In „Venom: The Last Dance“ schlüpft Tom Hardy zum vielleicht letzten Mal in die Rolle des Spider-Man-Antagonisten. Dieses Mal werden Reporter Eddie Brock und der ihm innewohnende Symbiont Venom sowohl von einer Regierungstruppe als auch von außerirdischen Kreaturen, die es auf einen Schlüssel zur Befreiung ihres Meisters abgesehen haben, durch die Wüste gejagt.
Originaltitel: Venom: The Last Dance__Herstellungsland: USA/Großbritannien/Mexiko__Erscheinungsjahr: 2024__Regie: Kelly Marcel__Darsteller: Tom Hardy, Juno Temple, Chiwetel Ejiofor, Stephen Graham, Rhys Ifans, Alanna Ubach, Hala Finley, Dash McCloud, Andy Serkis, Peggy Lu, Cristo Fernández, Clark Backo u.a. |
Schon als „Venom“ 2018 zum großen Kassenerfolg wurde, ließ Hauptdarsteller Tom Hardy verlauten, dass er für drei Filme unterschrieben habe. Das muss natürlich nicht immer etwas heißen, aber der dritte Teil um den Antagonisten aus dem „Spider-Man“-Universum kommt als „Venom: The Last Dance“ ins Kino.
Dabei handelt es sich um das Regiedebüt von Kelly Marcel, die als Drehbuchautorin bereits die beiden Vorgänger verantwortete und sich dort schon nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte. „Venom: The Last Dance“ fängt schon mal super holprig an, wenn der finstere Herrscher Knull (Andy Serkis) als neue Bedrohung etabliert wird, von dem in den vorigen Filmen nie die Rede war. Hier erzählt er in einem gestelzten Voice Over, dass er dereinst die Symbionten erschuf, diese aber gegen ihn rebellierten, ihn in einem Gefängnis einsperrten und danach entflohen. Nur durch einen Schlüssel, der in den Symbionten steckt, kann Knull wieder befreit werden, weshalb er neue Kreaturen, die wie riesige Insekten aussehen, auf die Jagd nach seinen früheren Schöpfungen schickt.
Noch holpriger wird allerdings das Ende des direkten Vorgängers „Venom: Let There Be Carnage“ negiert. Wir erinnern uns: Eddie Brock (Tom Hardy) wurde in der Mid-Credit-Szene ins MCU hinübergebeamt, wohl mit Plänen für Größeres, die nun wieder ad acta gelegt werden. Denn zu Beginn von „Venom: The Last Dance“ wird Eddie direkt wieder ins Sony Spider-Man Universe (SSU) gebeamt, während sein Symbiont Venom fröhlich verkündet, dass jetzt Schluss mit dem Multiversum-Kram sei. Im Grunde vielleicht keine schlechte Idee angesichts von Multiversumsbeliebigkeit, aber miserabel umgesetzt. Danach wollen Eddie und sein innerer Begleiter nach New York aufbrechen, um ihren Namen nach dem Tod von Detective Mulligan (Stephen Graham) im Finale des Vorgängers reinzuwaschen.
Dummerweise werden sie nicht nur von Mitgliedern einer geheimen Regierungsorganisation verfolgt, sondern auch eines von Knulls Biestern kommt ihnen auf die Spur. Sie tragen nämlich den Schlüssel in sich, den der dunkle Herrscher benötigt…
Schaut euch den Trailer zu „Venom: The Last Dance“ an
Schon die Vorgänger waren alles andere als Meisterwerke der Drehbuchkunst, doch „Venom: The Last Dance“ schlägt dem Fass echt den Boden aus. Zum einen stellt der Film immer wieder schwammige Regeln auf (z.B. dass die Jägerkreatur Venom/Eddie nur bei vollkommener Verschmelzung sehen kann), nur um diese regelmäßig mit Füßen zu treten. Manches wird gar nicht erst erklärt (z.B. wie der Venom-Symbiont an einer Stelle einem Gefängnis entkommt), anderes ist regelrecht hirnrissig. Da weiß Venom, dass die Jägerkreatur in sofort aufspüren kann, wenn er und Eddie sich verwandeln, tut dies aber trotzdem, nur um eine ABBA-Tanzeinlage (!) mit Mrs. Chen (Peggy Lu) aufzuführen (!!), die sie zufällig in Las Vegas getroffen haben (!!!). Kollege Zufall schiebt eh Überstunden, wenn sich gewisse Kreaturen und Figuren alle naselang über den Weg laufen, als sei die Wüste von Nevada nur ein Sandkasten.
Blöderweise ist der Film dann voll von Figuren und Handlungssträngen, die man problemlos weglassen könnte. Allen voran die putzige, aliengläubige Hippie-Familie, die Eddie zwischendurch als Anhalter mitnimmt und in den ganzen Schlamassel hineingezogen wird, aber letztendlich kaum etwas zur Handlung beiträgt. Und das Wenige ist teilweise zum Würgen, etwa wenn Venom Eddie versichert, dass dieser bestimmt ein guter Vater geworden wäre, weil er sich sorgend um den Sohn der Familie kümmert, was leider bloß deplatzierter Kitsch ist. Oder die Hintergrundgeschichte der Wissenschaftlerin Dr. Payne (Juno Temple), die ihren Bruder als Kind durch einen Blitzschlag verlor, was aber auch kaum Bewandtnis für Geschichte besitzt. Hinter Rex Strickland (Chiwetel Ejiofor), dem militärischen Chef der Regierungstruppen, stehen noch irgendwelche omiösen Hintermänner, aber deren Identität und Motivation spart man sich dann für einen anderen Film auf.
