Originaltitel: Identity Thief__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2013__Regie: Seth Gordon __Darsteller: Jason Bateman, Melissa McCarthy, Jon Favreau, Amanda Peet, T.I., Genesis Rodriguez, Morris Chestnut, John Cho, Robert Patrick u.a. |
2012 schnitten die teuren Blockbusterkandidaten „Battleship“ und vor allem „John Carter“ an der Kasse legendär schlapp ab, dieses Jahr blieben Actiongroßprojekte wie „The Last Stand“ und „Stirb langsam 5“ hinter den kommerziellen Erwartungen zurück, während die Komödie „Identity Thief “ einen der wenigen Hits des Kinofrühjahres in den USA darstellte.
Neu ist diese Entwicklung nicht: Während teures Kino nicht so schnell in die schwarzen Zahlen kommt, obwohl selbst Actionfilme wie „Stirb langsam 4.0“ auf PG-13 getrimmt werden, sahnen Komödien mit R-Rating in den letzten Jahren immer wieder ab. So auch die Hits aller Beteiligten: „Ted“, „Brautalarm“, „Kill the Boss“. Nicht nur der Regisseur des letztgenannten ist hier an Bord, auch der Hauptdarsteller und wieder in der Rolle des leidensfähigen US-Everyman, hier mit dem Namen Sandy Bigelow Peterson (Jason Bateman). Der wird von seinem Chef Harold (Jon Favreau) geknechtet, nimmt nicht viel Geld ein und gibt bereitwillig seine Daten heraus, als man ihm am Telefon eine angebliche (und angeblich kostenlose) Versicherung andrehen will.
Doch keine Versicherungsgesellschaft, sondern eine Trickbetrügerin (Melissa McCarthy) ist am anderen Ende der Leitung und klaut flugs Sandys Identität, um damit Sauftouren, Besuche in Schönheitssalons und den Kauf von Jetskis zu finanzieren. Und schon hier ist „Identity Thief“, hierzulande mit dem intellektuell tiefer gelegten Titel „Voll abgezockt“ bedacht, brav und moralinsauer: Während Sandy daheim bei zwei nutellabiberputzigen Töchtern den liebe- und ehrenvollen Papi gibt, während Ehefrau Trish (Amanda Peet) bereits das dritte Kind erwartet, ist die Betrügerin eigentlich eine einsame Frau, füllt ihr leeres Leben mit sinnlosem Konsum und Trinkbekanntschaften, die sie aber nicht wirklich schätzen – wie ein Barmann es auch noch einmal expressis verbis sagen muss.
Der Betrug fliegt auf, doch der Polizei in Denver sind die Hände gebunden, da die Identitätsdiebin in Florida sitzt. Da Schulden und die Verstrickung in eine Waffen- und Drogengeschichte Sandys Zukunft bedrohen, fliegt er nach Florida. Bald stellt er die Betrügerin und will sie nach Denver bringen, doch noch andere Leute sind hinter der geschickten Kriminellen her…
Lasst euch vom Trailer amüsieren
Und da beginnen auch schon die schreiberischen Probleme des Films: Wie Diana, wie die Trickbetrügerin von einem Killerduo genannt wird, nun genau mit dem Waffen- und Drogenring, den sie beklaut hat, zusammenhängt, erklärt der Film nie so recht, die beiden Auftragsmörder dienen als reiner Plotkatalysator, ähnlich wie der Kopfgeldjäger (Robert Patrick), der Sandy und Diana ebenfalls verfolgt. Doch auch danach kommt der Film von Hölzken auf Stöcksken, hetzt sein Hauptdarstellerduo durch lose verbundene Situationen und lässt die Verfolger auftauchen wie es ihm gerade beliebt. Woher diese nun den Aufenthaltsort der Verfolgten kennen, selbst nach Irrwanderungen im Walde, kann „Identity Thief“ nie zufriedenstellend erklären oder nur ganz lapidar („Das Auto hat ein Ortungssystem“), wobei auch diese Erläuterungen meist nur zu mehr offenen Fragen führen. Dass die Grundgeschichte konstruiert ist und die Gründe, warum Sandy nun persönlich nach Florida eiern muss, eher fadenscheinig, das hätte man ja gerne noch durchgewunken, immerhin stets es im Dienst der Prämisse, doch der Film zerfasert bald. Und da ist es fast schon folgerichtig, dass die Schurken am Ende unspektakulär und lapidar aus der Handlung entfernt werden.
