Originaltitel: Truck Turner__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1974__Regie: Jonathan Kaplan__Darsteller: Isaac Hayes, Yaphet Kotto, Alan Weeks, Annazette Chase, Nichelle Nichols, Sam Laws, Paul Harris, Charles Cyphers, John Kramer, Scatman Crothers, Dick Miller, Bob Harris, Jac Emil, Stan Shaw, Wendell Tucker, Clarence Barnes, Don Watters u.a. |

Das Poster von „Truck Turner“.
Das Wah-Wah-Pedal wiehert sich in Rage, bis es zu einem wütenden Wacka-Wacka-Tornado angewachsen ist. Die Kamera schaukelt durch die Straßen von L.A. wie ein betrunkener Matrose auf Landgang, um im toten Winkel per Whip Zoom noch seltsame Gestalten mitzunehmen, die zur festen Dekoration der Straßenecke gehören. Dann swaggt Isaac Hayes lässig in die Szene hinein und wedelt mit seinem fetten Kaventsmann von einem Waffenkaliber herum, dessen Lauf an der Kamera vorbei auf undefiniertes Unkraut gerichtet ist. Zumeist sind es Kleingangster mit Leerstelle zwischen den Ohren, denen eine Zielscheibe aufgemalt ist. Dabei bräuchte Hayes die gigantische Wumme gar nicht, um sich trotzdem aller Aufmerksamkeit sicher zu sein.
Man sieht schon: „Shaft“ ist noch ganz in Reichweite. Auch der Kopfgeldjäger Truck Turner bekommt dank des funkigen Main Themes und der überzüchteten Kamera- und Schnittarbeit eine markante Signatur zugeschrieben, mit der er vom Start weg vor allem idealisiert werden soll. Isaac Hayes, der Richard Roundtree für „Shaft“ noch einen legendären Score auf den Leib geschrieben hatte, liefert diesmal nicht nur einen weiteren Soundtrack nach identischem Muster ab, sondern bringt auch sich selbst mit im Gepäck. In seiner ersten alleinigen Hauptrolle zeigt er, dass er aus erster Quelle von den Besten gelernt hat… und das Zeug zum neuen Badass-Idol in sich hat.
In der rapide verglühenden Glut der kurzlebigen Blaxploitationwelle, in der dennoch unzählige Filme entstanden, sind die drei Jahre seit „Shaft“ natürlich eine halbe Ewigkeit, und nicht umsonst meint man in Jonathan Kaplans Regie ein heftiges Augenzwinkern erkennen zu können, mehr noch als es dieser Filmgattung ohnehin zu eigen ist. Alle Regler scheinen nochmal eine Stufe höher geschaltet als im Mittelwert, das Tempo ist von der ersten Minute an ausgesprochen flott und der Ton leicht überdreht, in etwa so, als sei Truck Turner kein Mensch, sondern ein theoretisches Konstrukt, das einfach zu cool ist, um aus Fleisch und Blut zu bestehen. Hayes dann aber wie einen Hahn in den Frauenknast spazieren zu sehen, wo er seine Freundin zwischen lechzenden Insassinnen abholt, als sei er Nick Nolte und sie Eddie Murphy in „Nur 48 Stunden“, oder ihn beim Streicheln und Füttern der Katze im eigenen Apartment zu betrachten, das sorgt für einen gewissen Schmelz auf dem Eiswürfel. Hayes lässt unter seiner harten Schale einen Charme walten, von dem man sich den gesamten Abend lang nicht mehr erholt; ob man die Formel in den vergangenen Jahren nun schon x-mal serviert bekommen hat oder nicht.