Was an Handlung bleibt, ist dann reichlich dünn. Eddie und Venom wollen erst nach New York, dann mit heiler Haut davonkommen, die Regierungsleute in Area 51 wollen die Symbionten wahlweise erforschen (Dr. Payne) oder auslöschen (Strickland) und die Kreatur will ihren Meister befreien. Also hetzt man sich gegenseitig durch die Wüste, als Nebenschauplatz kommen weitere Symbionten ins Spiel, die von der Regierungstruppe bereits eingekascht wurden – darunter auch einer, der mit dem vermeintlich toten Mulligan eine Verbindung eingegangen ist. Doch irgendeine Form von Spannung oder Fallhöhe sucht man in dem Ganzen vergeblich. Und der Film mag vielleicht der letzte Tanz für Tom Hardy als Venom sein, vielleicht auch nicht, aber am Ende steht die Tür weiterhin offen für weitere Sequels oder die Verwendung bestimmter Figuren in kommenden SSU-Filmen.
Ansonsten schleppt „Venom: The Last Dance“ alle Probleme seiner Vorgänger mit sich, darunter den grundlegenden Konzeptfehler, dass es hier um einen Comicschurken geht, der aber kein richtiger Schurke sein darf, damit man sich mit ihm identifiziert, und dessen dunkle Seite hier fast komplett ausgeblendet wird. Die taucht nur mal kurz auf, wenn er am Anfang ein paar üble Hombres in Mexiko frühstückt, aber die hatten es auch verdient und wurden dreimal vorgewarnt. Das passiert natürlich auf PG-13-Weise, ein paar Off-Kommentare Venoms zu seinem Hunger auf Gehirn sind reines Alibi für seine angebliche Schurkennatur und ein Versuch von Comedy. Darin waren auch schon die Vorgänger nicht gut und so rufen alle Szenen, in denen sich Eddie und Venom innerhalb eines Körpers streiten eher Fremdscham als Amüsement hervor. Und wenn Eddie den Venom-Befall mal verflucht, den Symbionten gegen Filmende dann allerdings als seinen besten Freund bezeichnet, dann zeigt sich mal wieder, dass nie eine klare Linie in diesem Machwerk besteht.
Hauptdarsteller Tom Hardy („Mad Max: Fury Road“) schrieb erneut am Drehbuch mit und dürfte für das Kuddelmuddel-Script teilweise mit verantwortlich sein, schauspielerisch macht er seine Sache okay, ist aber doch weniger gut als in den Vorgängern. Chiwetel Ejiofor („The Old Guard“) als verbissener Militär und Juno Temple („Sin City 2“) als gutherzige Wissenschaftlerin sind zwar größere Namen, liefern aber weitestgehend vergessenswerte Performances. Am ehesten Laune macht Rhys Ifans („The King’s Man – The Beginning“) als wohlmeinender Hippie-Dad, Stephen Graham („Pirates of the Caribbean – Salazars Rache“) wirkt in seinen wenigen Szenen dagegen wie eine mühsam mitgeschleppte Altlast, sodass „Venom: The Last Dance“ auch darstellerisch hinter seinen Vorgängern zurückbleibt.
So macht „Venom: The Last Dance“ dann eigentlich nur dann ein bisschen Laune, wenn der titelgebende Symbiont mal etwas von der Leine gelassen wird. Wenn sich Venom mal an Pferde, Fische oder Frösche hängt, dann hat die Designabteil Spaß und lässt im Abspann, in dem es noch mehr mögliche Venom-Tiere zu sehen gibt, ihrer Kreativität freien Lauf. Weitere Symbionten sind ebenfalls nett gemacht, auch die insektenartigen Jägerkreaturen, bei denen die Überreste geschredderter Opfer direkt aus dem Nacken geschleudert werden, stehen stark aus. So mischen Symbionten, Jägerbiester und menschliche Soldaten in den Actionszenen mit, die vor allem auf CGI setzen, oft etwas unübersichtlich und verschnitten sind. Da kann auch ein erfahrener Second-Unit-Regisseur wie Brian Smrz („The Expendables 4“) nicht viel machen, auch wenn die eine oder andere nette Sequenz dabei ist, etwa die Jagd auf Venom/Eddie in einem reißenden Fluss oder eine stuntreiche Motorradeinlage im Finale. Anderes dagegen ist egales Gewusel, ein Superwesengekloppe der öden Art, bei denen das Verformungsgimmick der Symbionten wesentlich unkreativer als in den Vorgänger eingesetzt wird.
„Venom: The Last Dance“ mag zwar weniger albern als sein direkter Vorgänger daherkommen, doch das ist angesichts des unglaublich schwach geschrieben, in sich komplett unstimmigen Drehbuchs ein schwacher Trost. Die Geschichte ist langweilig bis egal, die Komik funktioniert nicht, die ständigen Löcher in Logik und Plot treiben einem die Zornesröte in die Stirn, die Action ist bis auf einige Einlagen ebenfalls mau. Hin und wieder haut wenigstens das Design-Department noch einen raus, die Effekte sind meist gelungen, aber „Venom: The Last Dance“ unterbietet seine mauen Vorgänger tatsächlich noch einmal.
Sony bringt „Venom: The Last Dance“ am 24. Oktober 2024 in die deutschen Kinos, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Sony__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 24.10.2024 in den deutschen Kinos |