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Viena and the Fantomes

Originaltitel: Viena and the Fantomes__ Herstellungsland: USA__ Erscheinungsjahr: 2020__ Regie: Gerardo Naranjo__ Darsteller: Dakota Fanning, Frank Dillane, Jeremy Allen White, Caleb Landry Jones, Zoë Kravitz, Evan Rachel Wood, Sarah Steele, Olivia Luccardi, Jon Bernthal, Ryan LeBoeuf, Philip Ettinger, Jenny Pellicer, Gus Langley, …
Viena and the Fantomes

Zwei Postermotive von “Viena and the Fantomes”.

Zum Trailer (in der Originalfassung) geht´s hier!

“Viena and the Fantomes” markierte seinerzeit das US-Spielfilm-Debüt des mexikanischen Regisseurs und Skript-Autors Gerardo Naranjo, nachdem es jenem mit seinem 2011er Crime-Drama “Miss Bala” gelungen war, internationale Aufmerksamkeit zu erlangen. Auf einer eigenen Vorlage basierend, begannen die Dreharbeiten 2014 in und um Las Vegas – und das mit einem Budget von rund 2,3 Millionen Dollar sowie einer durchaus namhaften, vorrangig aus talentierten Jungmimen in ihren Zwanzigern bestehenden Besetzung. An sich verlief alles glatt – aber wie es manchmal denn so ist (siehe etwa “There are no Saints” von Naranjo´s Landsmann Alfonso Pineda Ulloa), kam es im Rahmen der Post-Production dann plötzlich zu “Komplikationen”, welche im Folgenden u.a. dazu führten, dass das Werk doch nicht auf dem 2016er “Sundance”-Festival seine Premiere feierte sowie letztlich erst sechs Jahre nach seiner Entstehung eine Veröffentlichung erfuhr: Zwar von “Universal Pictures” vertrieben – allerdings nahezu ohne Promotion; rein als “Video-on-Demand” ab Juni 2020…

Die erzählte Geschichte präsentiert uns, dem Publikum, einen Auszug aus dem Leben Vienas (Dakota Fanning) – genau genommen strikt die Phase, welche sie (irgendwann in den Achtzigern) zusammen mit der All-Male-Post-Punk-Band “the Fantomes” verbringt. Obgleich man es vom Titel her spontan so denken dürfte – wie z.B. bei “Josie and the Pussycats” – ist Viena jedoch nicht die Lead-Sängerin der Gruppe, sondern eine Kombination aus Roadie und Groupie. Im Verlauf lernen wir nur sehr wenig über sie – über ihren Background, ihre Motive, Ambitionen etc. – wohl aber, dass Viena nicht ihr richtiger Name ist; sie mit Julia allerdings nicht angesprochen werden möchte. Über ihre zur Crew gehörenden Freundin Loona (Sarah Steele) erhält sie Zugang zu dieser in einem kleinen Konvoi aus Wohnmobilen und Wagen mit Anhängern von Gig zu Gig reisenden Gemeinschaft – wird Teil der Entourage und genießt die sich ihr bietende Erfahrung. Trotz gut besuchter Konzerte ist das Geld knapp – doch man zieht an einem Strang und hofft zuversichtlich auf den baldigen “großen Durchbruch”…

Es braucht eine Weile, bis man einen Überblick besitzt, wie die einzelnen Band-Mitglieder überhaupt heißen, von wem der Gesang stammt sowie wer eigentlich welches Instrument spielt. Nie werden die Herrschaften in ihrer Gesamtheit auf der Bühne gezeigt – immerzu bloß flüchtig, individuell, geradezu beiläufig. Zudem wird einem keinerlei Gelegenheit geboten, ihre Musik mal “in Ruhe” zu hören. An solchen Dingen ist der Film offenkundig nicht interessiert: Konsequent werden dem Zuschauer Details jeglicher Art verwehrt – was gewöhnungsbedürftig ist. Unweigerlich veranlasst einen der Mangel an Kontext und Charakter-bezogenen Informationen dazu, entweder anwachsend frustrierter eben darüber zu werden oder sich dem Ganzen einfach “hinzugeben” und nicht mehr als eine oberflächliche “Fly-on-the-Wall-Beobachterrolle” einzunehmen. Ob Naranjo ursprünglich wohlmöglich eine längere, “tiefschürfendere” Fassung im Sinn hatte, welche ohne sein Zutun jedoch auf die nun vorliegenden 89 Minuten “zusammengeschnitten” wurde, ist mir indes nicht bekannt…

