Originaltitel: Tomb Raider__Herstellungsland: Großbritannien, USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Roar Uthaug__Darsteller: Alicia Vikander, Hannah John-Kamen, Walton Goggins, Kristin Scott Thomas, Dominic West, Daniel Wu, Nick Frost, Emily Carey, Helena Holmes, Alexandre Willaume u.a. |

„Tomb Raider“ wagt einen filmischen Neuanfang und schielt in Richtung Film-Franchise.
Es ist müßig, eine Kritik zu einem neuen filmischen „Tomb Raider“ mit einer Abhandlung zu Lara Croft und den „Tomb Raider“-Spielen zu beginnen. Sie sind unverrückbare Bestandteile der Popkultur und wer tatsächlich noch nie davon gehört haben sollte, wird wohl auch aufgrund eines neuen filmischen Abenteuers von Lara Croft nicht unter dem Stein hervor krabbeln, unter dem er die letzten Jahre gehaust hat.
Springen wir also direkt zu dem Thema „Tomb Raider“-Filme. Dass „Lara Croft: Tomb Raider“ trotz transzendentalem Mumpitz-Ende, Robotern und Wirework-Gymnastik-Elementen im Hause Croft als durchaus gelungene Spielverfilmung wahrgenommen wurde, zeigte eigentlich nur, wie schwer Hollywood sich bis dahin (und auch heute noch) damit tat, Computerspiele für die große Leinwand zu adaptieren. „Tomb Raider – Die Wiege des Lebens“ versuchte mit Hai-Boxereien und Til Schweiger als Bösewicht-Darsteller gar nicht erst, einen ernsthaften filmischen Eindruck zu erwecken.
Dementsprechend ging Teil 2 an den Kinokassen auch grandios baden. Und da Angelina Jolie, die mit ihren Auftritten als Lara Croft dem Begriff „peinliche Pseudo-Coolness“ ganz neue Dimensionen verliehen hatte, kritische Stimmen aber mit ihren wogenden Brüsten verstummen ließ, ebenfalls keinen rechten Bock mehr auf die Rolle hatte, war das filmische Franchise tot, bevor es zu leben begonnen hatte.
Doch Hollywood behielt die Idee eines neuen „Tomb Raider“-Filmes immer im Hinterkopf. Und was müssen die Verantwortlichen frohlockt haben, als die Programmierer der Spielvorlagen einen ganz neuen, einen kühnen Ansatz fuhren: Bei dem neuesten, einfach nur „Tomb Raider“ betitelten Lara-Croft-Computerspiel handelte es sich um eine astreine Rolle rückwärts! Um einen Rückblick in die Zeit, in der die Spielikone erst all die Seiten an sich entdecken musste, die sie Jahre später als weiblichen Indiana Jones prädestinieren würden. Das neue Spiel „Tomb Raider“ war also ein astreines Reboot. Und Hollywood liebt Reboots. Erstaunlicherweise gingen dennoch einige Jahre ins Land, bevor die erste Klappe zu dem neuen „Tomb Raider“-Film fiel.
Schaut in „Tomb Raider“ mit Alicia Vikander hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=Q0Fs4a94uTw
Der steigt ein wenig behäbig in seine Materie ein. Während die Spieldesigner den Spieler sozusagen mitten in die Geschehnisse hinein warfen und von Beginn an unter Strom setzten, nimmt sich der Film viel Zeit, seine Heldin zu etablieren. Stellt sie uns als junge Frau vor, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Die von schlecht bezahlten Jobs lebt und jede Gelegenheit wahrnimmt, um an etwas Geld zu kommen.
Das gibt Regisseur Roar Uthaug („Cold Prey“) die Möglichkeit, schon früh im Film eine längere Actionszene zu lancieren und den Zuschauer nicht wegdösen zu lassen. Anstatt durch Dschungelszenerien oder Katakomben fliegt seine Kamera nun durch die Straßen des Großstadtdschungels London. Macht die gewagten Manöver von Fahrradkurierin Lara mit und lässt einen im Kinosessel immer mal wieder unbewusst am Bremshebel ziehen. Uthaug kann Action. Das ist jetzt schonmal klar.
