Originaltitel: Zack Snyder’s Justice League__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Zack Snyder__Darsteller: Ben Affleck, Henry Cavill, Amy Adams, Gal Gadot, Ray Fisher, Jason Momoa, Ezra Miller, Willem Dafoe, Jesse Eisenberg, Jeremy Irons, Diane Lane, Connie Nielsen u.a. |
Nachdem die Allgemeinheit das quietschig-quatschige Ensemble-Desaster „Justice League“ von Notlösung Joss Whedon ein wenig hatte sacken lassen, dauerte es auch nicht lange, bis man sich auf seinen vermeintlich größten Mangel geeinigt hatte: Es musste sich um die auf ein Häufchen Elend zusammengeschnittenen Figuren handeln. Nur noch Schatten ihrer selbst seien die Helden, die in der Vergangenheit bessere Auftritte hingelegt hatten. Bloßgestellt durch eine unglückliche Auswahl alberner Szenen, in ihrer Entfaltung gehemmt, weil man keinem von ihnen genug Aufmerksamkeit zuteil werden ließ, vor allem nicht den Neuen im Team, Cyborg und The Flash. In der Tat erwies sich der Umgang mit den Figuren als ein großes Problem: Austauschbare Strichmännchen hüpften da mit flatterndem Umhang, wahlweise auch flatterndem Haar oder flatternden Gliedmaßen durch bonbonbunte Digitalräume, um ein besonders gefährliches Strichmännchen zu jagen und in seine Einzelstriche zu zerlegen.
Und wer waren in dem Strudel physikalischer Unmöglichkeiten die Bösen? Nicht etwa Steppenwolf und seine geflügelte Sippe hässlicher Fliegenmenschen. Auch nicht die Bluescreens und die Bildbearbeiter, die mit ihrer Arbeit jede Bodenhaftung tilgten. Nicht einmal unbedingt Joss Whedon, der als zweite Wahl mit Studio-Auflagen behangen ohnehin nur verlieren konnte. Nein, die fiesen Anzüge aus den hohen Warner-Etagen wurden zum Feindbild auserkoren, jene, die es wagten, ein potenzielles Epos auf zwei Stunden zu kürzen, um es in die Kino-Slots quetschen zu können. Die Lösung für alle Probleme? Ganz einfach: Release the Snyder Cut. Mit allem drum und dran. Je mehr, desto besser, denn den sechs Superhelden aus dem Bündnis der Gerechten kann man gar nicht genug Zeit zum Glänzen geben.
Nun ist sie da, die ursprüngliche Vision, und ihr Erschaffer Zack Snyder gedenkt die versalzene Suppe vor allem mit Unmengen einer ganz bestimmten Zutat zu retten: Zeit. Berge davon schüttet er in den Kessel, um die Überdosis Unfug zu neutralisieren. Sagenhafte vier Stunden sind es am Ende, ein wenig mehr noch als immerhin zwei der drei „Herr der Ringe“-Verfilmungen in ihrer Extended-Fassung. Hintergrundgeschichten werden in dieser Zeit weiter aufgerollt, Beziehungen vertieft, Motivationen ergründet. Natürlich lässt es sich der Mann nicht nehmen, hier und da auch mit seinen Lieblingsspielzeugen zu spielen: Hier ein wenig Zeitlupe, da ein paar Soundtrack-Schnipsel. Überdies wird das Gerüst um diverse Whedon-Only-Szenen entschlackt, so dass die tatsächlichen Überschneidungen der beiden Schnittfassungen erstaunlich gering ausfallen und sich hauptsächlich in den beiden großen Action-Höhepunkten zur Mitte und gegen Ende verdichten. Der holprige Spießrutenlauf aus der verkrüppelten Kinoversion wird zu einem samtigen Gedicht, das der Wind als Echo von einem Schauplatz zum nächsten trägt. Doch was bekommt man ganz am Ende serviert, nachdem man die vier Stunden mit mächtig Sitzfleisch durchlebt hat?
Immer noch dieselben Strichmännchen, die einen Oberstrichmann in seine Einzelstriche zerlegen.
