Originaltitel: Moana__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Ron Clements, John Musker, Don Hall, Chris Williams__Sprecher: Auli’i Cravalho, Dwayne Johnson, Rachel House, Temuera Morrison, Jemaine Clement, Nicole Scherzinger, Alan Tudyk, Oscar Knightley, Branscombe Richmond u.a. |
Kuriose Titeleien: „Moana“ konnte in vielen europäischen Ländern aus markenrechtlichen Gründen nicht unter seinem Originaltitel laufen, also wurde (auch in Deutschland) „Vaiana“ aus Film und Hauptfigur, wobei man dies nicht nur in Synchrofassungen änderte, sondern auch eine alternative englische O-Tonspur mit dem anderen Namen der Protagonistin erstellte, die sich auch auf den deutschen Scheiben des Films befindet.
Vaiana alias Moana ist der aktuellste Zugang zum Disney-Prinzessinnen-Kanon, die Tochter des polynesischen Stammeshäuptlings Tui. Legenden des Volkes erzählen unter anderem von dem Halbgott Maui, den man in der Auftaktszene in Action sieht: Dieser war mittels eines magischen Hakens zum Gewaltwandeln fähig und vollbrachte tollkühne Taten. Als er jedoch das Herz des Mutterinsel Te Fiti stehlen wollte, wiurde er nach erfolgreicher Tat von dem Lavadämon Te Ka attackiert, verlor sowohl seinen Haken als auch das magische Artefakt und ward danach nicht mehr gesehen. Der Plot von „Vaiana“ ist eine Eigenkreation, bezieht sich aber auf polynesische Mythologie, womit Drehbuchautor Jared Bush und die Disney-Kreativen, allen voran die Hauptregisseure Ron Clements und John Musker, einerseits diese Legende bebildern wollten, sich aber auch nicht die mögliche Verhunzung einer konkreten Legende vorwerfen lassen wollten.
War Maui noch ein furchtloser Seefahrer, so haben sich Tui und sein Stamm auf einer Insel niedergelassen und fahren nie außerhalb der Lagune, in der sie fischen, aufs Meer. Zwar ist Vaiana von dem weiten Ozean fasziniert, fügt sich aber in ihre Rolle als zukünftige Anführerin – bis die Fische ausbleiben und die Früchte auf der Insel verdorren. In ihren Abenteurergedanken wird sie von ihrer Großmutter Tala bestärkt, die ihr offenbart, dass das Meer Vaiana zur Retterin erkoren hat und ihr als Kind das Herz Te Fitis schenkte. Gewissermaßen klassischer Disney-Prinzessinnen-Stoff also, von der mutigen jungen Frau, die gesellschaftliche Vorgaben und klassische Vorstellungen von angemessenem Verhalten überkommt, wobei Vaiana neben Mulan, Rapunzel und Merida zu den besonders kämpferischen Exemplaren dieser Gattung gehört.
Entgegen der Wünsche ihres Vaters fährt Vaiana zur See, um Maui zu finden, damit dieser Te Fitis Herz zurückbringen und so die Fäulnis stoppen kann, die nicht nur Vaianas Heimat, sondern das Meer und alle Inseln der Gegend bedroht. Der Halbgott erweist sich jedoch als unwillig…
httpv://www.youtube.com/watch?v=s6I82uIg7Z0
Prinzessinnen auf dem Weg zur vollen Stärke und sprechende Tiere, das sind die Hauptkompetenzen bei der Disney-Animationen. 2016 gab es beides in deutlich selbstironischer Form: Die Tiere in „Zoomania“, die Prinzessin eben in „Vaiana“. Zwar erklärt Vaiana, dass sie gar keine Prinzessin sei, sondern nur eine Häuptlingstochter, doch mit Meta-Humor verweist Maui darauf, dass sie ein Kleid trage und einen tierischen Sidekick dabei habe, also sei sie eine Prinzessin. Die Parallelen gehen noch weiter, neben dem Disney-Grundmuster von (Welten-)Rettung und Emanzipation, dem man treu bleibt, kommen auch noch die typischen Gesangseinlagen dazu. Aber Vaiana kommt ohne ein Love Interest aus und ist aktiver als viele Vorgängerinnen, wenn sie zur See fährt und sich Te Ka notfalls allein stellt. Dabei findet sie in typischem Disney-Prinzessinnen-Story eine versöhnliche, nachhaltige Problemlösung, während Maui eher der klassische Action-Man ist, der mit Muskeln und Selbstsicherheit vorgeht.