Blöderweise hat Uthaug wohl keiner gesagt, dass sein Film in 3D konvertiert wird. In der Folge gerät eine vor der Fahrradaction gezündete MMA-Kampfszene zum heillos verschnittenen Chaos, bei dem das 3D null zünden kann. Was unter anderem auch für eine Sequenz gilt, in der Laras Schiff vor einer Insel leckschlägt. Allgemein ist das 3D bei diesem Film wieder nur sinnloser Eintrittspreistreiber. Egal…

Lara Croft muss in Hongkong bereits zeigen, was in ihr steckt.
Uthaug tritt nun erst einmal beherzt in die Bremse. Immerhin muss er noch eine Menge erzählen. Vom verschwundenen Vater Laras. Von einer mystischen japanischen Insel und den darauf versteckten Gebeinen einer gefährlichen Dame namens Himiko. Letztere waren zeitlebens ein Begehr des Vaters von Lara. Auf der Suche danach verschwindet er für ganze sieben Jahre. Wie innig sich Vater und Tochter liebten, zeigen viele Rückblenden. Zu viele. Auch das Gezerre um das Unterschreiben einer Sterbeurkunde durch Lara und ähnliche Winkelzüge mehr machen „Tomb Raider“ gefühlt immer langsamer.
Erst als Lara Croft unplanmäßig in den Besitz eines Stückes aus der zukünftigen Erbmasse ihres Vaters kommt, beginnt der Film zu leben. Endlich wird die Handlung angeschoben. Lara orientiert sich gen Hongkong. Bricht von da mit Hilfe des gerne besoffenen Lu Ren in Richtung der geheimnisvollen Insel Himikos auf. Und endlich wird der Film zu einem richtigen Abenteuerfilm. Wer das Spiel gezockt hat, wird nun mit dem Voranschreiten der Handlung viele Entlehnungen bemerken, allerdings auch feststellen, dass die Handlung sich nicht sklavisch an dem Spiel orientiert.

So mögen wir unsere Lara: Verdreckt, verschwitzt, voller Power.
Dafür werden Look und Feel der Spielvorlage perfekt von Roar Uthaug auf die große Leinwand gewuchtet. Sein „Tomb Raider“ ist weit weg vom Hochglanzlook der Vorgängerfilme. Auch von deren Trash-Momenten. Wer die Reboot-Spiele („Rise of the Tomb Raider“ setzte den Spieleblockbuster für die Konsolen und PCs dieser Welt fort) nicht kennt, aber Uthaugs Film „Escape – Vermächtnis der Wikinger“, der weiß ungefähr, was ihn erwartet. Allgemein scheint der dynamisch bebilderte Survivaltrip Uthaugs Schlüssel zur Verpflichtung für „Tomb Raider“ gewesen zu sein. Vor allem, wenn Lara mit einem Bogen bewaffnet durch die Gegner pflügt, atmet das ganz viel „Escape“-Flair.
Trotz solcher Momente ist Lara in erster Linie immer noch Mensch. Sie schwitzt, kämpft, weint und blutet sich durch den Dschungel. Sie wirkt in ihrem Tun alles andere als selbstbewusst. Zu weiten Teilen reagiert sie mehr, als dass sie agiert. Coole Oneliner? Fehlanzeige. Akrobatische Moves? Ebenso. Lara Croft ist in „Tomb Raider“ noch weit weg von der großen Survival-Expertin und Schatzsucherin der Ur-Spiele/Vorgängerfilme. Und wirkt deshalb auch enorm nahbar. Verletzlich. Auch dank der starken Performance von Alicia Vikander („Jason Bourne“), die im sexy angeschwitzten und verdreckten Outfit der Lara-Croft-Vorlage der Reboot-Games ziemlich nahe kommt.