Laut Produzent Chris Ramirez war der Editing-Prozess tatsächlich einer der zentralen Gründe für die Release-Verzögerung, da man nunmal so lange dafür benötigte, mit viel Ruhe und Geduld aus dem Footage ein vom “Stil und Flow” her als “optimal” erachtetes Ergebnis zu gestalten. Gewiss angelockt dadurch, dass einige der Beteiligten seit 2014 noch prominenter geworden waren, kam “Universal” dann 2018 mit an Bord – allerdings wusste man auch dort scheinbar nicht wirklich, wie man diesen relativ “unkommerziellen Indie” am besten vermarkten sollte. Wie eingangs erwähnt, lief das am Ende auf eine sehr “sang- und klanglose” Veröffentlichung hinaus, welche der Streifen so (bspw. ohne auf DVD oder BluRay zu erscheinen) nicht verdient hat. “Viena and the Fantomes” lässt sich im Prinzip als ein Gegenbild zu Cameron Crowe´s “Almost Famous” bezeichnen: Das hier ist ein inhaltlich wie optisch unglamouröses, überwiegend gefühlsarm-kühles, mitunter wahrhaft ungemütliches Drama – definitiv kein beschwingtes, das Band-Leben romantisierendes “Feel-Good-Movie”…

Neben Viena und Loona gehören u.a. noch Rebecca (Olivia Luccardi) sowie der charmante, gern BMX-Rad fahrende Brite Keyes (Frank Dillane) zu den Roadies. Mit ihm freundet sie sich rasch an, und sie flirten miteinander – allerdings hat Viena vor allem ein Auge auf Drummer Freddy (Jeremy Allen White) geworfen, der jedoch fest mit Susi (Evan Rachel Wood) zusammen ist. Als eines Tages ein Zoff zwischen den Mädels eskaliert, nachdem es Viena abgelehnt hatte, einen Arbeits-Auftrag Susis auszuführen – nämlich das Bad ihres und Freddy´s Campers zu putzen – setzt sich Freddy auf einmal unerwartet stark dafür ein, sie nicht zu feuern – was Susi´s Wut obendrein um Enttäuschung anreichert sowie in einem weiteren “emotionalen Ausbruch” resultiert: Der Ausgang des Streits ist, dass das Paar “getrennte Wege” geht – Susi auf Nimmer-Wiedersehen abreist. Nicht allein bloß seitens Band-Leader Albert (Caleb Landry Jones) und seiner Partnerin Madge (Zoë Kravitz) eher kritisch betrachtet, wird Viena wenig später zu Freddy´s Freundin und zieht mit zu ihm in dessen Wohnmobil ein…

Generell sind die Band-Mitglieder recht unsympathische Typen. Boyer (Philip Ettinger) z.B. ist ein Frauen häufig abwertend behandelnder “Arsch”, der in einer Szene zunehmend wütender und beleidigender darauf reagiert, dass Viena es standhaft ausschlägt, von ihm angebotenen Alkohol zu trinken. Dass Albert einen “creepy” Eindruck erweckt, resultiert nicht unwesentlich aus der Art und Weise, wie Jones ihn portraitiert. Zudem wird sein Aggressions-Potential evident, als ihn eine Journalistin (Jenny Pellicer) mal auf ein “Gerücht” anspricht, dass er und ein anderer beinahe eine 16-Jährige in einem Whirlpool ertränkt hätten. Derweil entpuppt sich Freddy sowohl als besitzergreifend gegenüber Viena als auch als “mental instabil” – mit beeinflusst durch die Substanzen Schrägstrich Pillen, die er regelmäßig konsumiert. Aus Eifersucht und Misstrauen drängt er sie dazu, den Kontakt zu Keyes auf ein absolutes Minimum zu beschränken – und das obgleich ihre Entscheidung, seine Freundin zu werden, ohnehin schon eine Kluft zwischen ihr und den Angehörigen der Entourage gerissen hat…

