Originaltitel: Without Remorse__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Stefano Sollima__Darsteller: Michael B. Jordan, Jodie Turner-Smith, Jamie Bell, Guy Pearce, Lauren London, Jacob Scipio, Todd Lasance, Jack Kesy, Lucy Russell, Cam Gigandet, Luke Mitchell, Brett Gelman u.a. |
Ursprünglich sollte „Tom Clancy‘s Gnadenlos“, dem zwecks Wiedererkennungswert der Name des Autors in den Titel gegeben wurde, im Kino laufen, Paramount verkaufte den Actionthriller dann jedoch an Amazon. Die griffen dankbar zu, haben sie doch auch die erfolgreiche „Jack Ryan“-Serie im Programm – künftige Cross-Over sind also nicht auszuschließen.
Dass man Clancys Namen so prominent einbringt, mag auch daran liegen, dass vom Roman in erster Linie das Grundgerüst des Elitesoldaten auf Rachefeldzug blieb. In der Vorlage ist der John Kelly ein Veteran, der sich in eine Prostituierte verliebt und deren drogendealende Zuhälter umbringt, als diese die Frau töten. In einem Sideplot gelangt er wieder in die Welt der Geheimdienste. Im Film ist John Kelly (Michael B. Jordan) ein aktiver Navy Seal, den man in der Auftaktsequenz beim Einsatz in Syrien sieht, der schon mit Bedeutung aufgeladen ist. Die vermeintlichen einheimischen Kidnapper ihrer Zielperson erweisen sich als russische Elitesoldaten, der CIA-Kontakt der Seals, Robert Ritter (Jamie Bell), weiß mehr über die Mission als er zugibt.
Kelly kehrt zu seiner Ehefrau heim, doch das Familienglück hält nicht lang: Mitglieder des Seal-Teams werden von Unbekannten ermordet. Als die Killertruppe in Kellys Haus eindringt, kann dieser mehrere Angreifer töten, jedoch erst, nachdem diese seine Frau Pam (Lauren London) auf dem Gewissen haben. Kelly kommt schwer verletzt ins Krankenhaus, das Gesicht eines flüchtigen Angreifers vor Augen. Seine Vorgesetzte Karen Greer (Jodie Turner-Smith) ist eine große Hilfe – erfreulicherweise ohne dass der Film sie direkt als mögliches Love Interest installiert. Sie bleibt einfach eine Freundin und Waffengefährtin des Helden.
Nach seiner Genesung sucht Kelly auf eigene Faust nach den Mördern und stößt auf eine Spur, die nach Russland führt, muss allerdings für die Tötung eines russischen Diplomaten bei seiner Spurensuche in den Knast. Dort macht ihm Verteidigungsminister Thomas Clay (Guy Pearce) ein Angebot: Der Ex-Soldat darf für begrenzte Zeit raus, um sich einer Mission anzuschließen, welche die Hintergründe der Verschwörung aufdecken soll, der seine Frau zum Opfer fiel…
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Regisseur Stefano Sollima („Suburra“) und Drehbuchautor Taylor Sheridan („Wind River“) arbeiteten nicht nur bereits bei „Sicario 2“ zusammen, sondern stehen auch bei ihren sonstigen Arbeiten für geerdetes Action-, Crime- und Thrillerkino der alten Schule. So erinnert „Tom Clancy‘s Gnadenlos“ dann auch an diverse Genrefilme der 1990er, vor allem natürlich an den ersten Zyklus der Clancy-Verfilmungen. Wie so oft bei dem Autor sind persönlichen Geschichten und Weltpolitik miteinander verbunden, der Hintergrund mit dem möglichen bewaffneten Konflikt der Supermächte USA und Russland hat einerseits etwas vom Kalten Krieg, wirkt andrerseits allerdings noch immer beängstigend aktuell. Die Technologie, welche Helden und Schurken einsetzen, ist auf dem neuesten Stand, das Feeling des Films jedoch angenehm Old School.
Allerdings kann auch das nicht ganz übertünchen, dass „Tom Clancy‘s Gnadenlos“ dramaturgisch nicht ganz so rund läuft wie von Sheridan gewohnt. Die Exposition dauert ein wenig lang, die Trauerphase des Helden (inklusive Traumerscheinungen der getöteten besseren Hälfte) ist etwas ausgewalzt dafür, dass man seine Ehefrau im Film kaum kennenlernt und sie primär für den berühmt-berüchtigten Anlass im Racheplot da ist. Auch die Schlussphase strauchelt ein wenig, wenn der Film seine Verschwörung enttäuschend simpel und banal aufdröselt: Der eine Russland-Einsatz bringt die Lösung schon beim geplanten Zugriff und durch ein sehr freiwillig gegebenes Geständnis – die große Schwierigkeit besteht danach am Leben zu bleiben. Noch dazu läuft „Tom Clancy’s Gnadenlos“ nach diesem Quasi-Showdown rund 20 Minuten weiter, in denen Kelly noch den letzten Hintermann zur Rechenschaft zieht und man noch ein paar Spuren für Sequels auslegt. Man hat vom Superheldenkino gelernt, also gibt es eine Mid-Credit-Sequenz, in der nicht die Gründung der Avengers oder der Justice League, sondern jene der Spezialeinheit Rainbow Six angekündigt wird.