Echte Actionlady-Qualitäten darf sie in einer grandiosen Cliffhanger-Sequenz rund um einen Wasserfall, ein abgestürztes Flugzeug und einen Fallschirm beweisen. Diese Sequenz alleine ist eigentlich schon das Eintrittsgeld für „Tomb Raider“ wert, dreht Uthaug hier doch beständig an der Spannungsschraube und lässt die Szenerie mit Wonne immer mehr eskalieren. Dagegen lässt er seinen Bösewicht mal beunruhigend uneinschätzbar und mal absolut menschlich auftreten. Das nutzt Walton Goggins („Six“) in seiner Rolle als Mathias Vogel für ein paar richtig starke Momente, die ihn mehr als einmal zum Showstealer machen.
Da kommen die anderen Figuren rund um Lara nicht mit. Dominic West („300“) wirkt als ihr Vater komplett unterfordert und in Einzelszenen auch gelangweilt. Und Daniel Wu („Into the Badlands“) hätte sich bei der massiven Mitfinanzierung durch Fernost sicherlich auch einen dankbareren Job gewünscht als seinen wenig plausibel geskripteten und noch weniger zupackenden Lu Ren. Kristin Scott Thomas („Only God Forgives“) kann derweil nur hoffen, dass der Film fortgesetzt wird, denn ihre Minirolle mit vorhersehbaren Twist ist in der jetzigen Form schon arg undankbar geraten. Zumindest machen die beiden Kurzauftritte von Nick Frost („Into the Badlands (Season 2)“) als gieriger Pfandhausbetreiber Spaß.

Daniel Wu spielt in „Tomb Raider“ keine wirklich große Rolle.
Zum zweischneidigen Schwert gerät der geerdete Ansatz des Filmes spätestens im Finale. Wenn von den Gebeinen tausender Dienerinnen der gefährlichen Himiko die Rede ist, erwartet man irgendwie einen Showdown, der zum Überdrehen neigt. Eventuell sogar Action um der Action willen macht. Zwar erliegt Utharg dieser Verlockung nicht, präsentiert stattdessen aber nur eine reichlich unspektakuläre Fallen-Revue, die komplett am Zuschauer vorbei arbeitet. Denn weder lädt sie zum Miträtseln ein noch vermag sie spektakuläre Momente aufzubieten. Ein oder zwei Mal kommt dabei das Gefühl auf, mit einem Gamepad mitdaddeln und Lara durch die Fallen steuern zu wollen, insgesamt bleibt man aber einfach zu krass außen vor und folgt dem Geschehen eher unbeteiligt.
Erstaunlich unspektakulär bleibt der Film im Übrigen auch bei seinen Enthüllungen rund um die Gefährlichkeit, die von Himiko ausgeht. Diese ist überraschend bodenständig und in der Realität verwurzelt und wird vorwiegend genutzt, um einen zukünftigen Gegner von Lara in Stellung zu bringen, anstelle Rambazamba zu veranstalten. In genau diesen Momenten, in denen der Film konsequent bei seinem geerdeten und bodenständigen Ansatz bleibt, ist der neue „Tomb Raider“ eine echte Wohltat im Vergleich zu den bisherigen Filmen. Auch Alicia Vikander macht Angelina Jolie spielend vergessen. Manche Szene ist zudem schlichtweg begeisterndes Kintopp (die erwähnte Cliffhanger-Abfolge) und auch die technische Umsetzung ist über jeden Zweifel erhaben. Aber irgendwie wird man das Gefühl einfach nicht los, dass „Tomb Raider“ irgendetwas fehlt. Fand dann wohl auch Utharg und lässt am Ende einfach alles über Lara einstürzen, was einstürzen kann. So richtig kicken mag das aber ebenfalls nicht. Insgesamt mutet die alles antreibende Familienstory einfach zu abgeschmackt und zu altbekannt an. Man darf gespannt sein, ob die mehrfach im Film erwähnte „Trinity“-Organisation späteren Teilen einen interessanteren Dreh zu geben vermag.
„Tomb Raider“ läuft seit dem 15. März 2018 ab 12 freigegeben in den deutschen Kinos und kommt von Warner Brothers und MGM.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Warner Bros. / MGM__Freigabe: FSK 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, seit dem 15.3.2018 in den deutschen Kinos |