Noch dazu ist der Film reichlich moralinsauer und brav, denn natürlich führt die Reise durch die USA nicht nur nach Denver, sondern auch zu Dianas Selbsterkenntnis, natürlich kann Sandy sich noch nicht einmal durchringen dem durch und durch arschigen Harold so wirklich empfindlich zu schaden und natürlich geht am Ende alles gut aus – auch wenn Diana ein wenig Buße tun muss, aber Läuterung gibt es ja nicht umsonst. Da ist schade, denn gerade Filme wie die vorigen Hits aller Beteiligten hatten dem Mut dazu auch mal böse zu sein, auch mal Grenzen zu überschreiten, trotz Happy End, trotz gewisser Konventionen.
Immerhin: Stellenweise ist „Identity Thief“ schon vergnüglich und verzichtet dazu noch auf simplen Dicke-Menschen-sind-lustig-Humor, sondern behandelt Diana mit Respekt. Nicht alle Gags zünden, die Autojagden und -stunts, ohne die Komödien wie z.B. der artverwandte „Stichtag“ anscheinend nicht mehr auskommen, sind nett gemacht, aber mehr auch nicht, manche Slapstickeinlage und mancher Kotzwitz wirkt eher peinlich als lustig. Doch dazwischen kann „Identity Thief“ immer wieder gelungene Gags bieten, läuft in der Filmmitte sogar zu regelrechter Hochform auf, wenn ein Szenenblock kommt, in dem Diana Sandy erst als ihren gemeinen, genitalversehrten Ehemann ausgibt, eine Hotelzimmerbuchung zum Marathon der gegenseitigen Beleidigungen wird und die darauf folgende Nacht im Zimmer (inklusive eines abgeschleppten Sexualpartners für Diana) wirklich famosen Slapstick bietet. In diesen Szenen kann man sich königlich amüsieren, ähnlich wie bei einer brachialen, aber komischen Schlägerei zwischen Sandy und Diana im mit Nippes vollgestopften Eigenheim der Betrügerin. Schade, dass der Film dieses Niveau nicht durchgängig hält.
Die Besetzung ist Typecasting, aber so kann auch jeder zu seinen Stärken stehen: Jason Bateman ist mal wieder der Normalo, dem von allen Seiten her eingeschenkt wird, schon allein sein Name ist Ziel eines Running Gags, wenn er immer wieder betonen muss, dass „Sandy“ geschlechtsneutral sei. Und es ist ein klassische Strategie der Komik dem Straight Man jemand Quirligen an die Seite zu stellen, hier also Melissa McCarthy, die zwar nicht so gut wie in „Brautalarm“ ist, aber doch überzeugt: Auch die feinen Seiten Dianas, die unter lautem Gebaren und vielen Stylingprodukten verborgen sind, bringt sie zum Vorschein. Amanda Peet („Keine halben Sachen“) als Ehefrau ist Staffage, T.I. und Genesis Rodriguez als Killerduo unterfordert und John Cho sowie Morris Chestnut dürfen auch nur Bitparts beisteuern. Die Nebenrollengewinne sind zum einen „Iron Man“-Regisseur Jon Favreau als Schmierlappen von einem Chef (Regisseur Seth Gordon muss etwas gegen Bosse haben), zum anderen der wie schon in „Gangster Squad“ als harter Hund glänzende Robert Patrick, der als alteingesessener, tätowierter Kopfgeldjäger seine wenigen Szenen an sich reißt und mit einer Referenz bezüglich seiner „Terminator 2“-Rolle geadelt wird.
Dank der spielfreudigen Hauptdarsteller und einiger echt lustiger Passagen ist „Identity Thief“ eine zwar brave, handelsübliche und stellenweise mäßig geplottete, aber auch durchaus ganz vergnügliche Komödie. Die Beteiligten haben mit ihren früheren Hits aber bewiesen, dass sie noch mehr können, Komödienschaffende wie Judd Apatow tun dies immer wieder – da ist nicht ganz zu verstehen, warum ausgerechnet dieser Film zu einem derartigen Abräumer wurde.
Gute:
„Voll abgezockt“ läuft ab dem 28. März in den deutschen Kinos. Inzwischen ist der Film auch auf DVD und Blu-ray zu haben.
© Nils Bothmann (McClane)
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