert zwischen den betont künstlichen, aber überaus hübschen Kulissen umher und sucht dort nach geeigneten Nischen für allerhand Stunts, Täuschmanöver und Verwechslungssituationen, die sich im Laufe der 90 Minuten ergeben.

Auch gibt es Ähnlichkeiten zwischen „Toll trieben es die alten Römer“ und dem ein Jahr später veröffentlichten Filmdebüt von Comicheld Asterix („Asterix der Gallier“, 1967), die keineswegs beim Ambiente haltmachen, sondern durchaus auch das Humorverständnis betreffen, das oftmals gar nicht so offensiv ausfällt wie die Dynamik auf der Leinwand sich präsentiert, sondern gelegentlich hintergründig zur Entfaltung kommen kann. Maskiert ist es nicht selten durch die Lyrik aus den Liedtexten, die zu Liedgut gehören, in dem das Opernhafte bis Volksnahe so herzlich überdehnt wird, das wohl selbst Musical-Hasser eine Chance haben, sich damit anzufreunden. Stephen Sondheim hat da wieder ganze Arbeit geleistet. Das gilt für die Originaltonspur ohnehin, mit ein bisschen Toleranz aber durchaus auch für die vollständige deutsche Lokalisierung der Liedtexte, die es zwar in Sachen Lippensynchronizität und inhaltlicher Übersetzung nicht immer so genau nimmt, jedoch Sprecher-Sänger mit reichlich Timbre einsetzt, die den Originalen bestmöglich nacheifern, so dass zumindest der Schwung erhalten bleibt.

Toll trieben es die alten Römer

Wer braucht denn schon Teller und Besteck?

Nun ist ja Humor immer Geschmackssache, an dem gesunden Mittel aus Sittengemälde und einfacher Unterhaltung des Pöbels ist jedoch auch rein nüchtern betrachtet nicht viel auszusetzen, zumal Entgleisungen selbst dann ausbleiben, wenn ein Streifzug durch die römischen Bordelle ansteht. Dass die Schüsse sich gelegentlich auch mal im Blau des Himmels verlieren, liegt in der Natur der Sache, wenn man mit so viel Tempo unterwegs ist, oft genug jedoch sind auch Einschläge auf der Zielscheibe zu feiern, was viel damit zu tun hat, wie die Darsteller ihre Rollen auskosten. Zero Mostel ist zu köstlichen Übertreibungen in der Lage, wie sie vor einem Regelwerk nach Vorbild der heiteren Ludi Scaenici nur angemessen erscheinen.

Bis in den illustrierten Abspann hinein bleibt „Toll trieben es die alten Römer“ damit seiner Linie des neckischen Kabaretts voller spontaner Unmittelbarkeit treu, das im eigentlichen Akt der Bewegung viel schillernder, viel lebendiger erscheint als sein eher unauffälliger Leumund im Kontext der Filmgeschichte vermuten ließe. Irgendwie passt das zu einem Film, der gar nicht so sehr Film sein will, sondern das Archivarische lieber eintauschen möchte gegen den Augenblick des Moments, der eben auch im antiken Rom, das von Liebe, Leben und Hinterlist beflügelt ist.

7 von 10

Informationen zur Veröffentlichung von “Toll trieben es die alten Römer”

Filme aus dem Wicked-Vision-Katalog, die in der Erstauflage nicht als Sammleredition in Sonderverpackung oder als Teil einer Reihe veröffentlicht werden, kann man beinahe an einer Hand abzählen. Der letzte Titel dieser Art könnte „Blackout – Ein Detektiv sucht sich selbst“ gewesen sein, der im Februar 2022 in schlichter Keep-Case-Aufmachung erschien. „Toll trieben es die alten Römer“ ist nun zwei Jahre später die nächste Komödie aus dem MGM-Bestand, die auf diese Art das Budgetpreissegment zu erreichen versucht – und damit mutmaßlich eine breitere Käuferschicht.

Erstmals auf Disc erschien Richard Lesters Regiearbeit Anfang 2004, damals noch als international gemasterte DVD direkt von MGM. An Bord waren neben dem englischen Originalton und der deutschen Synchronisation auch Französisch, Italienisch und Spanisch sowie etliche Untertitel, an Extras hingegen lediglich der Kinotrailer.

Die Verpackung

Toll trieben es die alten Römer

Blu-ray und DVD bieten unterschiedliche Motive und sind auch jeweils mit eigenen Wendecovern bestückt.

Allzu viel hat sich in Sachen Ausstattung nicht getan, das Drumherum wurde hingegen wie erwartet aufpoliert. Wicked Vision bietet auch eine separate DVD-Neuauflage an, zur Besprechung liegt jedoch die – mutmaßlich inhaltsgleiche – Blu-ray vor, die in einem transparenten Scanavo Case geliefert wird. Erfreulich, aber fast schon obligatorisch ist die Tatsache, dass das grüne FSK-Logo lediglich außen auf der Verpackungsfolie angebracht wird und so daran gehindert wird, das herrlich detailreiche Comic-Cover zu überdecken, bei dem es sich um die aufbereitete Version eines Originalmotivs handelt. Die von zwei Pferden mit römischen Streitwagen angeführte Parade verläuft in Form eines spiegelverkehrten C vom oberen linken Rand auf die rechte Seite und steuert flugs auf die Leerstelle zu, an der normalerweise das FSK-Logo geprangt hätte. Wer da gleich an das Poster von Stanley Kramers „Eine total, total verrückte Welt“ (1963) denken muss, liegt nicht ganz falsch, denn Comiczeichner Jack Davis war für beide Motive verantwortlich. Damit ist auch gleich schon die Marschrichtung vorgegeben, denn man wird wohl kaum anders können als bei einer solchen Zeichnung an groß aufgezogene Ensemble-Star-Comedy zu denken, und obwohl der Cast insgesamt trotz des Buster-Keaton-Coups vielleicht etwas weniger namhaft ist als bei der Konkurrenz, ist die Stimmung des Films damit schon mal vortrefflich eingefangen.