Trotz dieser kleinen Schönheitsfehler läuft der Plotmotor von „Tom Clancy‘s Gnadenlos“ auf routinierte wie kurzweilige Weise, bietet saubere Standardkost mit den typischen Clancy-Trademarks. Neben den bösen Butzemännern aus dem Ausland gibt es auch noch mögliche Verräter und Verschwörer in den eigenen Reihen, gerade wenn die CIA oder andere Geheimdienste involviert sind. Mit Ritter, Clay und CIA-Direktorin Dillard (Lucy Russell) laufen mindestens drei verdächtige Gestalten auf US-Seite herum, doch selbst die Vaterlandstreuen unter ihnen schrecken auch vor Lug und Trug nicht zurück, damit eine Mission erfüllt wird.
Natürlich läuft derartige Pflichterfüllung nicht ohne Gefechte ab und da kann „Tom Clancy‘s Gnadenlos“ wirklich glänzen. Zwar könnte die Action etwas zahlreicher sein, konzentriert sich lediglich auf den Opener, den Überfall auf Kellys Haus, einen Überlebenskampf in einem abgeschossenen Flugzeug und den mehrstufigen Showdown. Dabei erzeugt Sollima intensive Szenen, etwa wenn Kelly in dem sinkenden Flugzeugwrack ohne Sauerstoffflasche nach dringend benötigter Ausrüstung taucht. Der Regisseur fährt einen angenehm bodenständigen Stil, der die Kampfparteien taktisch und realistisch vorgehen lässt: Sie legen Hinterhalte mit Ködern und Scharfschützen, ballern nicht bloß wild drauf los und können Gegenstände aus der Umgebung zu ihrem Vorteil nutzen. Noch dazu sind die Fights und Shoot-Outs von einer realistischen Rohheit, etwa wenn Kelly mit einem Gegner ringt und diesen mit dessen eigenem Gewehrgurt erwürgt. Das hier ist kein Todesballett der Marke „John Wick“, sondern bodenständiger Actionthrill, in dem Praktikabilität über Eleganz geht. Wo gehobelt wird, da fallen Späne, das zeigt vor allem der richtig starke Showdown.
Ebenfalls stark ist Michael B. Jordan („Creed II“) in der Hauptrolle, der den trauernden Ehemann glaubwürdig verkörpert, aber vor allem als kerniger Soldat mit Killerinstinkt und Bad-Ass-Attitüde Punkte sammelt – später kommt eine gewisse Todessehnsucht bei dem Elitekrieger hinzu. Auf Augenhöhe ist Jamie Bell („Donnybrook – Below the Belt“) als undurchsichtiger CIA-Mann mit eigener Agenda, während Guy Pearce („Bloodshot“) und Jodie Turner-Smith („The Last Ship“) weitere Akzente setzen. Leicht fehlbesetzt, aber nur in wenigen Szenen dabei ist Brett Gelman („Die etwas anderen Cops“), dem man den FSB-Mann fürs Grobe nicht so recht abkaufen mag. In einer kleinen Rolle ist Cam Gigandet („Shadow Effect“) zu sehen, der zuletzt eher im B-Sumpf zu finden war.
„Tom Clancy’s Gnadenlos“ erinnert an Werke der jüngeren Vergangenheit wie „21 Bridges“ oder „Spenser Confidential“: Genrekino mit Old-School-Flair, das gelungene Action bietet, davon aber mehr vertragen könnte, sein Genre ordentlich bedient, aber auch nicht mehr als gut gemachte Standardware liefert. Immerhin ist „Tom Clancy’s Gnadenlos“ seinem Titel entsprechend ruppig und düster, bietet das typische Clancy-Flair und ist stark besetzt, aber das Drehbuch von Taylor Sheridan ist leider kaum mehr als okaye Stangenware.
„Tom Clancy’s Gnadenlos“ wird als Amazon Original vermarktet und ist nur dem Streamingdienst Amazon Prime zu finden. Für die ungekürzte Fassung gab es eine Freigabe ab 16 Jahren.
© Nils Bothmann (McClane)
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