Natürlich, speziell Ray Fisher und Ezra Miller werden jetzt mit viel mehr Fürsorge bedacht. Auch die Etablierten um Batman, Superman, Wonder Woman und Aquaman bekommen noch einmal eine Extraportion Streicheleinheiten. Snyder nutzt kleine, aber namhaft besetzte Nebenrollen wie jene von Jeremy Irons (Alfred), Amy Adams (Lois Lane), Willem Dafoe (Nuidis Vulko) oder Joe Morton (Silas Stone) strategisch aus, um die Entwicklung der Protagonisten anzustoßen und ihre Entscheidungen organischer wirken zu lassen. Doch gewinnen sie dadurch auch wirklich an Tiefe oder ist es nicht vielleicht einfach nur so, dass ihre Handlungen und Motivationen nicht mehr ganz so abstrus wirken wie einstweilen noch im Whedon-Cut?
Man kann nun jedenfalls nicht gerade sagen, dass man am Ende sechs hochkomplexe Charakterprofile serviert bekäme, die jegliche in sie investierte Zeit rechtfertigen. Nach wie vor fällt das Sextett hauptsächlich durch die typischen Oberflächlichkeiten zeitgenössischer Comic-Blockbuster auf, speziell durch seine inkohärente optische Zusammensetzung, die nicht mehr weit davon entfernt ist, den Kostümkitsch der 60er-Jahre-Batman-Serie wiederauferstehen zu lassen (abzüglich des nostalgischen Charmes, versteht sich). Wenn es um das Zusammenspiel von Kräften geht, sind die ersten Adaptionen der „X-Men“ aus den 00er Jahren dem unkoordinierten Zusammenspiel der Justice League immer noch weit voraus, bewahren Batman’s Finest doch allenfalls beim gemeinsamen heldenhaften Synchronstehen auf Anhöhen mit Blick auf die zu rettende bzw. gerettete Welt Haltung. Und wenn man sich mal anschaut, welch dichtes Persönlichkeitsprofil man bei Marvel alleine einem Peter Quill in den ersten fünf Minuten von „Guardians of the Galaxy“ verlieh, da fängt man an zu zweifeln, dass Snyder auch nur noch einen weiteren Tropfen aus seinen bunten Actionfiguren hätte pressen können, selbst wenn man ihm dafür noch einmal vier Stunden gegeben hätte.
Der Kern des Problems liegt natürlich nicht im vorliegenden Film, sondern in seiner Wegbereitung. Wie kann auch ein Ensemblefilm gelingen, wenn er auf Bruchstücken errichtet ist und keinen roten Faden zur Verfügung hat, den er aufgreifen kann? Ein wenig scheint der Batman-Subplot diese Problematik sogar selbstironisch aufzugreifen, wenn Alfred den ausbleibenden Erfolg der Rekrutierungsbemühungen seines Herrn damit begründet, dass dieser ja schließlich auch den Großteil seiner Zeit einsam in Höhlen verbringt. Das Bewusstsein für das wacklige Fundament der DC-Franchise ändert aber nichts an der eigentlichen Problematik, dass die DC-Helden, die in ihren Solo-Abenteuern womöglich sogar zum Teil funktionieren, im Verbund zum Scheitern verurteilt sind, weil sie kaum mehr zu bieten haben als aufgeblasene Kostüme und ein paar hohle Sprüche, mit denen die gebündelten Superlative gegenseitig egalisiert werden. Egal ob die weiteren Szenen nun für zusätzliche Hintergründe der einzelnen Figuren sorgen oder nicht.
So verbringt man nun also weitaus mehr Zeit mit der Garde der vernachlässigten Weltenretter, doch weder werden sie dabei vertrauter noch wird Steppenwolf auf der anderen Seite in irgendeiner Art und Weise bedrohlicher. Auch in der Langfassung ist er nicht viel mehr als die Summe seiner Rüstungsteile, eine glitzernde Spielerei, die auf dem Bildschirm fortlaufend Unruhe stiftet, ohne dass man einen Blick unter die Schale werfen dürfte. Am Ende bleibt kaum mehr von ihm übrig als der flüchtige Fußabdruck eines Handlangers auf dem Weg zu noch dunkleren Gipfeln, die man sich für eine Fortführung aufhob.