Wer dennoch lieber ein anderes Motiv hätte, darf den Einleger gerne wenden und so ein alternatives rotes Artwork freilegen, das eher den Charme der späteren Monty-Python-Filme bedient. Auch hier handelt es sich um ein Originalmotiv. Schön, dass in beiden Fällen zwar der deutsche Titel „Toll trieben es die alten Römer“ prominent platziert ist, der englische Titel „A Funny Thing Happened on the Way to the Forum“ aber in dezenter Kleinschrift ebenfalls abgedruckt ist. Das Wendecover liefert dann noch eine Inhaltsangabe, eine kurze Einordnung, die Credits und Angaben zur Ausstattung, die wieder mit thematisch passenden Details akzentuiert sind (eine römische Säule im Hintergrund, Reliefmuster als Trennelemente).

Menüs und Präsentation

Beim Einsprung ins Hauptmenü wird im Anhang des Disclaimers noch mit der längst liebgewonnenen Schrulligkeit davor gewarnt, dass man bei Nichtbeachtung der Rechtehinweise von Heros Mutter Domina den „Sklavenarsch versohlt“ bekommt, bevor man auch schon im Hauptmenü landet. Das wartet mit einer putzigen Menüführung auf, bei der eine Fliege den Menüpunkt markiert, was eine Anspielung auf einige Szenen darstellt, in denen man das Summen vor lauter Fliegen am Set regelrecht spüren kann.

Der Ton

Dass der Eröffnungssong während des Disclaimers in Englisch abgespielt wird und im Menü dann in Deutsch, erlaubt dem Zuschauer bereits einen kurzen Direktvergleich zwischen Original und Synchro, so dass man bei der folgenden Auswahl der Tonspur schon eine praktische Entscheidungshilfe hat. Andere Sprachen der alten MGM-DVD außer Englisch und Deutsch wurden erwartungsgemäß wegrationalisiert. Üblicherweise ist es bei einem Musical ja immer ratsam, auf den englischen Ton umzusteigen, und grundsätzlich gilt diese Faustregel auch hier. Wie in der Hauptkritik bereits angemerkt, wurden in der deutschen Fassung auch die Gesangspassagen mit übersetzt, so dass fast schon zwangsläufig Details im Wortwitz verloren gehen. Dessen ungeachtet kann sich auch die deutsche Fassung ob der durchaus überzeugenden Gesangsperformance hören lassen, hier ist keineswegs eine katastrophale Vertonung wie etwa bei den meisten jüngeren Disneyfilmen zu befürchten, die üblicherweise gefüllt sind mit dünnen Stimmchen, wovon hier nicht die Rede sein kann. Dünn sind in der Synchronisation lediglich manchmal die Hintergrundgeräusche, die zugunsten der Dialoge stark reguliert wurden, derweil man im O-Ton immer noch viele Details von den hinteren Rängen der Kulisse vernehmen darf. Untertitel liegen in Deutsch und Englisch vor, auch wenn lediglich die deutschen auch auf dem Backcover vermerkt sind.

Schaut in den Trailer von “Toll trieben es die alten Römer”

Das Bild

Das körnige, kontrastreiche Technicolor-Bild fühlt sich vor allem in den Beige-Braun-Grau-Rot-Spektren heimisch, die dem Film seinen unverwechselbaren Charakter verleihen, gelegentlich erweitert durch das Azurblau des Himmels, das Grün der umliegenden Wälder oder die Farbtupfer der römischen Trachten. Die Farben wirken stets kräftig und die Konturen von Darsteller und Kulisse sind prägnant gezeichnet, fast wie in einem Comic mit starkem Tuschestrich. Das insgesamt durchaus scharfe und saubere Bild kann manchmal etwas grob wirken, weil Korn und Kontrast so stark wirken, zum besonderen Seherlebnis dieses Films trägt dieser Eindruck aber nur bei.

Die Extras

Dass sich bei den Extras nicht viel getan hat, ist natürlich schade. Neben dem unbearbeitet wirkenden Kinotrailer, der vor Schmutzpartikeln wimmelt und dessen Farben auch nicht so kräftig sind wie beim Hauptfilm, gibt es noch eine rund neunminütige, musikalisch unterlegte Bildergalerie, die von internationalen Postern über DVD-Cover bis zu Werberatschlägen und Aushangfotos eine Menge Material zu bieten hat; insgesamt 108 Bilder sind hier zu sehen. Damit endet dann aber auch schon die Zusatzausstattung.

Fazit

Für den Budgetpreis von rund 15 Euro für die Blu-ray und 10 Euro für die DVD zum Start kann man aber nicht meckern, zumal das Drumherum mit Verpackung, Präsentation und technischer Ausstattung einmal mehr ansprechend geraten ist. Bestellen kann man bei etlichen Zweithändlern oder auch direkt im Wicked-Vision-Shop (die Blu-ray hier, die DVD hier).

Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision__FSK Freigabe: FSK12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja

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