Und wer könnte so jemanden (im O-Ton) wohl besser sprechen als Dwayne ‘The Rock‘ Johnson („Fast & Furious: Hobbs & Shaw“)? Der Actionstar gibt eine launige Performance als von sich selbst überzeugter, halbgöttlicher Muskelprotz, der neben Feinden vor allem seine eigene Eitelkeit überkommen muss. Der Voice-Cast hat mit Blick auf das Thema des Films größtenteils polynesische, also samoanische, hawaiianische und Maori-Wurzeln. Dazu gehören Temuera Morrison („Aquaman“) als Tui, Nicole Scherzinger („Be Cool“) als Vaianas Mutter Sina, Rachel House („Thor – Tag der Entscheidung“) als Großmutter Tala und Comedian Jemaine Clement („Men in Black 3“) als singende Monsterkrabbe Tamatoa im David-Bowie-Style. Natürlich trifft das auch auf Newcomerin Auli’i Cravalho („Chaos im Netz“), welche die Hauptrolle singend und sprechend meistert, was gerade angesichts ihres Alters von gerade einmal 14 Jahren zu dem Zeitpunkt sehr beeindruckt. Zum Cast gehört auch Alan Tudyk („Deadpool 2“), der neben einer Minirolle als Dorfbewohner vor allem Vaianas nicht sprechenden Sidekick, den minderbemittelten Hahn Heihei spricht.
Heihei, der sich bei Körnerpicken nicht besonders geschickt anstellt und oft lieber Steine verschluckt, gehört zu den komödiantischen Parts des Films. „Vaiana“ verströmt den typischen warmherzigen Humor der Disney-Animationsmärchen mit der gewohnten Mischung aus Slapstick, kleinen Wortgefechten und ein paar Popkulturreferenzen. Bei „Vaiana“ gehört dazu der Angriff der Kakamora, kleiner kokosnussartiger Piraten, der als Hommage an „Mad Max: Fury Road“ gedacht ist, sowie die Parallelen zwischen Maui und seinem Synchronsprecher Dwayne Johnson, der kurz zuvor ja schon in „Hercules“ einen Halbgott dargestellt hatte. Zu den besten Gags gehört ein Maui-Tattoo auf dessen Körper, das ein Eigenleben führt und dessen Handlungen kommentiert – eine Art Minisidekick. Und weil verpeilte Hähne und lebende Tattoos wenig Knuddelfaktor haben, gibt es mit dem putzigen Schweinchen Pua noch einen weiteren Sidekick, der zwar nur am Anfang des Films eine Rolle spielt, aber von der Merchandise-Abteilung sicher in Sachen Spielzeugverkäufe angeboten wurde.
Denn „Vaiana“ mag zwar an Stellschrauben des Disney-Films justieren, bleibt der Formel aber im Großen und Ganzen treu, mit (durchaus schmissigen) Musical-Einlagen, Abenteuerpassagen, der Selbstfindung der Heldin und auch einer gehörigen Portion am Kitsch am Ende, nachdem der vorige Film diesen eigentlich immer gut umschifft hat. Nun sind die Regisseure, deren Portfolio unter anderem „Arielle“, „Hercules“ und „Küss den Frosch“ umfasst, auch nicht als große Modernisierer am Werk, sondern als Leute, die wissen wie die Formel mit leichten Veränderungen frisch erscheinen lässt. So sind hier der polynesische Sagenfundus und das Inselsetting das Salz in der Suppe, das den Animatoren auch Raum für den Bau schwelgerischer Welten ober- und unterhalb des Wasserspiegels lässt, die eine wahre Augenweide sind. Aber die Crew hinter „Vaiana“ hat den Film im Griff, es gibt Lustiges und es gibt Herziges (etwa eine traurige Abschiedsszene gegen Ende des ersten Drittels), nur gegen Ende stimmt die Balance nicht mehr so ganz – aber zu dem Zeitpunkt kann man „Vaiana“ auch nicht mehr wirklich böse sein.
Im Vergleich zur hauseigenen 2016er Konkurrenz „Zoomania“ mag „Vaiana“ dann weniger hintergründig sein und mit weniger Popkulturreferenzen arbeiten, ist aber doch ein sehr gelungener Disney-Beitrag nach deren Prinzessinnen-Formel, der von seiner starken Heldinnenfigur, Comedy-Timing, meist schmissigen Musicaleinlagen und dem unverbrauchten Hintergrund der polynesischen Mythologie liebt. Nicht innovativ, aber gutes, herziges Entertainment nach Erfolgsformel.
Walt Disney hat „Vaiana“ in Deutschland auf Blu-Ray und DVD herausgebracht, freigegeben ohne Altersbeschränkung. Auf der DVD gibt es den Kurzfilm „Herz oder Kopf – Inner Workings“ als Bonusmaterial, auf der Blu-Ray zusätzlich einen Audiokommentar, Musikvideos, entfallene Szenen, Featurettes und den Kurzfilm „Angeln gehen“.
© Nils Bothmann (McClane)
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