Die nun mit feinem Strich neu arrangierten Szenen und Kapitel sorgen im Gesamten für eine weiterhin sehr flache Struktur, was dazu führt, dass man als Zuschauer die späteren Kapitel mit den früheren kaum noch in Einklang zu bringen weiß, obwohl die kindlich einfache Story jederzeit in Griffnähe ist. Vermittelt wird sie jedoch über ständig neue Symphonien des Bedeutungsvollen, arrangiert über einen dynamischen, mit Aktion und Bewegung zugepflasterten Ablauf (wer glaubt, die neuen Szenen würden fast nur Dialogszenen ohne Effektanteile bieten, sieht sich getäuscht; das Gegenteil ist der Fall), so dass man dazu neigt, frühere Kapitel und die darin illustrierten Kämpfe schnell zu verdrängen, um Platz zu machen für das aktuelle Geschehen. Ob da nun Amazonen Würfelspiele spielen, die Geiselnahme aus Christopher Nolans „The Dark Knight“ reinterpretiert wird, ob Gespräche unter Wasser geführt werden oder der menschliche Blitz ein Wettrennen mit der Physik spielt, ist im Grunde völlig egal, weil all das nur verschiedene Mittel zum gleichen Ziel sind: Steppenwolf zu entmachten. Selbst Snyders Spielereien mit dem – für eine Comicverfilmung – mehr als ungewöhnlichen Bildformat sind da kaum mehr als Allüren, die nichts zusammenhalten, sondern höchstens alles schön kohärent wirken lassen.
Dass der Epilog dann doch wieder völlig deplatziert wirkt, ist symptomatisch, aber vielleicht ist es in Wirklichkeit der vorangestellte Hauptfilm, der das deplatzierte Element bildet. „Zack Snyder’s Justice League“ ist im Vergleich mit der fürs Kino zusammengeschusterten Whedon-Version mit Sicherheit die harmonischere Gesamtkomposition, daran besteht gar kein Zweifel. Aber drückt sie wirklich so viel mehr aus, hat sie so viel mehr Tiefe, eine so viel andere Essenz als der zweistündige Vorläufer? Eher nicht. The Flash bleibt auch unter Snyder ein Goofy im roten Strampler, Cyborg wirkt selbst dann wie eine computergenerierte Figur, wenn er einfach nur Victor Stone ist. Und jene Charaktere, die unter anderen Regisseuren in das DC-Universum eingeführt wurden, reichen zu keinem Zeitpunkt an ihre Erstauftritte heran. Zeit ist nicht das große Wundermittel ohne Nebenwirkungen, mit dem man flachen Charakteren unkompliziert Leben einhauchen kann. Sie ist letztendlich eben auch auch als Investition zu verstehen, die vom Zuschauer geopfert wird. Allzu sorglos eingesetzt, kann sie daher auch – im wahrsten Sinne des Wortes – nach hinten losgehen. Wer mit ihr umzugehen weiß, dem genügen oft sogar wenige Minuten, um sie effektiv einzusetzen. Joss Whedon ist mit auch bereits nicht eben kurzen zwei Stunden krachend gescheitert, Zack Snyder hat das Ergebnis in der doppelten Laufzeit nur geringfügig verbessern können.
Schaut in den Trailer von “Zack Snyder’s Justice League”
httpv://www.youtube.com/watch?v=s16fTocI2MU
Hugh, die Fans haben gesprochen! Ob sich Warner nun breitschlagen ließ oder die vierstündige Schnittfassung ohnehin für einen späteren Zeitpunkt in der Schublade bereit hielt, am Ergebnis ändert es nichts: Er ist da, der Snyder-Cut! Und wie das Leben heute so spielt, als erstes wurde er natürlich gestreamt. Auf HBO Max feierte Zack Snyder’s Justice League” im März sein Debüt. Erfreulicherweise folgte zwei Monate später aber auch eine physische Veröffentlichung, auf der auch vorliegende Kritik basiert. Der Hauptfilm ist seiner stattlichen Länge wegen auf zwei Datenträger aufgeteilt, wobei sich auf Disc 1 die ersten 140 Minuten befinden und die restlichen 100 Minuten auf Disc 2. Ferner findet man auf der Scheibe das 25-minütige Special “Vollendung der Trilogie”, in dem Zack Snyder einen Rückblick auf seine drei DC-Werke (“Justice League”, “Batman v Superman: Dawn of Justice“, “Man of Steel“) wagt. Selbstverständlich erhält man den Film parallel auch als UHD oder auf dem immer noch verbreitetsten aller Heimkinoformate, der DVD.
Sascha Ganser (Vince)
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