“Viena and the Fantomes” zeigt einem unterschiedliche Beziehungs-Strukturen, Abhängigkeiten, Ansichten und Dynamiken innerhalb dieser speziellen Gruppe von Leuten auf – einige davon destruktiver, misogyner und/oder “toxischer” Beschaffenheit. In diversen Aspekten waren die Achtziger “eine andere Zeit” – und dennoch lässt sich vieles ohne weiteres auf die Gegenwart übertragen. Der Reiz von “Counter-Culture, Sex, Drugs & Music” – das Milieu, durchs Land zu reisen etc. – besteht weiterhin. Viena will als eigenständige Person anerkannt, und nicht etwa als “Anhängsel” angesehen zu werden. Hauptsächlich gilt es für sie da, Albert´s Argwohn zu entkräften sowie sich von Freddy nicht zu sehr bestimmen zu lassen. Dass das mit ihr und ihm nicht lange gutgehen kann, ist eigentlich klar. Eines Tages muss er mit der Band an die Ostküste fliegen – allerdings ist nicht genügend Geld vorhanden, um sie ebenfalls mitzunehmen. Also bleibt sie zurück, hängt wieder mehr mit Loona, Rebecca und Keyes ab – begleitet letzteren zu einem BMX-Rennen und bemerkt im Zuge dessen erneut, wie gern sie seine Gesellschaft doch hat…

Viena und Keyes schlafen miteinander – und da ihnen bewusst ist, dass der künftige Umgang mit Freddy “schwierig” werden dürfte sowie was es gewiss auslösen würde, sollte er (samt der Band) je davon erfahren, erkeimt die Idee, einfach ihre Sachen zusammenzupacken und gemeinsam zu verschwinden. Bevor sie ihren Plan umsetzen können, kehren die “Fantomes” allerdings auf den ländlichen Campingplatz zurück, auf dem sie ihre Fahrzeuge für die betreffende Dauer abgestellt hatten: Tja, so war das halt damals – so ohne Kontakt via Handy oder Internet. Prompt werden sie “erwischt”: Zwar nicht im Bett – doch die Situation ist im Grunde nicht misszudeuten. Mit ihnen ist aber noch jemand angereist: Ihr Manager Monroe (Jon Bernthal) – seines Zeichens ein ziemlich einschüchternder Herr, der bestrebt darin ist, dass “seine Investition” möglichst einträglich und gut funktioniert. In der Hinsicht hatte ihm Freddy schon in New York “Sorgen bereitet“ – und nun droht das Vorgefundene das natürlich nur noch weiter zu verstärken. Sein eindringlicher Appell an Viena, das “rasch und vernünftig zu richten”, flößt ihr unweigerlich Angst ein…

Vom gesamten “Feeling” her – inklusive der markant aus “ausgewaschenen” gräulich-bräunlichen Tönen bestehenden Farbgebung – war “Viena and the Fantomes” bis dahin ja auch beileibe keine unbedingt “heitere” Angelegenheit – doch von dem Punkt an wird der Film wahrlich “unbehaglich-düster”. Nachdem sich Monroe zurückzieht, sieht sich Viena mit Freddy und Albert konfrontiert: Sie versucht, sie zu besänftigen; die ganze Lage zu entschärfen – während jene in verschiedener Weise auf sie einwirken, mit ihr weg von den anderen fahren, Schnaps kaufen und sie dazu drängen, diesen zu trinken sowie (im Anschluss daran) Drogen zu nehmen. Wie weit werden sie jeweils gehen? Verletzte Gefühle, der Wunsch nach einer Form von Rache genau dafür, die Befürchtung, dass die Band daran zerbricht und ihre Zukunfts-Ambitionen scheitern – gepaart mit BTM-Missbrauch sowie “ungefestigten Psychen”: Eine konkrete Gefahr. Die Anspannung überträgt sich aufs Publikum – zumal nicht abzusehen ist, für welchen Ausgang dieser Eskalation sich Naranjo wohl entschieden haben mag…