Yaphet Kotto spielte bei James Bond den Schurken Kananga. Es scheint aber so, als hätte er auch den Blofeld locker aus dem Ärmel geschüttelt.
Ursprünglich geschrieben für die alten weißen Helden des Hardboiled-Krimis der 60er, hatten die Autoren Michael Allin und Oscar Williams offenbar wenig Mühe damit, die Vorlage von Leigh Chapman kurzerhand auf aktuelle Trends umzumünzen. Die Stationen, die Turner in seinem Kampf gegen ein mörderisches Hustler-Kartell ansteuert, sind archetypisch und bedienen die üblichen Tropes, die etwa ein Quentin Tarantino später in seinen Filmen, allen voran „Jackie Brown“ (1997), zum Allgemeingut verdichten würde. Scatman Crothers („The Shining“, 1980) liefert einen Gastauftritt als Schlitzohr im Ruhestand, Allerweltsgesicht Dick Miller („That Guy Dick Miller“, 2014) bekommt einen Moment als Straßeninformant zugesprochen und wer bei Yaphet Kottos eleganter und doch autoritärer Darbietung als Pimp keine feuchten Augen bekommt, ist zweifellos im falschen Film. Dazu noch Nichelle Nichols, bekannt vor allem als Uhura in „Star Trek“, als Patin eines Nests von Straßenschwalben, die den lieben langen Tag Schaulaufen im Bikini veranstalten, um zu demonstrieren, dass wir hier im Fleischgeschäft nach kalifornischer Art gelandet sind.
Charaktervisagen eingebettet in On-Location-Shoots also, das ist eben nicht nur die Rezeptur des parallel aufsteigenden New-Hollywood-Kinos für die Massen, sondern auch der Low-Budget-Produktionen, die im abgehalfterten Zwei-Sterne-Kino nebenan laufen. Kaplan scheint nicht daran interessiert, im Stile klassischer Noirs eine packende Story zu erzählen, er nutzt das Skript vielmehr als austauschbares Vehikel, um darauf nach eigenem Rhythmus einen Spielplatz für Erwachsene zu errichten. Es ist die Stadt selbst, die mit ihren vielen Winkeln und Gassen zu einem solchen Spielplatz umfunktioniert wird. Fensterrahmen von Apartments im fünften Stock, aus denen zappelnde Gestalten hängen, sind die Büros für Geschäftliches, während die Ganoven geparkte Autos und Feuertreppen an Hochhäusern als Verstecke für ihre Hinterhalte nutzen. In der Rahmenhandlung um die Freundin des Helden (trotz Knast die süßeste Unschuld in Person: Annazette Chase), die nach ihrer Entlassung unbedingt aus Los Angeles raus will, blitzt noch einmal kurz so etwas wie das alte Hollywood der charmanten Schwerenöter durch, dazwischen hat Hayes aber als harter Hund mit all den Herausforderungen zu kämpfen, die schon einen Richard Roundtree, eine Pam Grier (deren „Foxy Brown“ auch gemeinsam mit „Truck Turner“ im Double Feature lief), einen Fred Williamson oder einen Jim Brown auf Trab hielten. Die Football-Vergangenheit der beiden Letztgenannten wird sogar in die Vita Turners eingewoben, handelt es sich bei ihm doch um einen Ex-Footballer, der nach einer Verletzung eine Zweitkarriere als Kopfgeldjäger eingeschlagen hat.

Schau mir in den Lauf, Kleines.
Dynamisch ist die Hetzjagd somit weniger durch den Handlungsantrieb, als vielmehr in Folge einer entsprechenden Stilisierung beziehungsweise Stimulation auf audiovisueller Ebene. Kaplan legt sich bewusst in gemachte Betten, weiß die Laken aber gekonnt aufzuwühlen. Was andere vorher machten, erfindet dieser Film nicht eben neu, aber er packt es mit reichlich Grip an. Das hier ist eher wieder „Slaughter“ (1972) als „Hit!“ (1974) oder „Black Caesar“ (1973), in den Ambitionen völlig unbefangen gegenüber vorausgehenden Klassikern etwa des Gangster-Kinos der 30er. Einzig Yaphet Kotto wirkt vielleicht immer eine Spur zu groß und erhaben dafür, dass es sich hier letztlich um einen Vorläufer für geradliniges Actionkino handelt, in dem zuerst geballert und dann gefragt wird.
Eigentlich hat „Truck Turner“ lediglich das Problem, dass „Shaft“ vorher schon da war. Der Soundtrack ist nicht mehr ganz so ikonisch, die Hauptfigur nicht mehr ganz so frisch, und doch spielt Beides in derselben Liga. Fehlende Originalität wird nonchalant mit massig Tempo, Coolness und durchaus auch Humor wettgemacht. Das reicht, um seinen Zweck zu erfüllen und noch einmal die Konturen nachzuziehen, die dem Blaxploitationfilm seine markante Form verleihen.
Schaut in den Trailer zu „Truck Turner“
„Truck Turner“ wurde bereits in den frühen 2000er Jahren über MGM als DVD ausgewertet, damals noch unter dem alternativen deutschen Titel „Chicago Poker“. Die Disc hatte den Film im anamorphen Breitbildformat an Bord und bot englischen, deutschen und französischen Monoton mit entsprechenden Untertiteln (zzgl. Niederländisch). Bei Erscheinen war der Titel noch indiziert, erst ein Jahr später wurde die Indizierung aufgehoben.
2011 fand dann eine Neuprüfung statt, woraufhin über 20th Century Fox eine DVD-Neuauflage mit 16er-Freigabe erschien. NSM legte dann 2020 zunächst mit diversen Mediabook-Ausgaben nach, bevor 2021 DVD und Blu-ray einzeln im Keep Case erschienen.
Sascha Ganser (Vince)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: MGM / NSM Records__FSK Freigabe: 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja |