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Widows – Tödliche Witwen

Originaltitel: Widows__Herstellungsland: USA/Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Steve McQueen__Darsteller: Viola Davis, Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki, Cynthia Erivo, Colin Farrell, Brian Tyree Henry, Daniel Kaluuya, Carrie Coon, Jacki Weaver, Liam Neeson, Garret Dillahunt, Robert Duvall, Jon Bernthal, Lukas Haas, Garret Dillahunt u.a.
Widows - Tödliche Witwen

In Steve McQueens “Widows” tun sich Viola Davis, Michelle Rodriguez und Elizabeth Debicki als Gangster-Witwen zusammen

Für seinen vierten Spielfilm nach „Hunger“, „Shame“ und „12 Years a Slave“, „Widows“, der US-Kinoadaption einer britischen Miniserie, holte sich Regisseur Steve McQueen fürs Drehbuch prominente Unterstützung: Gillian Flynn, die sowohl die Vorlage als auch das Script für „Gone Girl“ verfasste, schrieb den Film gemeinsam mit ihm.

Der Auftakt montiert Privat- und Berufsleben von vier verheirateten Männern gegeneinander. Harry Rawlings (Liam Neeson) kuschelt in der Luxuswohnung mit seiner Frau, der Lehrerin Veronica (Viola Davis). Carlos (Manuel Garcia-Rulfo) streitet sich mit Linda (Michelle Rodriguez), weil er nicht nur seinen Lohn verjubelt, sondern auch die Einnahmen ihres Brautmodengeschäfts. Der jähzornige Florek (Jon Bernthal) ist abwechselnd zärtlich und brutal zu Alice (Elizabeth Debicki). Jimmy (Coburn Goss) und Amanda (Carrie Coon) haben gerade erst ein Kind bekommen. Diese unterschiedlichen (und unterschiedlichen glücklichen) Ehen sind dadurch verbunden, dass die Männer gemeinsam Raubüberfälle unter Harrys Leitung begehen, doch die Auftaktsequenz zeigt einen Coup, der verheerend schiefgeht und an dessen Ende die Gangster im Kugelhagel der Polizei sterben.

Das mag zum Geschäft in Chicago gehören, wo gerade Kommunalwahl ist und zwei Kontrahenten gegeneinander antreten: Jack Mulligan (Colin Farrell), der Sohn des amtierenden Politpatriarchen Tom (Robert Duvall) gegen den schwarzen Newcomer Jamal Manning (Brian Tyree Henry). Die aussichtsreichen Kandidaten sind beide nicht koscher: Jack steht für alte Seilschaften und Korruption, Jamal ist Großdealer, der nun auf weniger gefährliche, respektablere, aber genauso krumme Tour wie zuvor verdienen will. Harrys letzter Raub betraf unglücklicherweise seine Wahlkampfkasse, weshalb er die Knete von Veronica einfordert. Schon hier treffen sich das Kleine und das Große, das Persönliche und das Politische, die Mikro- und die Makroebene.

Veronica kann das Geld nicht aufbringen, findet in Harrys Nachlass aber dessen Tagebuch, in dem die Pläne für vergangene und zukünftige Coups aufgeschrieben sind. Sie kontaktiert die anderen Witwen, von denen Linda und Alice ihrem Ruf folgen. Gemeinsam wollen sie einen von Harry geplanten Raub ausführen und die Schulden wieder loswerden, während ihnen Jamal im Nacken sitzt…

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Man kann „Widows“ sicher als Heist Movie betrachten, doch weniger im Stile komplexer Planspiele wie der „Ocean’s Eleven“-Reihe. McQueens Film ist mehr in der sozialen Realität verortet, ähnlich wie „The Town“ und „Triple 9“, weshalb der Coup und die Planung nur ein Teil des Ganzen sind. Veronica, Linda und Alice, später unterstützt durch die Friseurin Belle (Cynthia Erivo), planen zwar ihre Schritte, erpressen einen Mann von der Sicherheitsfirma, legen Rollen wie jene des Fahrers fest, doch der Raub bleibt einfach und überschaubar, baut nicht auf zig Unwägbarkeiten. Auf clevere, aber lebensnahe Art müssen Waffen und Fluchtwagen besorgt werden, muss der Standort eines Gebäudes festgestellt werden, von dem den Witwen bisher nur ein Bauplan vorliegt. Dabei setzen sie ihre jeweiligen Talente und Fähigkeiten ein, nutzen die Konzeption vom angeblich schwachen Geschlecht aus, damit ihnen andere auf den Leim gehen, müssen aber auch ihre Privatleben auf die Kette bekommen. Hier ist nichts glamourös, hier muss für Kinderbetreuung gesorgt werden, wenn Mami den Raub des Jahres plant, hier müssen die Witwen feststellen, dass sie nur kleine Fische in einem großen Haifischbecken sind.

Denn da ist noch die andere Ebene, jene der Politik, in der mit allen Mitteln, mit allen Kniffen und Tricks gekämpft wird. Weder Jack noch Jamal ist eine gute Wahl. Die Mulligans sind arrogante Großkotze, Vater Tom erweist sich als sexistischer und rassistischer Patriarch, der an alten Pfründen klebt wie Bärendreck. Jamal hingegen ist ein skrupelloser Gangster, dessen rechte Hand Jatemme (Daniel Kaluuya) rücksichtslos mordet und foltert. Es gehört zu den Schwächen des Scripts, dass manchmal nicht ganz klar ist warum Jamal und Jatemme Veronica öfter ins Handwerk pfuschen, während diese den Coup vorbereitet, der ihnen Geld bringen soll, aber es zeichnet ein Bild einer gnadenlosen Dog-Eat-Dog-Welt, in welche die bisher gesetzestreuen Witwen hineingeworfen werden.

Dabei lässt sich die Handschrift von Gillian Flynn erkennen, denn wie „Gone Girl“ ist auch ein „Widows“ ein zynischer Film, ohne dass diese Wertung negativ zu sehen ist. Wo ihr voriger Thriller mit Ehen, Familien und Medien abrechnete, da ist „Widows“ ein ähnlicher Rundumschlag. Die Politik ist hoffnungslos verderbt, der Stand der zwischenmenschlichen Beziehungen auch nicht in Ordnung. Die Witwen misstrauen einander, gerade Veronica leitet als Anführerin mit einer Mischung aus Fürsorge und Kälte: Sie gibt den anderen Geld, damit diese vorerst über die Runden kommen, gibt ihnen aber genauso zu verstehen, dass sie sie ebenfalls bei Jamal anschwärzen wird, damit sie die Schulden nicht allein zurückzahlen muss. Alice‘ materialistische Mutter Agnieska (Jacki Weaver) schlägt ihr nach Floreks Tod eine Arbeit als Escortdame vor, damit sie sich weiter ihren Lebensstil finanzieren kann. In diesem Gefüge erweisen sich auch vermeintlich nette und schüchterne Figuren später oft als eiskalt kalkulierende Arschgeigen – und wer wirklich zu nett ist, der kommt meist unter die Räder.

Dabei profitiert der Film von seiner Besetzung. Viola Davis („Blackhat“) als gleichzeitig tief trauernde und kühl planende Veronica und Elizabeth Debicki („The Cloverfield Paradox“) als anfangs naive Alice, die schnell die Regeln des Spiels lernt, stechen vor allem heraus, aber ihre Komplizinnen Michelle Rodriguez („Tomboy“) und Cyntha Erivo („Bad Times at the El Royale“) schlagen sich ebenfalls wacker. Liam Neeson („The Commuter“), der größte Star des Films, ist nach der Anfangsszene nicht ganz raus, Rückblenden, Visionen und ähnlichen Kniffen sei Dank, aber er bleibt eine Randfigur. Robert Duvall („Jack Reacher“) trumpft als giftspuckender Greis auf, noch besser ist Colin Farrell („Die Vorsehung“) als sein Sohn, der einerseits Karrierist ist, andrerseits an den Fußstapfen verzweifelt, die er zu füllen hat. Brian Tyree Henry („Hotel Artemis“) und Daniel Kaluuya („Black Panther“) sind ebenfalls gut, müssen aber eher eindimensionale Gangsterrollen ausfüllen, während Carrie Coon („Kin“) kaum etwas zu tun hat. Jon Bernthals („Wind River“) Rolle ist ein besserer Cameo, während zwei Nebendarsteller noch auftrumpfen können: Lukas Haas („Gangster Chronicles“) als Architekt, mit dem sich Alice einlässt, und Garret Dillahunt („Braven“) als Veronicas geistig einfach gestrickter, schüchterner Chauffeur Bash.

All diese fast durchweg stark aufspielende Akteure und Figuren vernetzen Flynn und McQueen in einem meist geschickt geschriebenen Thrillerdrama, das oft geschickt Twists vorbereitet, in dem kurz erwähnte Details wie ein Flachmann oder ein Kinderspielzeug später eine Rolle spielen, sodass der Film seine Wendungen nicht groß erklären muss. Auch die Vergangenheit erweist sich als wichtig, gerade wenn der Film das Eheleben von Harry und Veronica aufrollt, dabei das Portrait einer komplizierten Ehe zeichnet, das auf die aktuellen Ereignisse einwirkt. Thriller und Drama bedingen hier einander. Allerdings hat man manchmal das Gefühl, dass die Autoren es zu gut mit dem Zuschauer meinen, noch den einen oder anderen Plottwist und Überraschungseffekt drauflegen, nur damit man die nächste Überraschung aus dem Hut zaubert. Doch genau dadurch wirkt „Widows“ im Schlussakt etwas sehr konstruiert, kaum anders als Twist-O-Rama-Thriller wie „Non-Stop“, „Trance“ oder „Now You See Me“, was sich mit dem sonst so nüchternen, eher realistischen Ton etwas unschön beißt.

Und trotzdem: „Widows“ ist trotz einer Länge von gut zwei Stunden kurzweilig, packend und mit seinem zynischen, düsteren, aber nicht ganz hoffnungslosen Blick auf Politik, Gesellschaft und Ehe für sich einnehmend. Stark gespielt, aufmerksam inszeniert und meist begnadet geschrieben, selbst wenn der nüchterne Realismus im Schlussakt für ein paar konstruierte Twists geopfert wird.

Starke:

20th Century Fox bringt „Widows” ab dem 6. Dezember 2018 in die deutschen Kinos. Von der FSK gab es eine Freigabe ab 16 Jahren.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: 20th Century Fox__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 6.12.2018 in den deutschen Kinos

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