Als Lead liefert Dakota Fanning (“Brimstone“) einmal mehr eine überzeugende Leistung ab. Selbstbewusst, aber körperlich (gerade von Männern) verletzbar, weiß Viena eingangs, dass ihre “Position im Gefüge” ein Maß an “Herumgeschubstwerden” mit sich bringt – zieht für sich selbst da aber strikte Grenzen, die sie erst zum Ende hin (stark unter Druck gesetzt) nicht weiter einhalten kann. Dank Caleb Landry Jones (“Byzantium“) – seiner Art zu reden und zu spielen – ist Albert ein echt unheimlicher Zeitgenosse – während Freddy (Jeremy Allen White aus “Twelve“) mit so einigem nicht vernünftig umzugehen weiß und daher oft mürrisch reagiert und/oder zu Pillen greift. Frank Dillane (“Astral”) verleiht Keyes indes einen angenehmen Charme, Evan Rachel Wood (TV´s “Westworld“) stellt im Rahmen ihrer limitierten Screen-Time die Selbstunsicherheit Susis nachempfindbar heraus und in weiteren Nebenparts agieren u.a. Zoë Kravitz (“the Batman“), Jon Bernthal (“Snitch“), Sarah Steele (TV´s “the Good Fight”), Olivia Luccardi (“It Follows“) und Philip Ettinger (“Compliance”) durch die Bank weg solide…

Mit dem prinzipiellen Mangel an Backstorys fällt es einem schwer, eine ergiebige “Connection” zu den Charakteren aufzubauen. Ja, man sorgt sich um Viena´s Wohl – doch ist das eher Fanning als der Ausgestaltung ihrer Rolle zuzurechnen. Das grundlegend “unspezifische” Herangehen soll offenbar den Alltag “on the Road“ vermitteln – in der Beziehung, dass die einzelnen Städte, Gigs, Partys, Highways, Tätigkeiten und Zwischenstopps (in Kombination mit dem “vernebelnden Rausch” der Zigaretten, Drinks und Drogen) irgendwann “nahezu gleich aussehen”. In dem Sinne wurde trotz des Drehs in und um Las Vegas bspw. darauf geachtet, dass nie bekannte Locations zu erkennen sind. Mir gefiel die “abgewetzte” Ausstattung und Ästhetik, Details wie abgeplatzter Nagellack, Viena´s Schminke, die Kamera-Arbeit von Emilio Valdés (“Rezeta”) sowie der komplette “Indie Vibe” des Streifens. Man kann sagen, Naranjo hat die Chance nicht genutzt, die Musik und das mit ihr verknüpfte Business jener Ära anhand dieser Band und den Erlebnissen Vienas näher zu beleuchten – aber das hatte er scheinbar ja auch überhaupt nicht vorgehabt…

Kurzum: An sich sozusagen als “Kontrast-Programm” zu “Almost Famous” nicht ohne Reiz, ist “Viena and the Fantomes” in seiner vorliegenden Form ein “unebenes”, einen bestenfalls eingeschränkt zufrieden stellendes Werk, welches in erster Linie für Fans der Darsteller von Interesse sein dürfte…

knappe7 von 10

Weltweit scheint “Viena and the Fantomes” weder auf DVD noch BluRay erhältlich zu sein – bloß als “Video-on-Demand”. Für Deutschland sind mir indes generell noch keine Veröffentlichungspläne bekannt…

Stefan SeidlViena and the Fantomes

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Viena and the Fantomes

Copyright der “Viena and the Fantomes” Postermotive und Pics/Screenshots: Lola Pictures / Mutressa Movies / Ousia Ent. / Silver State Prod. / Verisimilitude / Universal Pictures (US) __ Infos zur amerikanischen VÖ: Freigabe: Rated R__ DVD/BluRay: nein/nein

 

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